Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden

Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen – beides ist machbar: So der Titel einer Pressekonferenz, in deren Rahmen jüngst eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln vorgestellt wurde. In der Studie wird untersucht, wie hoch der Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren sein wird und ob unter diesen Vorzeichen Steuersenkungen möglich sind.

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In nuce fällt das Ergebnis der Untersuchung sehr positiv aus, denn trotz der Notwendigkeit erheblicher Einsparungen sind laut IW Spielräume für „Reparaturen“ am Steuersystem vorhanden. Wo allerdings diese Spielräume genau sein können, mit dieser Aussage hält das Institut sich zurück.

So ist der Großteil der Studie einer wissenschaftlich fundierten Projektion der Entwicklung der öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2013 gewidmet. Auf der Grundlage der Mittelfristigen Finanzplanung des Bundes errechnet das Institut für jedes Jahr den Konsolidierungsbedarf sowie die eventuellen finanziellen Spielräume. Es folgt eine Projektion der öffentlichen Haushalte bis 2020 – auch diese so wissenschaftlich fundiert, wie es für ökonomische Prognosen für einen solch langen Zeitraum überhaupt möglich ist.

Den steuerpolitischen Handlungsbedarf vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Projektion sieht das IW vor allem im Abbau der sogenannten „Kalten Progression“. Ein Vorschlag, dem ohne Zögern zugestimmt werden kann. Denn von der Kalten Progression, die gerne auch als „Mittelstandsbauch“ bezeichnet wird, sind insbesondere jene Arbeitnehmer betroffen, die zur Mitte der Gesellschaft gehören und in den vergangenen Jahren von der Politik eher belastet als entlastet wurden. Das Abflachen des Mittelstandsbauches hätte ein höheres Nettoeinkommen für die Steuerpflichtigen zur Folge und würde sicher auch auf seine eigene Weise zum Wirtschaftswachstum beitragen – das wiederum zur Konsolidierung der Haushalte beitragen würde.

Wie und warum die Steuersenkungen machbar sind, erklärt das IW eher oberflächlich: durch Subventionskürzungen, die Nutzung von Effizienzpotentialen im Gesundheits- und Sozialbereich und „Nullrunden“ bei den Personalausgaben im öffentlichen Dienst. Das Institut verweist für die möglichen Subventionskürzungen auf die „Koch-Steinbrück-Liste“, die erhebliches Einsparpotential biete. Eine konkrete Auswahl von Subventionen, die gekürzt oder gar gestrichen werden könnten, legt das IW allerdings nicht vor. Das könne die Ökonomie auch nicht aufzeigen: „Die Entscheidung, an welchen Positionen dann tatsächlich gespart werden soll, ist hingegen politischer Natur, d. h. die Politik ist gefordert, die Konsolidierung gegenüber den Interessengruppen zu verteidigen, die Ökonomie kann das nicht leisten.“ (S. 13). Diese Position ist auch Sicht des arbeitgebernahen IW verständlich, aber bedauernswert. Denn wer, wenn nicht Ökonomen, können die ökonomische Notwendigkeit von Subventionen valide evaluieren?

Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut an der Universität zu Köln ist da deutlich mutiger. Anfang Dezember 2009 legte es eine Untersuchung vor, in der die 20 größten Steuervergünstigungen evaluiert werden. In dieser Untersuchung spricht das Institut sich klar für die Abschaffung, Überarbeitung oder Beibehaltung einzelner Subventionen aus – und belegt dies wissenschaftlich.

Es wäre hilfreich, wenn Politikberatung auch dort erfolgen würde, wo Fehler im Vorfeld vermieden werden können – und nicht nur in dem Umfang, dass Fehler im Nachhinein von der „Politikberatung“ kritisiert werden können. Denn das geschieht nur allzu oft.

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages jedenfalls, Hermann Otto Solms, hat nochmals deutlich gemacht, dass Steuersenkungen und Haushaltskonsolidierungen untrennbar zusammen gehören und dass nur ein fundiertes, langfristig orientiertes Gesamtkonzept einer Konsolidierungsstrategie den notwendigen Einsparungserfolg mit sich bringen kann. Und er hat nochmals deutlich gemacht, dass ein primäres Ziel der Steuerentlastungen die Abflachung des „Mittelstandsbauches“ ist. Dies kann vor allem auch durch eine Steuervereinfachung geschehen, die notwendiger denn je ist und nur in indirektem Zusammenhang mit der Debatte über die finanziellen Spielräume von Steuersenkungen steht.

Erstveröffentlichung auf Denken für die Freiheit

Literatur

www.iwkoeln.de/tabid/209/default.asp

www.wiso.uni-koeln.de/finanzfors/Projekte/P174.html

www.hermann-otto-solms.de/files/24689/10-01-15_Brief_AK_II-1.pdf

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