Israel wird somit wohl eines der ersten Länder sein, das von einer Reform des Mechanismus zur Aussetzung der visumfreien Einreise in die EU, wie auch der Schengen-Länder betroffen sein. Darauf hatten sich das Europäische Parlament und der Rat am 17. Juni geeinigt, wie auch euronews.com berichtet hatte.
Durch die neuen Regeln ändern sich somit die Gründe für die Aussetzung der Visafreiheit, um, wie es hieß, Menschenrechtsverletzungen mit einzubeziehen, was unter anderem zur Auferlegung der Visumspflicht für israelische Bürger führen könnte. Dies bestätigten Quellen aus dem EU-Parlament, die mit dem Dossier vertraut sind, gegenüber Euronews.
Derzeit können Staatsangehörige aus 61 Ländern, darunter Australien, Brasilien, Israel, Japan, Großbritannien, die Ukraine und die westlichen Balkanstaaten, für Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in den Schengen-Raum reisen.
Die EU kann die Visumfreiheit allerdings unter bestimmten Bedingungen aussetzen. Bislang war dies nur einmal der Fall, und zwar mit der Republik Vanuatu, die wohlhabenden Russen im Rahmen ihres Programms „Staatsbürgerschaft durch Investition“ vanuatische Pässe ausstellte, die ihnen so die freie Einreise in die EU ermöglicht hatten.
Überarbeitete Kriterien im Sinne „europäischer Werte“
Nach der neuen Vereinbarung zwischen den EU-Gesetzgebern und den Mitgliedstaaten wird der Aussetzungsmechanismus nunmehr leichter auszulösen sein, da hierzu die Schwellenwerte gesenkt und neue Kriterien hinzugefügt wurden.
Somit sind beispielsweise Verstöße gegen die Charta der Vereinten Nationen, schwerwiegende Verletzungen der internationalen Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts sowie die Nichteinhaltung internationaler Gerichtsurteile nun gültige Gründe für die Aussetzung des visumfreien Status eines Landes. Dies würde somit freilich nicht nur Israel sondern vielmehr „sanktionierte Staaten“ im Allgemeinen betreffen.
„Dieses Instrument hilft uns, die Werte, auf denen unsere Gemeinschaft aufgebaut ist, zu verwirklichen und ermöglicht es uns, die Menschenrechte und die Achtung des internationalen Rechts durchzusetzen“, erklärte dazu der slowenische EU-Abgeordnete Matjaž Nemec, als Berichterstatter für den Gesetzentwurf im Parlament, gegenüber Euronews. „Kein bestimmtes Land ist das Ziel“, fügte er hinzu.
Der Status Israels gehöre jedoch zu den Ländern, die am meisten gefährdet seien, im Rahmen des neuen Verfahrens angefochten zu werden, erklärten dazu Quellen im EU-Parlament. Grund dafür seien Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Krieg gegen Gaza, die von der UNO erhoben worden seien. Serbien ist ein weiteres Land, das aufgrund der von der UNO hervorgehobenen Menschenrechtsbedenken wahrscheinlich ins Visier genommen wird, so die Quellen. Ein Schelm der Böses denkt, bemüht man sich seitens Brüssel bereits lange und mit mäßigem Erfolg, die Serben auf EU-Schiene zu leiten.
Schengen-Staaten können Verfahrenseinleitung verlangen
Die Länder des Schengen-Raums, zu dem alle EU-Staaten mit Ausnahme von Zypern, Irland, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz gehören, können die Kommission ebenfalls zur Einleitung des Verfahrens drängen, indem sie mitteilen, dass ihrer Ansicht nach die Bedingungen für die Auslösung des Mechanismus erfüllt seien. Das Parlament kann auch eine nicht bindende Entschließung vorschlagen, in der es die Aussetzung des visafreien Status eines Landes empfiehlt.
„Es ist wahrscheinlicher, dass ein EU-Mitgliedsstaat das Thema Israel anspricht, als das Parlament“, erklärte eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle gegenüber Euronews und fügte hinzu, dass mehrere Fraktionen im Parlament auf die Aufnahme von Menschenrechtsverletzungen mit Blick auf Israel gedrängt hätten.
Maßnahme zur Eindämmung der Migration?
Zu den weiteren Änderungen des Gesetzentwurfs gehören auch neue Bestimmungen über die Migration. Derzeit könnte ein erheblicher Anstieg der Zahl an Personen einer bestimmten Nationalität, die sich irregulär im Schengen-Raum aufhalten, oder ein Anstieg der Asylbewerber aus einem Land mit einer niedrigen Anerkennungsquote die Aussetzung der Visumfreiheit rechtfertigen.
Im Rahmen der Reform wird die Schwelle für die Beurteilung eines Anstiegs der irregulären Aufenthalte von 50 Prozent auf 30 Prozent der Zahl des vorangegangenen Zeitraums gesenkt. Gleichzeitig jedoch wird die Schwelle für eine „niedrige Anerkennungsquote“ bei Asylanträgen von derzeit 4 Prozent auf 20 Prozent angehoben.
Diese Änderungen sollen offenbar erneut eine Botschaft an die Länder senden, die von der Visumfreiheit profitieren, und sie zu „motivieren“, die Migration in die EU zu reduzieren. „Die polnische Präsidentschaft, die den Rat leitet, hat sich aufgrund der starken Ambitionen der Mitgliedsstaaten stark für diese Reform eingesetzt.
Die am 17. Juni erzielte Einigung muss allerdings noch vom Parlament und vom Rat formell angenommen werden, bevor sie zu EU-Recht wird.
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