Erdogans Demokratie - Der erste Eindruck trügt

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Auf den ersten Blick kann man die Aufhebung des Kopftuchverbots für manche Frauen im öffentlichen Dienst in der Türkei nur begrüßen. Frauen sollen selbst bestimmen dürfen, ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht. Premier Erdogan verkauft denn auch diesen ersten Eindruck recht geschickt als Befreiung vom laizistischen Regime und Fortschritt hin zu mehr Demokratie. Aber der Eindruck trügt. Erdogan wünscht sich mehr Kopftücher und vielleicht auch einmal die Burka, die Ganzkörper-verhüllung. Denn sein Ziel ist eine Türkei, in der die Scharia herrscht. Die aber ist mit den Grundrechten einer Demokratie nicht vereinbar.

Erdogan wird von Freund und Feind gern der „moderne Sultan“ genannt. Der neue Sultan nimmt es mit Gewaltenteilung und Rechtstaatlichkeit aber nicht so ernst, wie er es in den europäischen Raum ruft. Kein Land der Nato hat so viele Journalisten im Gefängnis, kein Aspirant für einen EU-Eintritt tritt Grundrechte wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit so mit Füßen wie die Regierung des Tayep Erdogan in Ankara. Kein Verhandlungspartner weigert sich so beharrlich, ein anderes Land, das schon Mitglied der EU ist, offiziell anzuerkennen. Kein Regierungschef belügt die EU so unverschämt wie Erdogan, denn er hatte versprochen, die Republik Zypern anzuerkennen, als es darum ging, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara beschließt. In keinem anderen Land wird die eigene Geschichte derart überhöht und der Mord an einem Volk, den Armeniern, so verharmlost.

Erdogans Demokratiepaket enthält banale Selbstverständlichkeiten, wie die Anerkennung kleinerer Minderheitenrechte für die Kurden. Die Meinungs-und Religionsfreiheit aber, Mutter aller Grundrechte, bleibt weitgehend geknebelt. Fragen stellen durfte niemand bei der „Pressekonferenz“. Schon einer der Väter der Demokratie, der große Grieche Aristoteles meinte, „unter den nicht guten Verfassungen ist am erträglichsten die Demokratie“. Und die schlechteste sei die „Entartung des Königtums, die Tyrannis“. Erdogan muss erst noch zeigen, ob er es ernst meint mit der Demokratie. Vorerst steht er der Tyrannis näher.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: El Dorado

Tja, wo Julia Recht hat hat sie recht. Freut mich immer wenn Frauen den Durchblick haben, und nicht auch noch mit pseudotoleranten Gutmenschentum die Selbstkasteiung von angeblich selbstbestimmten Muslimas beschoenigen, verteidigen, rechtfertigen oder sogar propagieren...
Das ist mir einfach zuviel Orwellsprech in der heutigen Zeit.

Gravatar: Julia

Steile These gleich zu Beginn. Der Autor ist offenbar in völliger Unkenntnis, wofür das Kopftuch überhaupt getragen wird. Das Kopftuch soll die Frau von den begehrlichen Blicken des Mannes abhalten, je geradezu ihn von körperlichen Übergriffen abhalten, die die Frau durch ihre sexuelle Reize ausstrahlt. Dahinter steckt eine sexistische Sicht nicht nur gegenüber Frauen, sondern Männern als potentiellen Belästigern und Vergewaltigern.

Was so ein chauvinistisches (Selbsterniedrigungs)symbol in einem staatlichen Amt verloren hat, in dem weltanschauliche Neutralität gelten sollte, ist mir komplett schleierhaft.

Historisch handelt sich beim Kopftuch eigentlich um eine Verlängerung der Haremsmauer auf die Straße. Da die Frau nicht den ganzen Tag 'geschützt' im Haus leben konnte, sondern Besorgungen auf dem Markt tätigen mußte oder Wasser am Brunnen holen sollte, trug sie als Sichtschutz und Abwehrmechanismus in der öffentlichen Sphäre das Kopftuch. Das ist also gelebtes Mittelalter, Herr Liminski, und ihre naive Sicht Toleranz gegenüber Intolerantem.

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