Erst denken, dann handeln

Der Wohlstand der Menschheit ist das Resultat des technischen Fortschritts. Es wäre fatal die Zukunft naturwissenschaftlichen Analphabeten zu überlassen.

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Auffallend an vielen ökologisch motivierten Entsagungskünstlern ist nicht so sehr ihre Bereitschaft für Natur und Umwelt Opfer auf sich zu nehmen, sondern ihre hartnäckige Ignoranz gegenüber physikalischen Gesetzmäßigkeiten.  Wir haben es offenbar mit einer zunehmend breiter werdenden, formal gut ausgebildeten aber dennoch  anrührend bildungsfernen Schicht zu tun, für die Konsumentscheidungen gefühlsmäßige Statements statt informierte Handlungen sind. Eine Bevölkerungsgruppe, die Entscheidungshilfe dringend benötigen würde, doch vom real existierenden Verbraucherschutz schmählich im Stich gelassen wird.

Wie sonst ist es möglich, das Leute wie der No-Impact-Man aus New York, den David Harnasch vom Cicero-Magazin in seiner TV-Kritik so genüsslich aufspießt, aus naivem Glauben an den Segen der ökologischen Entsagung nicht nur seine Familie ein Jahr mit schummrigen Kerzenlicht und mangelnder Hygiene quälen kann, nein, auch in der Lage ist den Mangel jeglicher Einsicht in die Tatsache, dass der technische Fortschritt beredter Ausdruck von steigender Energieeffizienz ist, als Ausdruck edelster Moral  zu vermarkten? Nur weil mittels moderner Technik immer mehr Tätigkeiten und Prozesse mit immer weniger spezifischem Energieaufwand erledigt werden, können wir uns unseren heutigen Wohlstand leisten. Menschen wie Mr. No-Impact, die ihre Wohnung mit Kerzen statt elektrischem Licht beleuchten, Lebensmittel nicht kühlen, ihre Wäsche mühsam mit der Hand waschen und das effizienteste aller modernen Verkehrsmittel, den Fahrstuhl, durch Treppensteigen ersetzen, verbrauchen für für den Genuss von weniger Komfort und Mobilität mehr Energie.  Für das Bisschen, das sie sich leisten, tragen sie ein sinnlos großen ökologischen Rucksack. Medienmacher, die derartigem technischen Analphabetismus mit ihrer Sendezeit noch den Heiligenschein verpassen, sind das Letzte das die Menschheit braucht, wenn sie auch in Zukunft Wohlstand und Nachhaltigkeit unter einen Hut bekommen möchte.

Es gibt unzählige Beispiele für undurchdachten Aktivismus, der heutzutage als bewusstes Konsumverhalten oder verantwortungsvolle Politik deklariert wird. Angefangen von der willkürlichen Trennung zwischen natürlicher und künstlicher Chemie, die etwa in der absurden Unterscheidung zwischen der Stickstoffdüngung mit tierischen Exkrementen und Minaraldüngern bei Biolebensmitteln zu Tage tritt, über den unwissenschaftlichen Feldzug gegen die mit erheblichen ökologischen Potentialen einhergehende grüne Gentechnik, bis hin zur Opposition gegen einzelne Kohlekraftwerke, die ohnehin bereits unter dem Deckel des Emissionshandels liegen, spannt sich das Arsenal moderner Fortschrittsopposition. Die Ursachen für diesen Trend liegen dabei häufig weniger im Fortschrittspessimismus und dem Wunsch nach Bewahrung des Althergebrachten, sondern schlichtweg im mangelnden naturwissenschaftlichen Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse. Da viele dieser Zusammenhänge nicht offensichtlich sind und die Bürger als Konsumenten oder Wähler die Nachteile ihrer ablehnenden Haltung oft nicht direkt am eigenen Leib verspüren, führt eine Kultur der demonstrierten moralischen Überlegenheit sehr schnell zur Stagnation des Fortschritts. Es mag noch relativ harmlos sein, wenn sich Menschen durch gefühlte Vorteile zum undifferenzierten Kauf von Biolebensmitteln und homöopatischen Medikamenten hinreißen lassen, weil sie den Preis der Naivität in diesen Fällen selbst zahlen. Als Wähler jedoch sind die Bürger nicht von den unmittelbaren monetären oder sogar gesundheitlichen Folgen ihrer Bauchentscheidungen betroffen, denn der Schaden symbolischen Gutmenschentums trifft irgendwann zwar alle, doch eine Kausalität zwischen dem Kreuz auf dem Wahlzettel und dem angerichteten Schaden ist für die Wenigsten nachvollziehbar. Kein Wunder, dass die sich in medialer Aufmerksamkeit und sozialer Bewunderung ausdrückende kollektive Belohnung für das gelebte Umweltstatement, sei es auch noch so undurchdacht, ausreicht ökologische Irrationalität am Leben zu erhalten. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der No-Impact-Man mit der Vermarktung demonstrierter Unwissenheit ein reicher Mann werden kann.

Das passende Zitat für dieses eklatante Beispiel kollektiver ökologischer Naivität lieferte kürzlich der Chemiker James Lovelock in einem Interview für die Technology Review, als er auf die Frage nach einem Tipp für junge Umweltschützer antwortete:

“Sie haben das Herz am richtigen Fleck, sehen Sie zu, dass Sie auch Ihren Kopf orientiert kriegen!”

Dieser Beitrag erschien bereits in einer kürzeren Fassung auf "Denken für die Freiheit", dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Die extremen ökologischen Positionen nehme ich nicht so ernst. Warum? Der Westen ist nicht mehr Nabel der Welt. Die Asiaten, Inder etc.. pfeiffen auf solch ein Getue wie es der No-Impact-Man vorschauspielert. Vermutlich werden uns die Asiaten und Inder den technologischen Weg in die Zukunft weisen. Da Europa in den glücklichen Lage ist, weniger und weniger Bevölkerung künftig zu haben, müssen immer weniger versorgt werden - eine komfortable Situation. Dies bedeutet, dass wir technologisch gesehen, jederzeit umsteuern könnten.

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