Erkenntnis Gottes und Gotteserkenntnis

Wer aber die Augen offen hält, für den hält Gott auch den Weg der Erkenntnis bereit.

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Wer das katholische Stundengebet (und sei es wie ich nur in Teilen) mitbetet, der ist heute auch in den Laudes auf das Canticum aus Jesaia 40, 10-17 gestoßen. Und darin findet sich ein Abschnitt, der mich an ein Thema erinnert hat, das ich schon länger auf dem Schirm hatte: Die Frage der Erkenntnis. Nun bin ich kein Theologe und kein Philosoph, und so hoffe ich, dass man mir verzeihen möge, dass dieser Text höchst laienhaft daher kommen wird und doch – so hoffe ich – für den einen oder anderen neue Erkenntnisse (sic!) bringen möge.

In den Versen 13-14 des Jesaiatextes aus den Laudes heißt es jedenfalls:

Wer bestimmt den Geist des Herrn? *

Wer kann sein Berater sein und ihn unterrichten?

Wen fragt er um Rat, *

und wer vermittelt ihm Einsicht?

Wer kann ihn über die Pfade des Rechts belehren? *

Wer lehrt ihn das Wissen und zeigt ihm den Weg der Erkenntnis?

Die Problematik ist vermutlich schnell klar: Gott ist allmächtig, allgütig, allliebend und eben auch allwissend. Was es zu wissen gibt, so könnte man sagen, hat er selbst erschaffen und weiß es darum auch. Für Christen ist das keine Neuigkeit, und doch fällt mir das immer mal wieder als Gedanke vor die Füße: Es gibt nichts, was Gott nicht weiß! Er weiß vom sprichwörtlich in China umfallenden Sack Reis, er weiß um die Nöte und Freuden jedes einzelnen Menschen, mögen sie für die Welt auch noch so unbedeutend sein. Er kennt die Gedanken und Beweggründe unseres Handelns, sieht ob wir es – wie so oft – zwar nicht gut machen aber zumindest gut meinen.

Als solcher Allwissender ist er darum auch der einzige, der Recht sprechen, eben richten kann. Wer einen Krimi mit einer Gerichtsverhandlung sieht oder selbst mal Zeuge einer Verhandlung war, der weiß, dass ein guter Teil des Richterspruchs auch auf Interpretation beruht, beruhen muss. Ein Richter ist eben nicht allwissend (weswegen es, nebenbei bemerkt auch gut ist, wenn ein Richter sein Urteil im Angesicht des Kreuzes fällt und sich seine Beschränktheit immer wieder bewusst macht).

Wie in dem Bibeltext beschrieben, ist also für einen Christen unbestreitbar richtig, dass er Gottes Geist nicht bestimmen kann, nicht Berater Gottes sein oder ihn unterrichten kann. Als Mensch kann ich Gott nicht den Weg der Erkenntnis zeigen.

Etwas anderes aber ist die Frage, ob ich selbst Erkenntnis erlangen kann – und dabei ganz wesentlich Erkenntnis über Gott. Und um gleich in die vollen zu gehen: Erkenntnis über die Existenz Gottes? Auch das erscheint auf den ersten Blick als überflüssige Frage: Wer nicht an die Existenz Gottes glaubt, als Atheist, der wird die Erkenntnis über seine Existenz in den Bereich der Fabeln oder Halluzinationen verweisen. Ein gläubiger Christ hingegen, ist sich der Existenz Gottes sicher – die Existenz Gottes wird zur glaubenden Gewissheit, auch wenn er sie nicht beweisen kann.

Es ist aber eben diese Gewissheit, deren Herkunft ich jedenfalls nicht herleiten kann. Ich erinnere mich, dass ich auf einen anderen Blogbeitrag mal den Kommentar erhalten habe, „glaubende Gewissheit“ sei gar keine Gewissheit sondern eben nur Glauben, von außen betrachtet Spekulation. Und doch bin ich sicher, dass es Gott gibt, ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Gott gibt, und dass es der Gott der Bibel ist, der allwissenden, allmächtige, allgütige …

Wenn kein Mensch Gott den Weg der Erkenntnis zeigen kann, dann ist es aber womöglich Gott, der uns den Weg zur Erkenntnis aufzeigt. Wenn es Gott gibt, und wenn es der Gott der Bibel ist, dann wirkt er in der Welt, die er geschaffen hat, hat uns seinen Sohn zur Vergebung unserer Sünden gesandt und den Heiligen Geist um uns zu führen – uns eben den Weg der Erkenntnis zu zeigen. Gott macht auf sich aufmerksam, und für den Menschen mit offenem Blick auch deutlich genug. Dabei zwingt er mich zu nichts – es gibt kein zwingendes Argument, dass Gott beweist (wie es keines gibt, das ihn widerlegt), und so kann ich bei alldem, was ich in meinem Umfeld wahrnehme, auch an physikalischen Zusammenhängen festhalten, an Genetik, Biologie, Quantenphysik, Chemie – kurz an einer materialistischen Sicht dieser Welt. Die Existenz Gottes liefert aber eine mindestens so plausible Erklärung für die reine Existenz der Welt und den Zustand, in dem sie ist - und zumindest die Annahme, dass es Gott geben könnte, erweitert den Blick aus der Laborperspektive der Naturwissenschaften hinaus.

Wer die Augen vor Gott, seinen Zeichen und seinen Hinweisen auf sich verschließt, der wird ihn nicht sehen. Es ist wie in alten stalinistischen Zeiten in der Sowjetunion, in der unliebsame Zeitgenossen schon auch mal aus Bildern wegretuschiert wurden, weil man ihre Existenz nicht publik machen will. Wer aber die Augen offen hält, für den hält Gott auch den Weg der Erkenntnis bereit – ich weiß, dass es Gott gibt, und je mehr ich meine Beziehung zu ihm, durch Gebet, Betrachtung, geistliche Lektüre, nicht zuletzt durch die Sakramente, vor allem die Eucharistie und die Beichte, vertiefe, umso mehr „Momente der Erkenntnis“ erlange ich, umso klarer wird mein Bild auch von Gott, selbst wenn ich – auch das ist eine Erkenntnis – in diesem irdischen Leben niemals zu einem ganz vollständigen Bild kommen werde (irgendwo habe ich mal dazu gehört: Wenn Du meinst, Gott verstanden zu haben, dann ist er es nicht). Er führt mich aber so nah an ihn heran, wie ich es verarbeiten, es quasi aushalten kann.

Damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin nicht angetreten, um einen Gottesbeweis zu führen. Und wenn Kritiker meine werden, das alles sei unlogisch und ich säße da nur einer aus meiner Kindheit oder meinem mangelnden Intellekt genährten Illusion auf, kann ich nur mit der Frage antworten, woher sie die Gewissheit nehmen, dass das so sei, dass es Gott nicht gäbe. Darauf habe ich auch noch nie eine wirklich erkenntnisreiche, zumindest logische, Antwort gehört.

Es ist also kein Gottesbeweis, den ich führen möchte, es ist nur ein persönliches Zeugnis, wie Gott den Weg mit mir in meinem Leben geht, mich in den Momenten des Zweifels stärkt, mich liebevoll auf seine Fährte führt, damit ich ihn eines Tages sehen kann, wie er ist (vgl. 1. Johannes 3, 2). Er führt mich an den kleinen inneren Erkenntnissen entlang, die mich zum Glauben, zur glaubenden Gewissheit führen, die so was sind wie kleine Meilensteine des Glaubensweges, durch die ich mich gestärkt für den weiteren Weg fühle – und in der Gewissheit weiter gehen kann, dass Gott es gut mit mir meint.

Und um auch nicht in Richtung des Gnostizismus missverstanden zu werden: Diesen Weg, zu dieser Erkenntnis bin ich ebenfalls gekommen, geht Gott mit jedem Menschen. Er wirbt um unser aller Herz, es ist keine Frage des Intellekts, der religiösen Kenntnisse oder sonst welcher Leistungen, die man sich selbst anheften könnte. Es ist Gottes Weg mit uns, mit jedem einzelnen und allen zusammen, der an diesen kleinen und größeren Erkenntnissen (und natürlich den Lebenskonsequenzen, die wir daraus ziehen) entlangführt, die uns zu ihm selbst bringen können – wir müssen nur mitgehen!

Es ist einfach – und das ist eine wesentliche Erkenntnis – ein großartiger Gott, der uns diesen Weg führt!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Gelegentlich können auch Sie für mich eine Quelle der Inspiration sein.

Gravatar: Freigeist

Sie haben mal wieder die Anweisungen für das Kasperle-Theater im Kopf von Gläubigen (Verführten) gelesen.

Gravatar: Thomas Rießler

Gott kann zweifellos auf sich aufmerksam machen und tut dies auch manchen Menschen gegenüber. Er muss es aber nicht, es ist ein Akt der Gnade, den die Menschen nicht verdient haben. Fraglich ist eigentlich nur noch, ob er dennoch allen Menschen zumindest einmal in ihrem Leben eine solche Gnade gewährt und ihnen damit die Errettung ermöglicht. Kalvinisten verneinen dies und gehen von einer Vorherbestimmung des menschlichen Schicksals aus. Demnach ist für manche Menschen das ewige Leben vorgesehen und für andere der Tod. Dabei werden z.B. folgende Bibelstellen als Beleg angeführt:
„Spr 16,4: Für seinen Zweck hat der Herr alles geschaffen, so auch den Gottlosen für den Tag des Unglücks. 1 Petr 2,8: (Von Christus wird gesagt, er sei gegenüber den Gottlosen gemacht) zum Stein des Anstoßes, zum Fels des Ärgernisses. Sie stoßen sich an ihm, wozu sie auch bestimmt sind, weil sie dem Wort nicht gehorchen. 2 Petr 2,12: Sie aber lästern, was sie nicht verstehen, und werden auch in ihrer Verdorbenheit vernichtet werden, wie unvernünftige Tiere von Natur dazu bestimmt sind, eingefangen zu werden und zu verderben. […] Einmal sagt Jesus: »Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen: Die Blinden sollen sehend, die Sehenden blind werden« (Joh 13,39). Ein andermal sagt er: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast« (Mt 11,25). Es fällt der menschlichen Vernunft schwer, zuzugeben, dass gerade jener anbetungswürdige Erlöser und einzige Erretter der Menschen für einige ein Stolperstein und ein Stein des Anstoßes ist, und dennoch erklärt ihn die Schrift genau dazu. Noch vor seiner Inkarnation war er bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel (Lk 2,34). Wenn er in seinem vermittelnden Gebet in Gethsemane gesagt hat: »Für sie bitte ich, nicht für die Welt bitte ich, sondern nur für jene, die du mir gegeben hast«, so wird man sagen müssen, dass die Lehre der vorherbestimmten Verwerfung doch sehr stark fundiert ist.“ (http://www.ccel.org/ccel/boettner/predest_de.xii.vii.html)

Gravatar: Freigeist

"Gott führt" Ha, ha, führt er auch das hungernde Kind in den Hungertod?

Gravatar: Joachim Datko

Rette sich, wer kann! Die religiösen Menschen leben in einer Fantasiewelt!

Zitat: "Wenn es Gott gibt, und wenn es der Gott der Bibel ist, dann wirkt er in der Welt, die er geschaffen hat, hat uns seinen Sohn zur Vergebung unserer Sünden gesandt [...]"

Und wer vergibt dem "Gott der Bibel"?
Gerade die Bibelspezialisten sollten ja die üblen Geschichten, wie die mystische Geschichte von der Zerstörung der Städte Sodom und Gomorrha durch "Gott", kennen. Heute würde man so einen Gott mit Interpol jagen, psychiatrische Gutachten anfertigen lassen und Sicherungsverwahrung anordnen.

Ich bin gerne bereit, ausführlich zum in "heiligen" Büchern stehenden Unfug Stellung zu nehmen. Die Inhalte von "heiligen" Büchern sind oft grotesk.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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