Eurokrise: Der Schlüssel liegt beim französischen Präsidenten

Gestern bei Maischberger erklärte Jacob Augstein, die Eurokrise sei keine reine Schuldenkrise, sondern eine Bankenkrise. Damit hatte er teilweise Recht und teilweise Unrecht.

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Es stimmt, dass die Eurokrise keine reine Schuldenkrise ist, aber es stimmt nicht, dass es sich um eine reine Bankenkrise handelt. Die Rolle der Banken und die Schuldenkrise sind vielmehr Folgen des Wegfalls der Wechselkurse und der versäumten Anpassung vieler europäischer Volkswirtschaften an die veränderten Rahmenbedingungen, die der Euro gesetzt hat.

Das Problem der Eurozone ist leicht zu umreißen: Die meisten europäischen Staaten haben Gewerkschaften, die weniger ausgleichsbereit und renitenter sind als die deutschen Gewerkschaften. Konflikte über öffentliche Leistungen und Löhne werden mit viel größerer Härte ausgetragen. Das heißt die Politik hat noch mehr Angst die notwendigen Anpassungsmaßnahmen durchzuführen als in Deutschland und Tarifkonflikte können schnell zu bürgerkriegsartigen Konfrontationen führen. Frankreich ist dafür ein gutes Beispiel, wo protestierende Bauern schon einmal öffentliche Straßen lahm legen und in Betrieben Manager als Geiseln genommen werden.

Also hat die Politik Jahrzehnte lang einen bewährten Trick angewendet, um Lohnkosten und öffentliche Leistungen dennoch zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Sie hat die Währung abgewertet, dadurch reduzierten sich die Reallöhne und die realen Kosten der öffentlichen Leistungen. Das verschaffte der Wirtschaft solange Luft, bis Gewerkschaften und Interessengruppen wieder Lohn- und Leistungserhöhungen auf das alte Niveau durchgesetzt hatten. Dadurch kam es wieder zu Wettbewerbsschwierigkeiten und die Politik reagierte wieder mit einer Abwertung…usw.

Mit der Einführung des Euro fiel diese lang eingeübte Praxis der politisch leichten Anpassung weg. Es gab keine Anpassung mehr über den Wechselkurs. Daraus resultierte die Notwendigkeit für eine radikale Anpassung nicht nur der Wirtschaftsordnung, sondern auch der politischen Kultur. Solche Veränderungen sind nicht ohne herbe Auseinandersetzungen möglich. Gewerkschaften und Interessengruppen müssten daran gewöhnt werden, dass sie mehr Nachgiebigkeit zeigen müssen, wenn es um die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit geht. Nach der Euroeinführung hätten viele Eurostaaten aufgrund der veränderten Wettbewerbsbedingungen eine massive Anpassungskrise durchlaufen – so wie wir sie jetzt erleben.

An dieser Stelle kamen jedoch das Finanzsystem und die Banken ins Spiel. Die Banken übernahmen die Aufgabe einen enormen privaten Kapitaltransfer ins Werk umzusetzen. Dies geschah einmal durch billige Kredite an Staaten und zum anderen durch billige Kredite für den Immobiliensektor wie in Spanien. Durch diesen Kapitaltransfer wurde die Wettbewerbslücke geschlossen, das Leistungsbilanzdefizit finanziert, und die schwerwiegende Anpassungskrise, die einer Einführung des Euro unter anderen Umständen gefolgt wäre, vermieden. Besser gesagt, die Anpassungskrise wurde um ein Jahrzehnt in die Zukunft verschoben.

Die Banken haben also bei dem Zustandekommen der Krise eine Rolle gespielt. Sie haben willfährig die Rolle gespielt, die ihnen die Politik zu gedacht hatte. Die Politik wollte die Stabilisierung der Eurozone, die Vermeidung von sozialen Friktionen und die Ankurbelung der Wirtschaft mit billigen Krediten. Und sie schuf dafür die Rahmenbedingungen: Basel II erklärte Staatsanleihen zu risikolosen Anlagen, die nicht mit Eigenkapital unterlegt werden mussten. Die Europäische Zentralbank akzeptierte alle Staatsanleihen des Euroraumes gleichermaßen als Sicherheit. So viel der Risikoaufschlag für diese Staaten weg, weil die Banken dies als Versprechen werten konnten, von ihrem Risiko befreit zu werden. Dieses „Versprechen“ wurde anders als die meisten anderen Versprechen, die die Politik gegeben hat, tatsächlich eingehalten. Durch die Rettungsschirme und Transferzahlungen wurden die Banken gerettet.

Den Preis für die zehnjährige Ruhephase in der Eurozone und die Illusion von Stabilität entrichtet also der Steuerzahler. Die notwendige Anpassung der Wettbewerbsbedingungen und der politischen Kultur, die bei der Einführung des Euros durch den Einsatz enormer Kapitaltransfers aufgeschoben wurde, kann dauerhaft nicht vermieden werden, wenn die Eurozone in dieser Form weiter bestehen soll.

Geschichte hat einen Sinn für Ironie. Es war ein französischer Sozialist, Francois Mitterand, der den Euro um jeden Preis durchsetzen wollte. Jetzt liegt der Schlüssel bei dem französischen Präsidenten, Francois Hollande, dessen Politik wesentlich darüber entscheiden wird, ob wenigstens der deutsch-französische Kern der Eurozone bestehen bleiben kann. Entweder gelingt dem französischen Sozialisten, was seinem konservativen Vorgänger nicht gelungen ist, die öffentlichen Haushalte und vor allem den Arbeitsmarkt in Frankreich zu reformieren – was man in Erinnerung an Gerhard Schröder und die Agenda 2010 nicht ganz ausschließen sollte – oder es ist schwer erkennbar, wie die Eurozone in Zukunft weiter funktionieren soll.

Wer glaubt, dass Deutschland den Kapitaltransfer der letzten 10 Jahre – diesmal nicht mehr über die Banken, sondern über die öffentlichen Haushalte – aufrecht erhalten kann, um öffentliche Beschäftigung in anderen Ländern zu finanzieren, überschätzt die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik, die Bereitschaft der deutschen Bürger das mit zu tragen, und verkennt die schwerwiegenden Probleme – speziell demographischer Natur – vor denen Deutschland steht. Spätestens beim nächsten Abschwung der Konjunktur wird sich zeigen, dass Deutschland die Rolle, die ihm viele als Garant der Stabilität für die ganze Eurozone zugedacht haben, schlicht nicht spielen kann, selbst wenn die Deutschen das wollten.

Dieser Beitrag erschien zu erst auf dem Blog des Liberalen Instituts

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