EU-Kritik als Friedenssicherung

Egal ob christlich motiviert oder aus dem eher sozialistischen Gedanken der Völkerverständigung: Handel ist ein Instrument der Friedenssicherung!

Veröffentlicht:
von

Nein, ich werde die Wahlen zum Europaparlament nicht direkt kommentieren, der Ausgang der Wahl in Deutschland war erwartungsgemäß: Die CDU holt sich die Klatsche für sozialdemokratische Politik ab, die SPD erholt sich vom Allzeittief ohne sich in besondere Höhen aufschwingen zu können. Unter den Kleinen ist das Erstarken der AfD – allerdings auf weiterhin niedrigem Niveau bei offenbar hoher Wählermotivation der Anhänger und weiterhin geringer Gesamtwahlbeteiligung – und das ins „Sonstige“-Milieu abgesackte Ergebnis der FDP zu sehen – wenig überraschend, aber doch bezeichnend.

Europaweit machen sich jetzt aber Euro-Kritiker wie die von der britischen UKIP mit erheblichen Wahlerfolgen auf den Weg nach Straßburg, die zwar erst noch beweisen müssen, dass sie auch konstruktive Politik machen können, deren Vorhandensein aber dem EU-Wachstum den Anschein der Normalität raubt. Und gerade das Erstarken der Euro- und EU-Kritiker wird von deutschen Medien bejammert, im ÖR-Fernsehen war dazu in der Wahlberichterstattung eine Darstellung zu bewundern, die rechts neben der EVP nur „Rechtspopulisten“ und „Rechtsextreme“ auszumachen vermochte. Das Signal ist eindeutig und immer das gleiche: Wer gegen den Euro ist und wer die EU kritisiert, der ist Nationalist, Rechter, fischt am rechten Rand – am Ende ist er ein Gegner des „Friedensprojektes Europa“ und damit ein Gegner des Friedens selbst.

Nun glaube ich, dass eine der besten und dabei weltanschaulich neutralen Methoden, Frieden zu schaffen, die ist, miteinander Handel zu treiben. Wer von Zulieferungen eines anderen Landes abhängig ist, wer Produkte auf einem Markt verkaufen will, wer auf ungehinderten Zugang zu diesen Märkten baut, der lässt keine Panzer rollen. Egal ob christlich motiviert oder aus dem eher sozialistischen Gedanken der Völkerverständigung: Handel ist ein Instrument der Friedenssicherung! Insoweit bin ich sofort bei denen, die die EU, oder besser die damalige EWG, als Friedensprojekt mit Klauen verteidigen. Käme es tatsächlich dazu, dass sich Märkte in extremem Umfang abschotteten (was aber die wenigsten der als Euro-Kritiker abgestempelten Parteien so fordern), dann wäre Gefahr für den Frieden in Europa gegeben, dann könnte man auf den Gedanken kommen, sich „Handelsraum“ (statt Lebensraum) mit Gewalt zu holen.

Etwas ganz anderes ist dagegen ein Projekt wie der Euro als Währung: Eine einzige Währung mit einer staatlich regulierten Zinspolitik für einen Großraum wie Europa mit den unterschiedlichsten Wirtschafts- und Kaufkraftstärken, durch nichts gestützt als durch das Versprechen der Stabilität, deren Sicherungsinstrumente aber nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen, ohne jede Einlagensicherung – auf so eine Schnapsidee käme ein Student der Volkswirtschaftslehre vermutlich nicht mal im ersten Semester. Die Verwerfungen, die so etwas hinterlässt, kriegt man zwar immer wieder irgendwie in den Griff – aber immer auf Kosten der Sparer und Konsumenten durch Niedrigzinspolitik und zusätzliche, nicht wirtschaftlich sondern politisch initiierte Geldvermehrung vulgo Inflation. Staatliche Enteignung durch die Hintertür!

Natürlich ist es auf kurze Sicht für Verbraucher einfach, bei Reisen ins EU-Ausland heute nicht mehr aufwändig Geld umtauschen zu müssen, und natürlich ist es auch auf kurze Sicht für Produzenten und Handeltreibende nicht schlecht, mit festen Wechselkursen oder eben einer einheitlichen Währung zu rechnen – notwendig ist eine solche Währung deswegen aber noch lange nicht, und sie wird dadurch auch nicht rational begründbar (Instrumente zur Wechselkurssicherung gab es auch schon früher, damals haben sie aber die betroffenen Unternehmen bezahlt, heute tut das jeder Europäer über seine Steuern und viel zu geringen Zinsen) und nicht langfristig stabilisierbar.

An dieser Stelle haben wir von der Brüsseler Regulierungswut noch gar nicht gesprochen, deren Auswüchse immer mal wieder den Weg in den Blätterwald finden, wie zuletzt eine Regelung der maximalen Wattzahl bei Staubsaugern. Inwieweit so etwas zur Friedenssicherung beiträgt wird das Geheimnis Brüsseler Bürokraten bleiben, die nicht zu unrecht darauf wetten werden, dass solche Dinge irgendwann in Vergessenheit geraten und man sich dann größeren Themen zuwenden kann (ich zitiere noch mal den Kandidaten der Konsevativen für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten, Jean-Claude Juncker: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.“)

Wer also, explizit oder implizit, Kritikern des Euro und der EU in ihrem aktuellen Zuschnitt den Willen zum Frieden abspricht, der muss erst mal nachweisen, dass das, was auf EU-Ebene bewirkt wird, tatsächlich den Frieden sichert – die reine Abwesenheit von Krieg in Westeuropa seit 1945 ist kein Beweis, die Rivalitäten und Bürgerkriege im seinerzeit zwangsweise zusammengewürfelten Vielvölkerstaat Jugoslawien und dessen Auseinanderbrechen Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts schon eher ein Indiz für das Gegenteil, die mangelnden Erfolgsaussichten supranationaler Bundesstaaten.

Der Frieden in Westeuropa hat durch die Erfahrungen zweier Weltkriege und die relativ gleichartige kulturelle und vor allem religiöse Prägung der eingebundenen Staaten so lange gehalten. Ein zusätzliches Instrument der Friedenssicherung war in Ergänzung dazu der freie und freiwillige Handel, dessen erzeugte Abhängigkeiten jeden vernünftigen Staatslenker die Finger vom Abzug halten lässt. Eine erzwungene Vereinheitlichung von Kulturen, ein kulturell nicht fundierter Bundesstaat Europa, eine einheitliche Währung über wirtschaftlich uneinheitliche Regionen und Nationen – das sichert keinen Frieden, das gefährdet ihn. Womöglich nicht heute, doch in Jahrzehnten, in denen die Auswirkungen von selbst gemachten Wirtschaftskrisen sich nicht mehr so einfach retuschiert lassen. Dieser Entwicklung vorzubeugen ist daher friedenssichernd – Gut also, dass es Eurokritiker im Europäischen Parlament gibt, zu hoffen ist nur, dass sie auch bei dieser Linie bleiben, wenn die Pfründe des Amtes locken!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang