Es gibt keine Überhangmandate!

 

 

 

Der Terminus „Überhangmandate“ und der ganze Unsinn, der darüber von den Wahlkommentatoren verbreitet wird und jetzt zu politischen Auseinandersetzungen führt, verkennt das Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland.

 

Das ist ebenso einfach wie einleuchtend: In den 299 Wahlkreisen wird je ein Abgeordneter direkt gewählt, und zwar nach den Regeln des Mehrheitswahlrechts. Gewählt ist also, wer die meisten Stimmen erhält, ohne daß es auf den Anteil an den abgegebenen Stimmen ankäme.

 

 

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Die andere Hälfte der Abgeordneten wird nach den Regeln des Verhältniswahlrechts aus Landeslisten gewählt, das nur dadurch die eingeschränkt ist, daß eine Partei, die weniger als 5 % der abgegebenen Stimmen erhält, nicht berücksichtigt wird. Hier werden also nicht Personen, sondern Parteien gewählt, und jede Partei erhält so viele Mandate, wie es ihrem prozentualen Anteil an den abgegebenen Stimmen entspricht. Über die Kandidaten auf den Listen und ihre Reihenfolge entscheidet aber die Partei und nicht das Wahlvolk.

 

Die direkt gewählten Abgeordneten sind die unmittelbar demokratisch vom Vertrauen der Mehrheit der Wähler des Wahlkreises legitimierten Volksvertreter, und es grenzt an Beleidigung, sie „Überhang“ zu nennen, wenn ihre Zahl größer ist, als es dem Anteil der jeweiligen Partei bei der Wahl nach Landeslisten entspricht. Die nach Listen gewählten Abgeordneten sind zwar auch durch Wahl legitimiert, aber nicht unmittelbar als Personen.

 

Das Wahlsystem wird verfälscht und unverständlich, wenn die Regeln des Verhältniswahlrechts (Zweitstimmen) auf die nach dem Mehrheitswahlrecht (Erststimmen) gewählten Abgeordneten angewandt werden. Die in einigen Ländern eingeführten „Ausgleichsmandate“ sind deswegen absurd.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Anfortas

@Elmar Oberdörffer

Bei einem Grabenwahlsystem werden für die Zusammensetzung eines Parlamentes mehrere, von einander getrennte, Verfahren verwendet. Auf die Bundestagswahl übertragen, könnte das bedeuten: Es wird die Hälfte der Mandate nach dem Verhältniswahlrecht (Parteilisten) vergeben, die andere Hälfe nach dem Mehrheitswahlrecht (Direktmandate).

Das ist das, was der Autor des Artikels in Ansätzen beschreibt, was aber NICHT das deutsche System für die Wahl zum Bundestag ist. Sonst hätten wir nämlich ein Problem, wie die Überhangmandate gar nicht. Wir haben ein personalisiertes Verhältniswahlrecht.

Gravatar: Wähler

Es ist nun aber einmal die Entscheidung des Gesetz- und in einigen Ländern auch des Verfassungsgebers, als übergeordnetes Wahlsystem das Verhältniswahlrecht einzuführen. Wenn dann auch noch der Gesetzgeber die Hälfte (wie beim Bundestag) oder 40 von 69 Sitzen (wie in Schleswig-Holstein) zu vergeben, dann besteht natürlich die Gefahr, bei schwachen Ergebnissen der Parteien die möglicherweise mit ebenso schwachen Erststimmenergebnissen erzielten Wahlkreiserfolge in einem Land nicht rechtfertigen zu können. Solch absurde Wahlsysteme, in denen schwache Wahlergebnisse belohnt werden – denn wären alle Zweitstimmenergebnisse in den Wahlkreisen erfolgreicher Wahlkreisgewinner so wie bspw. bei Guttenberg im Wahlkreis in Kulmbach, hätte es keine bis nur ganz wenige Überhangmandate gegeben – brauchen wir nicht.

Und für den Autoren: Überhangmandate sind (bis auf die der CSU) keine Direktmandate, sondern nur zusätzliche Listenmandate, die durch überhängende Direktmandate hervorgerufen werden, die aufgrund einer länderbezogenen Verteilung nicht nach dem grundsätzlichen Anrechnungsprinzip des Budneswahlgesetzes angerechnet werden können.

Mal als Beispiel: Hätte die CDU in Hessen bei der Bundestagswahl 31.000 Zweitstimmen weniger bekommen, hätte sie bundesweit ein Mandat (Überhangmandat) mehr. Die Zahl der Direktmandate (oder der Erststimmen) verändert sich dabei aber nicht.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

@Anfortas: Der Autor wünscht sich gar nichts, sondern er erklärt das existierende Wahlsytem, und zwar vollkommen richtig. Und was ist ein Grabenwahlsystem? Den Begriff kenne ich nicht, bitte erklären!

Gravatar: Anfortas

Das Problem ist nicht, dass das Wahlsystem verkannt würde, sondern das Problem ist das Wahlsystem an sich.

Das, was sich der Autor wünscht, ist ein Grabenwahlsystem, aber dieses existiert nun mal nicht in Deutschland. Wir haben ein Verhältniswahlsystem, in dem wir Wähler das Ergebnis in Bezug auf die konkreten Personen beeinflussen können und zwar durch die Erststimme.

Gravatar: Hedwig Beverfoerde

Sie haben vollkommen recht und das ausgezeichnet erklärt!

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