Es war einmal

Der alte und weise Journalist schrieb einfach auf, was ihm einfiel. Dem Papst machte das alles gar nichts aus, denn er war ja der Papst. Und so plauderten sie immer weiter.

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… in einem fernen Land im Süden, wo laut Goethe die Zitronen blühen. Dort lebte ein alter und weiser Journalist, der gerne mit allen Leuten plauderte. Und die Leute plauderten auch gerne mit ihm, denn er war ein kluger Mann und er hatte eine große und wichtige Zeitung, in die alle Menschen gerne reinwollten.

Eines Tages lud der Papst den alten und weisen Journalisten ein, weil er auch mal mit ihm plaudern wollte. Der alte und weise Journalist glaubt nämlich nicht an Gott und das fand der Papst spannend.

Nach dem Gespräch setzte sich der alte und weise Journalist an seine alte und rostige Schreibmaschine und schrieb auf, was der Papst ihm gesagt hatte. Weil er aber so alt und weise ist, braucht er sich nichts aufzuschreiben. Er hatte alles im Gedächtnis, was der Papst ihm gesagt hatte. Nun ist das aber so, daß alte Leute auch schon mal was verwechseln und sich nicht mehr ganz so gut an das erinnern, was sie gehört haben. Das störte aber den alten und weisen Journalisten nicht, er schrieb einfach auf, was ihm einfiel.

Als am nächsten Tag die große und wichtige Zeitung erschien rieben sich alle Leser verwundert die Augen. Das sollte der Papst gesagt haben?

Auch im Vatikan gibt es einen alten und weisen Journalisten, der aber keine große und wichtige Zeitung hat, nur ein kleines Büro in der Sala Stampa. Der alte und weise Journalist im Vatikan glaubt an Gott und war sehr empört über das was sein Kollege in der großen und wichtigen Zeitung geschrieben hatte. Das sagte er auch vielen anderen Journalisten.

Aber den anderen Journalisten gefiel viel besser, was der ungläubige alte und weise Journalist geschrieben hatte und ganz viele Journalisten in der ganzen Welt druckten das in ihrer Sprache in ihren Ländern in ihren Zeitungen.

Und weil ganz viele Menschen, die das lasen gar nicht glauben wollten, was da geschrieben stand, wollten sie wissen, was der Papst denn wirklich gesagt hat. Aber noch viel mehr Menschen wollten es eigentlich gar nicht so genau wissen.

Weil aber der Papst ein lieber und gütiger Mann ist, lud er den alten und weisen Journalisten immer wieder zum Gespräch ein und der alte und weise Journalist schrieb immer wieder einen Artikel über den Papst und was er so alles gesagt hat. Immer schrieb er aus der Erinnerung, weil

Es gefällt mir, mich mit einem wichtigen Gesprächspartner auszutauschen und dann mit meinen eigenen Worten davon zu berichten, in der Hoffnung, damit nach bestem Können, was der Papst zu sagen hat. (Eugenio Scalfari, Originalton Franziskus in: Die Zeit Nr. 30, 17.7.2014)

Viele Menschen finden das ganz schlimm, weil der alte und weise Journalist ja gar nicht die Wahrheit schreibt, sondern nur das, was er für die Wahrheit hält. Manche sagen sogar er würde lügen. Das findet der alte und weise Journalist ganz schlimm, weil der doch ein linker ist und linke gar nicht lügen können.

Und so schrieb er noch ganz viele Artikel von ganz vielen Plauderstündchen mit dem Papst, dem das alles gar nichts ausmachte, was der Journalist über ihn schrieb, denn er war ja der Papst.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann plaudern sie noch heute, die beiden alten Männer, dort in Rom, der Papst und der alte, weise Journalist.

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Düring

Sehr geehrter Herr Winnemöller, alte und weise, junge und ehrgeizige Journalisten, kluge und weniger kluge, gar ideologisch festgelegte, schreiben, sagen, filmen/fotografieren viel subjektives- wie alle anderen Menschen auch. Die vielfältigen subjektiven Meinungen, auch wenn sie als objektiv dargestellt werden, geben Tendenzen wieder, wie diese Gruppe die Welt sieht (oder auch sehen soll-leider). Allerdings die Wirklichkeit ist und bleibt wirklich, ganz gleich, welche Blickwinkel oder Theorien wir von ihr haben. Vielleicht erlauben viele, möglicherweise sehr subjektive Aussagen vieler, sich der Wirklichkeit und der Wahrheit anzunähern.
Mit freundlichen Grüßen
M. Düring

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