Euro-Fanatismus ignoriert humanitäre Katastrophe

Die ökonomische und politische Begründung für den Euro hat sich längst in Luft aufgelöst. Übriggeblieben ist ein vergleichsweise lächerlicher Vorteil der Einheitswährung.

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Nach Dutzenden von Euro-Rettungsgipfeln, Hunderten von Milliarden für Rettungspakete und bald Tausenden von Milliarden für Bürgschaften und „Target“-Risiken ist nur noch der vergleichsweise lächerliche Vorteil der entfallenen Kosten für den Währungsumtausch übrig geblieben. Der gewichtete Außenwert des Euro ist stetig gesunken. Konjunkturell wird die Euro-Zone jetzt sowohl von den Nichteuroländern in der EU als auch den meisten anderen Wirtschaftsräumen abgehängt. Dass der Euro zu schwer für die Franzosen und Griechen und zu leicht für die Deutschen und Holländer ist, kann man in der Außenhandelsstatistik, den steigenden Arbeitslosenzahlen im Süden und den inzwischen inakzeptablen Inflationsraten im Norden ablesen.

Auch die politischen Begründungen für die Einheitswährung lösen sich jetzt in Luft auf. Selbst das ultimative Totschlagargument, „Ohne Euro keinen Frieden in Europa“, verkehrt sich jetzt ins Gegenteil. Wir haben den Frieden in Europa den Demokratien und nicht dem Euro zu verdanken. Noch nie hat eine Demokratie eine andere angegriffen! Aber mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) werden jetzt sogar die Demokratien aushöhlt. Außerdem verbreitert der Euro ständig den Graben zwischen der Eurozone und den Nichteuroländern. 73 Prozent der schwedischen Unternehmer und 80 Prozent der schwedischen Bürger wollen vom Euro nichts mehr wissen. Von den zehn Nichteuroländern in der EU will nur noch die rumänische Bevölkerung den Euro.

Auch innerhalb der Eurozone kommt es immer öfter zu Zwist und Streit. Waren die Deutschen vor der Krise die beliebteste Nation in Griechenland, sind wir dort inzwischen die am meisten verhasste. Kein Wunder, wenn die „Fiskalunion“ von immer mehr Menschen zwischen Athen und Paris als eine wirtschaftliche Variante teutonischer Kriegsführung wahrgenommen werden muss. Statt die eigene Währung abwerten zu können, um so wieder zu Wachstum und Arbeitsplätzen zu kommen, zwingt der potenziell größte Gläubiger diese Länder zu immer neuen Sparorgien und Schrumpfkuren nach deutschem Muster.

Wenn aus Euromantikern gefährliche Euro-Fanatiker werden

Jetzt ist es höchste Zeit, unsere Augen auch für die humanitären Schäden zu öffnen, die unsere Einheitseuropolitik im Süden anrichtet. Jeder fünfte Portugiese ist arbeitslos, jeder zweite junge Spanier hat keinen Job. Wer immer noch daran glaubt, dass Griechenland ohne Abwertung seiner Währung je auf einen grünen Zweig kommen kann, dem sei ein Besuch in Athen und Istanbul empfohlen. Seit Einführung des Euro hat sich die Türkei mit ihrer eigenen Währung von Griechenland ökonomisch weit abgesetzt. Während in Athen ganze Ladenzeilen leer stehen, die Hotelbetten kalt bleiben und die Industrie längst das Weite gesucht hat, ist in Istanbul im positiven Sinne „die Hölle“ los. Dem Besucher fällt noch etwas auf: In der Türkei beherrscht der Optimismus die Stimmung im Lande.

Griechenland scheint von einer kollektiven Depression befallen. Wie so oft bei Meldungen über humanitäre Katastrophen der Fall, kann man diese erst als Zeuge vor Ort richtig erfassen. So viele Bettler, Suppenküchen und um die Häuserblocks herumstreichende arbeitslose Jugendliche hat es in Athen seit 50 Jahren nicht gegeben. Aber auch die Statistiken, z.B. die über die sprunghaft angestiegene Zahl von Selbstmorden, sprechen eine schreckliche Sprache. Die griechische Tragödie wird zu einer humanitären Katastrophe, die, das steht zu befürchten, jetzt auch auf andere Südländer übergreifen wird.

Die Vertreter der „Elite“ deutscher Politik, Wirtschaft und Medien sind offensichtlich unfähig zuzugeben, dass der Einheitseuro sowohl seine wirtschaftlichen als auch seine politischen Ziele längst verfehlt hat. Wenn sie nun ihre Augen auch noch vor den humanitären Folgen der Einheitseuropolitik verschließen, dann sind sie keine harmlosen Euromantikern mehr sondern gefährliche Eurofanatiker.

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans von Atzigen

Gratulation Herr Henkel.Sie nenen die Sache klar und deutlich beim Namen.Da ging es nie um das Wohl der Menschen und Voelker des Kontinentes Europa.Das Ziel war das Zusammenschmieden eines Imperiums Europa.Eines Imperiums mit entsprechendem Gewicht auf dem Planeten.Eines jedoch muss man denen zugestehen.Ueber Jahrhunderte wurde dies unzaehlige male mit Waffengewalt versucht.Der aktuelle Versuch wurde mit von Ideologie triefenden Mitteln und unsinnig holen Versprechungen unternommen.Die Opfer sind einmal mehr die Menschen des Europaeischen Kontinentes.Welchen Endpreis letztlich die Menschen fuer diesen Irrsinn bezahlen muessen steht noch in den Sternen.Man kann nur hoffen.Hoffen das am Ende wenigstens die Errungenschaften der Aufklaerung der lange Kampf um das Liberal Humanistische,Demokratische Weltbild weiter und ueberlebt. Wer denn wenn nicht der Kontinent Europa soll und kann dies denn fuer eine fernere Zukunft Retten. Womoeglich fuer die Menschheit als ganzes.Die Vorbildfunktion und das ist das Elende ist vorerst verspielt.Eine bessere Welt ist nicht mit welchen Mitteln auch immer,weder mach noch erzwingbar.Dies kann nur mit Mass und Vernunft erarbeitet werden.Eine Welt mit Freien selbstverantwortlichen Nationen und Kulturen im Geiste des gegenseitigen Respektes und der Selbstverantwortung in jeder Beziehung. Freiheit und Humanismus koennen nachhaltig nur mit Mass und Selbstverantwortung leben.Europa als Wertegemeinschaft eine Wertegemeinschaft Freier und selbstverantwortlicher Nationen die das eigene Schicksal selbst bestimmen aber auch selbst verantworten.Diese Option ist und das ist das Elendeste,ist vorerst gescheitert.Bleibt noch die Hoffnung das zukuenftige Generationen diesen Weg finden und leben koennen.

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