Erbscheinmafia

Fette Beute winkt dir hier, lieber Nachlasspfleger! Hat doch wieder einmal ein kinderloses Dummchen kein notarielles Testament hinterlassen.

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Lasse dir sofort alle Kontovollmachten übertragen. Ist dort etwas zu holen, reiße noch vor der Wohnungsräumung alle möglichen Aktenordner und Notizbüchern an dich. Verrate aber niemandem, dass sie sich in deinem Besitz befinden. Nachweisen kann das meist sowieso keiner. Suche ja nicht im Internet nach Personen, die den gleichen Nachnamen wie der Verstorbene tragen. Du könntest in Minutenschnelle fündig werden, was dir viele Stunden an abrechenbarem Zeitaufwand für Suche nach möglichen Erben raubt.

Danach lässt Du die Wohnung räumen, soweit nicht vorher noch irgendetwas davon besonders schnell nebenbei zu verscherbeln ist. Das Bargeld im Schlafzimmer gehört dir. Leere aber aufgefundene Geldbeutel nicht vollständig, sonst verlierst du an Glaubwürdigkeit. Sei vorsichtig bei Ringen, Schmuck oder Armbanduhren. Dafür gibt es oft Zeugen, die klagende Erben aufspüren könnten.

Informiere mögliche Erben möglichst spät, am besten nach Jahren. Vielleicht ist dann schon einer der Erben verstorben. Dann wird der Fall zu deinen Gunsten weitschweifender. Achte aber auf Stolperfallen wie Geburtstags- oder Weihnachtsgrüße an den Verstorbenen, die an den Adressaten zurückgeschickt wurden. Sollten sich dadurch aufgeschreckte Erben bei dir zu früh für dich melden, lasse dich durch deine Sekretärin von direkten Kontakten mit ihnen abschirmen und auf unbestimmte Zeit vertrösten. Es ist doch in diesem ganz besonderen und außergewöhnlichen Erbfall noch so viel anderes zuvor zu regeln!

Überweise an Behörden, die mit diesem Sterbefall befasst sind, nicht allzu zeitnah anfallende Gebühren. Riskiere ruhig Mahngebühren auf Kosten der Erben. So täuschst du Geschäftigkeit vor und betontst damit, wie viele Fälle dir dank deiner Tüchtigkeit anvertraut sind. Das schafft Vertrauen und Freiräume für Grauzonen. Ausnahme: je schneller du Wohnungsräumer, Friedhofsgärtner, Steinmetze oder Vermieter bezahlst, desto weniger fragen sie danach, ob du überhaupt für alle Aufträge befugt bist. Jammern später die Erben, appelliere an ihre Pietät.

Erfinde möglichst viele zeitraubende Vorgänge, die du als Arbeitszeit, wie mit dem Nachlassgericht vereinbart, abrechnen kannst, verstärkt durch Auslagerung an Dritte, die für dich z.B. Standes- und Grundbuchämter abklappern. Jede Kommune wird dir sehr dankbar dafür sein; denn du sicherst damit die Arbeitsplätze ihrer Angestellten. Obendrein bekommen die Rathäuser über Verwaltungsgebühren für das Erstellen von Urkunden auch ein klein wenig vom Erbkuchen ab. Diesen geringen Verlust können die Erben getrost verschmerzen. Weise deshalb alle Urkunden im Besitz möglicher Erben möglichst lange ab, sonst beschleunigst du unnötig und zu deinem eigenen Nachteil die Abwicklung des Erbfalles.

Erspare dir das lästige Kündigen von Lastschriften und Daueraufträgen des Verstorbenen bei Kleinstbeträgen unterhalb deines eigenen Stundenlohnes. Deine wertvolle Arbeitszeit ist dafür nun wirklich zu kostbar!

Lässt sich den Erben gegenüber die Zeit kaum noch dehnen, weil sie aufdringlich auf die Erstellung eines Erbscheines drücken, biete dich ihnen an als bevollmächtigter Nachlassverwalter für zukünftige Kontenauflösungen, für Grundstücks-, Auto- und Wertsachenverkäufe. Niemand anders als du bist in diesen Erbfall der bestens eingearbeitete Fachmann. Schließlich braucht man deinen genialen, juristisch geschulten Verstand, um ein Bankkonto aufzulösen. Wer außer dir könnte das noch? Wie viele Jahre du für alle noch anfallenden Geschäftsvorgänge brauchen wirst und welcher Zeitaufwand dafür dahinter steckt, bleibt dein gut gehütetes Geheimnis. Es hängt schließlich davon ab, wann du wohlbetucht in deine hochverdiente Rente gehen kannst. Das lässt sich für Außenstehende beim besten Willen nicht abschätzen! Hüte dich daher vor allzu schneller Abwicklung.

Ein möglichst langer Titel auf einem edel gestalteten Briefkopf gebietet Ehrfurcht, schüchtert ein. Zentralwürttembergischer Notariatsassessor z.B. klingt gut. Lasse dir alles an zukünftiger Abwicklung abtreten, möglichst an den wahrhaft kleinlichen Tarifen eines Nachlassgerichtes vorbei. Schließe jegliche Verjährung vertraglich aus. Überzeuge die Erben, wie wichtig es ist, das Nachlassgericht zu entlasten. Schließlich hat die Bearbeitung dieses Sterbefalles ja schon bis jetzt recht lange gedauert, wie jedem halbwegs Vernünftigem sicher sofort einleuchtet!

Verschaffe dir durch Einsprüche Spielraum für vorgegebene Fristen. Jeder soll wissen, wie überlastet du bist. Sorge also für ein gutes Verhältnis zum Nachlassrichter und seiner Sekretärin. Tritt ihr aber nicht zu nahe. Wenn das schief geht, wird sie dir lebenslang dein Berufsleben zur Hölle machen.

Das aber ist mein und nicht ihr Job! Ich mag es gar nicht, wenn mir jemand vor deinem Tod ins Handwerk pfuscht. Solltest du selbst ableben, bist du mir herzlich willkommen! Viele „Fahr-zur-Hölle-Wünsche“ von abgezockten Erben werden dich begleiten, so dass eigentlich nichts schief gehen kann.

Bis bald

dein

Malfatius Diabolus

(Assessor satanicus)

Beitrag erschien auch auf: winfried.schley.over-blog.net

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alfred

Komisch, dass ich beim Lesen sofort an den Malteserorden dachte.....?????

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