Es ist ein Crowd gewachsen

Kraut – was? „Crowdfunding“ (Schwarmfinanzierung) ist also der „Anglizismus des Jahres“. Das neue Wort folgt damit auf das Fäkalwort „Shitstorm“ (Empörungswelle); das im vergangenen Jahr das Rennen machte.

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Unter den Briten löste die Wahl schon damals Gelächter aus. Einer kommentierte: „They give us ‚Zeitgeist‘ and we give them ‚shitstorm‘.“ Heute dürften sie seufzen: „Oh, these Krauts!“

Hinter dem Anglizismus-Wettbewerb steht eine kleine Gruppe anglophiler Akademiker um Englischprofessor Anatol Stefanowitsch, die begeistert sind von der Verdrängung der deutschen Sprache durch das Englische. Sie wollen – ihren Worten nach – „den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung der deutschen Sprache würdigen“. Damit bilden sie bewußt eine Gegenbewegung zu den Bürgern, die sich um die deutsche Sprache sorgen und auf Verständlichkeit pochen.

Gecrowdfundet oder crowdgefundet?

Die Wahl zum „Anglizismus des Jahres“ ist also leider keine satirische Veranstaltung, auch wenn die Verlautbarungen komisch klingen: „Crowdfunding füllt eine Lücke im deutschen Wortschatz, die durch das Aufkommen einer neuen Art des netzgestützten Investitierens [!] entstanden ist. Es hat sich im Laufe des letzten Jahres im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und gut in die Struktur des Deutschen eingefügt.“ Das schreiben die Wahlleute um Stefanowitsch. Daß es für „Crowdfunding“ längst die deutsche Entsprechung „Schwarmfinanzierung“ gibt, ist den Denglischfreunden offenbar entgangen.

Wie das daraus abgeleitete Wort „crowdfunden“ gebeugt werden soll, ist sich Stefanowitsch noch nicht sicher: „Hier bleibt abzuwarten, welches Partizip sich durchsetzt – gecrowdfundet oder crowdgefundet.“ Das erinnert an den Streit um das häßliche „downgeloadet – gedownloadet“. Wer sich diese Verrenkungen ersparen möchte, spricht einfach von „herunterladen – heruntergeladen“.

Gegen das Überhandnehmen von Anglizismen ist also durchaus ein Kraut gewachsen. Dieses besteht jedoch nicht darin, jedes fremdklingende Wort kritiklos zu bejubeln. Statt dessen sind Wörter zu wählen, die sich einfach und verständlich unserem Sprachgebrauch anpassen. Die haben dann wirklich einen Preis verdient.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas ex Gotha

Typisch, dass die schärfsten Sprachwächter ein Deutsch schreiben, das hässlicher und falscher klingt als alle Anglizismen zusammen. Im letzten Absatz schreibt Paulwitz z.B.: "ist also durchaus ein Kraut gewachsen. Dieses besteht jedoch nicht darin" - ein Kraut, das in etwas besteht. Du Deutsch, Thommy? Und weiter geht es im schnarrenden Offizierstonfall: "Statt dessen sind Wörter zu wählen" bzw. Gräben gegen die Anglizismeninvasion auszuheben. Jawoll, Herr Sprachkommandant!

Es ist ein Kreuz mit diesen nationalbewegten Puristen. Sie wollen ja Deutsch, sie fühlen Deutsch, allein, sie können es nicht.

Gravatar: Ulrike

Anglizismen zerstören die deutsche Sprache.

Gravatar: Freigeist

Die EDV-Sprache ist leider Englisch. Dank Hitler hat Deutschland den Vorsprung in der EDV verloren. Gerade mal SAP kann noch mithalten, ausgehend vom deutschen Steuerdickicht.

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