EU- Agrarbeihilfen- wofür der größte Posten des EU- Haushaltes verwendet wird!

Der Agrarhaushalt der EU macht mit über 55 Milliarden € jährlich den mit Abstand größten Einzelposten aus. Davon werden wiederum mehr als 70 % für EU- Agrarbeihilfen ausgegeben. Ursprünglich einmal eingeführt, um den Einkommensabstand zwischen Landwirtschaft auf der einen Seite und Industrie und Dienstleistungssektor andererseits zu kompensieren, hat sich dieser große Posten verselbstständigt.

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Bis Anfang der neunziger Jahre erfolgten die Zahlungen vor allem über die Subventionierung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise. Dies führte zur Überproduktion, zu Milchseen, Butterbergen und Schlachthäusern mit zwischengelagerten Rinderhälften.

Anfang der neunziger Jahre schlug der damalige EU- Agrarkommissar MacSharry deswegen ein neues System der Beihilfen für die Landwirtschaft vor, wonach die Agrarbeihilfen nach der Fläche des Betriebes und der Anzahl der gehaltenen Rinder und Schafe berechnet wurden. Einige landwirtschaftliche Produktionszweige wie Kartoffelerzeugung, Schweine- und Geflügelhaltung verblieben ohne Beihilfen. Die Vorschläge sahen weiterhin eine einzelbetriebliche Obergrenze für die Beihilfen vor, um einer Fehlsubventionierung vorzubeugen.

Die Vorschläge des Kommissars MacSharry wurden verwirklicht und gelten im Kern bis heute. Die entscheidende Ausnahme besteht darin, daß es keine einzelbetriebliche Subventionsobergrenze gibt, wie von MacSharry vorgeschlagen. Die Vorschläge der einzelbetrieblichen Begrenzung  der Agrarbeihilfen wurden in den folgenden Jahren zur Agenda 2000, bei den Vorschlägen des EU- Agrarkommissars Fischler 2002, durch die EU- Agrarkommissarin Fischer-Boel 2007 und der jetzigen Agrarkommissar Ciolos 2011 jeweils wieder in die politische Diskussion eingeführt. Die Kappung der Beihilfen für Großbetriebe wurde nie umgesetzt und auch jetzt im Jahr 2013 hat die EU- Agrarministerkonferenz die verbindliche Kappung der einzelbetrieblichen Agrarbeihilfen und die mit zunehmender Betriebsgröße degressive Ausgestaltung der Beihilfen aus den Vorschlägen herausgenommen.

Zwei Fragen stellen sich:

 1.    Inwiefern verwirklicht das seit 20 Jahren angewendete Prinzip der Berechnung der EU- Agrarprämien das angestrebte Ziel der Angleichung landwirtschaftlicher Einkommen an das anderer Sektoren?
 2.    Welcher Machtfaktor ist so stark, daß er seit 20 Jahren die Vorschläge für eine einzelbetriebliche Obergrenze bei den Agrarsubventionen mittlerweile zum vierten Mal zu Fall bringt, einer Obergrenze, von der weniger als 1 % der Großbetriebe in Europa betroffen wäre?


Zu 1. Mit dem ursprünglichen Ziel, Einkommensangleichung/Einkommensstabilisierung hat die Verteilung von mehr als 40 Milliarden € an EU- Geldern nichts mehr gemein. Rationalisierte Großbetriebe über 1000 ha erhalten als Marktfruchtbetriebe bei dem heute möglichen Stand der Rationalisierung jährlich über 150.000 € /ha an Agrarprämien, während der durchschnittliche bäuerliche Betrieb in Deutschland weniger als 10.000- 12.000 €/ha jährlich erhält. Die zwanzig Prozent der größten Betriebe in der EU erhalten 85% der Agrarsubventionen.

Bei den auf diese Weise in besonderem Maße begünstigten Betrieben handelt es sich vorwiegend um 1.000- 1.200 ostdeutsche Großbetriebe. Diese Betriebe erhalten zwar bezogen auf ihre Mitarbeiter hohe Subventionen, geben aber nur einen kleinen Bruchteil an ihre Mitarbeiter weiter, die teilweise bis heute Brutto- Stundenlöhne unter 7, teilweise sogar unter 6 €/Stunde erhalten.
In Ostdeutschland haben die EU- Agrarbeihilfen auch dazu geführt, daß vor allem die Erzeugnisse in der Landwirtschaft produziert werden, die hoch mit Subventionen belegt sind, Getreide, Raps,  Mais, gering subventionierte Produktionszweige wie Kartoffeln, Gemüse und Tierhaltung wurden aufgegeben. Also die Produktionszweige mit einer hohen Wertschöpfung auf der Fläche sind vielfach weg rationalisiert worden. Das ist der Grund,  warum die juristischen Personen in der Ostdeutschen Landwirtschaft mit ihren großen Flächen eine so geringe Beschäftigung aufweisen,- die ländlichen Regionen im Osten werden auch deswegen entvölkert. Und schließlich ist die Effizienz der Agrarsubventionen in der ostdeutschen Großbetriebslandwirtschaft sehr gering; ein Euro Agrarprämien für die Großbetriebslandwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern führte zur einer landwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung von 1,70 Euro, der Bundesdurchschnitt liegt mit 2,45 Euro deutlich höher und wird durch die bäuerlich strukturierten westdeutschen Bundesländer in die Höhe getrieben.

Zu 2. Die Verhinderung von grundlegenden Reformen bei den EU- Agrarbeihilfen dauert mittlerweile mehr als 20 Jahre. Die für diese Verhinderung entscheidende Lobbygruppe sind die ehemalige DDR- Agrarkader, die rund 1.200 ostdeutsche Großbetriebe leiten bzw. deren Eigentümer sind. Sie sind in den ostdeutschen Landesbauernverbänden organisiert und nehmen über den ursprünglich konservativen und (west)deutschen Bauernverband  (DBV) zentralen Einfluss auf die EU- Agrarpolitik. Die ostdeutschen Landesbauernverbände betreiben bis heute in allen zentralen Punkten, vor allen in der Bodenpolitik und bei den EU- Agrarprämien eine Verbandspolitik gegen bäuerliche Landwirtschaft. Es sind die hohen Agrarsubventionen für LPG- Nachfolger und ehemalige DDR- Agrarkader, die bis heute eine bäuerliche Landwirtschaft in Ostdeutschland verhindert haben. Dies führt zur Agrarindustrialisierung. Und im Weg zur Agrarindustrialisierung sind sich ostdeutsche Agrarkader und westdeutsche DBV- Funktionäre einig.
Und da der DBV im Westen und über die ostdeutschen Landesbauernverbände noch mehr im Osten die Agrarpolitik auf Länder- und Bundesebene  bestimmt,  und da die Bundesrepublik der wichtigste Nettozahler in der EU ist, so sorgt die Lobbyarbeit für diese 1.000- 1-200 ostdeutschen Großbetriebe dafür, daß sich an dem EU- Agrarprämiensystem nichts ändert.

Die Parteien im Bundestag, Regierung wie Opposition spielen dabei ihre Rolle.

Die Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner (CSU) hat alles getan, Reformen zu verhindern. Damit nimmt sie die Benachteiligung der Bauern ihrer bayrischen Heimat weiterhin billigend in Kauf. Aigner hat sogar in einem Interview 2013 behauptet, die hohen Agrarbeihilfen an die ostdeutschen Großbetriebe, die Ministerin nannte sie entsprechend der DBV- Nachwendepropaganda „Mehrfamilienbetriebe“, seien gerechtfertigt, da diese mehr Mitarbeiter beschäftigten.  Tatsächlich beträgt die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in der Großflächenlandwirtschaft von Mecklenburg-Vorpommern 1 Mitarbeiter je 100 ha, in der bäuerlich verfassten Landwirtschaft Westdeutschlands 3,3 Mitarbeiter je 100 ha. Die jetzige Bundeslandwirtschaftsministerin täuscht damit die Öffentlichkeit.
Die CDU insgesamt versucht mit allen Mitteln, eine auch nur geringe Beschneidung der Agrarprämien für ostdeutsche Großbetriebe zu verhindern. Dabei macht sich in der Ost-CDU besonders bemerkbar, daß diese nach der Wende die „Demokratische Bauernpartei Deutschlands“ (DBD) aufgenommen hat. Diese Partei war in der DDR weder demokratisch organisiert, noch hat sie die Belange der Bauern vertreten, sie war die militante Version der SED auf dem Lande.  
 Die Landwirtschaftsministerien in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden seit 1990 bzw. 1998 von SPD- Ministern geleitet. Diese sind die treibende Kraft der Lobbyarbeit für ostdeutsche Großbetriebe. Gleichzeitig fordern vergleichsweise einflusslose SPD- Parlamentarier im EU- Parlament eine weitgehende Abschmelzung der Prämien für Großbetriebe. Aus Gründen der Ehrlichkeit täten diese Parlamentarier gut daran, erst einmal ihre Brandenburger und Mecklenburger Parteigenossen zu kritisieren.
Die Linke/PDS muß noch nicht einmal besonders politisch aktiv werden. In der Lobbyarbeit für die ostdeutschen Großbetriebsagrarkader übernehmen SPD und Ost- CDU gerne die Schmutzarbeit und geben diese auch noch als Interessenvertretung für die Region aus. Zusammen mit der SPD fordert die Linke seit Jahren für viele Branchen einen Mindestlohn. Im Agrarbereich hätte die Zahlung der Agrarprämien schon vor einem Jahrzehnt sehr einfach an die Bezahlung von Tariflöhnen gebunden werden können. Bis heute sind in der ostdeutschen Landwirtschaft Bruttostundenlöhne deutlich unter 7 € keine Seltenheit.

FDP und Grüne könnten sich in diesem Feld durch eigene Vorschläge profilieren. Hier ist  es auch bei diesen beiden Parteien dunkel.
Beispielsweise hat sich die FDP in Thüringen in ihrem letzten Landtagswahlkampf im agrarpolitischen Programm weitgehend darauf beschränkt, ausführlich zu begründen, warum an den Agrarprämienzahlungen keine Änderungen vorgenommen werden sollten. Eine merkwürdige Position für eine liberale Partei mit einem kritischen Blick auf Subventionen. In den anderen ostdeutschen FDP- Landesverbänden ist es agrarpolitisch nicht heller.
Die Grünen sind mittlerweile agrarpolitisch außerordentlich mächtig, sie stellen fünf Landesagrarminister. Allerdings gab es auch hier eine ehe halbherzige Unterstützung für die Beschneidung der Agrarprämien für Großbetriebe. Die ehemalige grüne Agrarministerin Künast hat in ihrer Amtszeit nicht anders gehandelt als Aigner jetzt. Dies ist nicht verwunderlich, da sich in der Spitze der Grüne mehrere dezidierte DBV- und Großbetriebslobbyisten befinden, z.B. die Landwirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Höffken und die Bundesgeschäftsführerin Lemke.

Die politische Diskussion zu den Agrarbeihilfen im Zeitraum 2014- 2020 war nur Fassade. Es wurde ein öffentlicher Diskurs simuliert. Es bleibt im wesentlichen beim Alten.       
 
Jörg Gerke, 3.4. 2013

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

Bei mir im Nachbarkaff gibts eine Briefkastenfirma, die kassieren jeden Monat für die Stillegung ihrer landwirschaftlichen Flächen von der EU hohe Prämien. Weil die Bauern nun rumsitzen, betreiben sie auf allerlei Events und Volksfesten einen mobilen Bierstand. Das ist die EU live.

Gravatar: Hans Peter

Ich würde sagen es gibt manchmal schon einen Nutzen-z.b wenn die Umwelt geschptzt wird.In den Monokulturen lebt doch fast nichts mehr.

Aber das meiste ist schon sinnlos und zerstört die Wirtschaft in anderen Ländern.In Afrika lohnt es sich nicht mehr Hühnchen zu züchten oder Milch zu Produzieren da es billiger ist es aus der EU zu Importieren und das bei 50 mal niedrirgeren Kosten dort.

Die andere Perversität ist doch aber das kein Land Geld hat-alle haben Schulden aber müssen weitere Schulden aufnehmen um in die EU einzahlen zu können.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Subventionen sind des Teufels. Sie führen nie zu einem Nutzen für die Allgemeinheit, die diese Subventionen bezahlen muß, sondern immer nur zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Begünstigten. Diese bilden alsbald eine einflußreiche Lobby, die jede Änderung für sie ungünstige Änderung des Subventionsunwesens zu verhindern weiß. Ins Grundgesetz gehört daher nicht nur eine Schuldenbremse, sondern auch das Verbot jeglicher Subventionen.

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