Energiewende: Subventionen gegen Innovationen

Tot sei das Thema Energie in Deutschland, so sagte es mir vor einigen Tagen ein erfahrener Wirtschaftsförderer. Er bezog sich auf das Ausbleiben von Innovationen in der Branche. Über den Schuldigen waren wir uns schnell einig: die Energiewende. Um dies zu erläutern, möchte ich etwas weiter ausholen.

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Man sollte sich unsere Vorfahren als glückliche Menschen vorstellen. Denn ohne ein gewisses Maß an Zufriedenheit in jeder Epoche gäbe es uns heute nicht. Selbst in vorindustriellen Zeiten wird den weitaus meisten Zeitgenossen nur wenig gefehlt haben. Sicher, aus unserer Perspektive erscheint das Mittelalter entbehrungsreich. Kein fließendes oder auch nur sauberes Wasser, keine gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln, kein Gesundheitswesen. Selbst die Privilegierten jener Zeit konnten sich mit all ihrem Reichtum weder ein Handy kaufen, noch Gummibärchen. Nur ist es ihnen nicht aufgefallen. Man hatte schlicht keine Kenntnis von dem, was man vermissen könnte. Eine Vorstellung von Autos oder Computern, von Waschmaschinen oder Kühlschränken gab es nicht. Trotzdem wird Fortschritt oft auf Visionäre zurückgeführt, auf Erfinder, in deren Werkstätten vorauseilende Ideen eher zufällig Gestalt annahmen.

Inventoren, Erfinder, produziert die Energiewende genug. Legionen an Schraubern tüfteln in Garagen und Hobbykellern an Energietechnologien, die ihrer Meinung nach revolutionär sein sollen. Angestachelt werden sie durch die aktuelle politische Debatte und deren mediale Verstärkung. Sie denken, das Geld potentieller Investoren oder auch staatliche Fördermittel würde nur auf sie warten. Und manch ein Politiker hängt wirklich dem Glauben an, dies wäre der Königsweg zum marktfähigen Produkt, zur Innovation. Dabei ist das Gegenteil der Fall, Erfinder schaden mehr, als sie nutzen. Sie schaden dem Thema, weil sie zu viel Aufmerksamkeit auf Spinnereien lenken und dadurch die Identifizierung und Erprobung wirklich vielversprechender Konzepte erschweren. Da landen dann Skizzen überaus komplexer Apparaturen zur Überlistung des Energieerhaltungssatzes  oder auch umfangreiche Ausarbeitungen abstruser Thesen über „freie Energie“ auf den Schreibtischen  bedauernswerter Mitarbeiter in Ministerien und sonstigen Verwaltungseinrichtungen. Deren Zeitaufwand zur Abwehr der vielen selbsternannten Weltretter auch zu den Kosten der Wende zu zählen ist.

Das Problem mit den Erfindern ist ihre subjektive Perspektive. Man stelle sich einen Landwirt des Mittelalters vor, der darüber nachdenkt, mit welchen Hilfsmitteln er seine Arbeit effizienter und effektiver gestalten könnte. Er mag tatsächlich eine wirklich nützliche Idee haben. Angenommen, er führt seine Erfindung auf dem Acker der staunenden Dorfgemeinschaft vor. Dann, so die oft gehörte Vorstellung, berichten diese anderen davon. So würden sich ausgehend von einem kleinen Weiler irgendwo im Nirgendwo eine neue Fruchtfolge, ein neues Zuggeschirr oder auch ein neuer Pflug durch Nachahmer in der Welt verbreiten. Blödsinn. Die, die es weitererzählen sollen, haben schließlich keinen Vorteil davon. Und wenn sie berichten, dann sicher nicht sehr genau. Das “Nachahmen” ist daher beliebig kompliziert und möglicherweise für einen anderen Bauern in einer anderen Region mit anderen Produkten noch nicht einmal sinnvoll. Erfinder arbeiten nur für sich selbst. Sie realisieren und optimieren ihre Idee bezogen auf ihre individuelle Situation. Die Invention führt nicht zur Innovation. Weil sie kein Handelsgut ist.

Der Handel als gleichzeitiger Austausch unterschiedlicher Dinge zum gegenseitigen Vorteil ist dem Menschen eigen. Es mag Löwen geben, die sehr geschickt im Erlegen von Antilopen sind, denen aber Zebras einfach mehr munden. Es mag Löwen geben, bei denen sich dies genau entgegengesetzt verhält. Ein Treffen zweier solcher Löwen in der Savanne, die ihre jeweiligen Jagdbeuten miteinander austauschen, Antilope einer- und Zebra andererseits, ist aber noch nie beobachtet worden. Für menschliche Jäger hingegen wäre dies selbstverständlich. Der Handel schafft die Möglichkeit zur Arbeitsteilung, durch die spezifische Talente einzelner Individuen der gesamten Gruppe zur Verfügung stehen. Um ein Beispiel aus Matt Ridleys „Rational Optimist“ aufzugreifen, denke man sich einen fähigen Jäger, der in einer Stunde genug Wild für sich und seine Familie erlegt. Als Handwerker mag er eine Niete sein, und zwei Stunden benötigen, sich einen passenden Speer herzustellen. Sein Nachbar hingegen kann in nur einer Stunde Speere bauen wie kein zweiter. Dessen geringes Jagdgeschick aber einen Aufwand von zwei Stunden für die tägliche Fleischration bedingt. Offensichtlich sind beide Protagonisten autark und gleichwertig. Jeder kann sich in drei Stunden selbst versorgen. Wenn nun aber der Speerbauer nicht mehr selbst auf die Jagd geht, sondern eine Waffe für den ihn mitversorgenden Jäger konstruiert, verbessert sich die Situation deutlich. Dem Handwerker genügt eine Stunde (für den einzutauschenden Speer), dem Jäger deren zwei (Fleisch für sich und den Handwerker).

Zu handeln ist also attraktiv. Dabei können nicht nur Waren physischer Natur, sondern auch Gedanken, Ideen und Konzepte bis hin zur eigenen Arbeitskraft gehandelt werden. Die Erfindung eines universellen Tauschmaßstabes (Geld) ermöglicht außerdem sehr komplexe Prozesse. Die Handelspartner müssen sich nicht einmal mehr persönlich begegnen. Sie können über beliebig viele Zwischenstufen, organisiert durch andere Spezialisten (die eigentlichen „Händler“), miteinander in Beziehung treten. Denken Sie allein an die vielen Menschen vom Minenarbeiter bis zum Programmierer, deren Mitwirkung der Computer zu verdanken ist, auf dem Sie gerade diesen Text lesen. Auch wir beide, Autor und Leser, handeln gerade miteinander. Ich habe Zeit für den Artikel aufgewendet, die Sie mir wiederum mit Ihrer Zeit, Ihrer Aufmerksamkeit, vergüten. „Geld“ ist hier schon nur noch sehr indirekt im Spiel. Damit das Ganze funktioniert, sollte ich die Wörter nicht nur sinnergebend aneinanderreihen, sondern auch noch in einer für Sie interessanten Weise.

Der steinzeitliche Handwerker baut den Speer ja auch nicht für sich selbst. Sondern für den Jäger. Um erfolgreich mit diesem ins Geschäft zu kommen, hat er sein Produkt auf die Bedarfe seines Kunden auszurichten. Der Jäger wiederum sollte tunlichst Fleisch zum Tausch anbieten, was dem Handwerker zusagt. Der Erfinder denkt nur an sich selbst, der Entwickler richtet sich ausschließlich nach den Wünschen seiner (potentiellen) Kunden. Nur Letzteres führt zu Produkten, die als Handelswaren Verbreitung finden können. Airbus und Boeing betreiben keine Fluglinien, Apple und Samsung sind keine Telefongesellschaften.

Die Vorteile des Handels lassen sich wiederum durch Innovationen potenzieren. Der Jäger möchte natürlich einen Speer, den er bei höherer Durchschlagskraft weiter und genauer werfen kann. Was die Jagd nicht nur einfacher macht, sondern auch das Spektrum der potentiell erreichbaren Beute erhöht. Woraufhin der Handwerker die Konstruktion verbessert. Ab einem gewissen Punkt ist der Speer ausentwickelt. Mehr gibt die Physik dann einfach nicht mehr her. Es sei denn, man ändert das technische Prinzip. Die Wirkung eines Hebels ist dem Handwerker wahrscheinlich bekannt. Das Prinzip der Schleuder vielleicht auch. Die beiden Ansätze in der Speerschleuder zu einem neuen System zu verknüpfen, ist innovativ. Auf diesem Weg entstehen dann irgendwann auch Pfeil und Bogen und schließlich das Gewehr.

Die Bedarfe der Menschen haben sich abstrakt betrachtet seit der Steinzeit nicht geändert. Neben der Grundversorgung (Nahrung, Kleidung, Wohnraum) sind Stichworte wie Mobilität, Kommunikation, Gesundheit und Unterhaltung zu nennen. Der Charakter von Innovationen besteht darin, den Menschen immer bessere Wege zu eröffnen, sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Der Innovator erfindet dazu nichts Neues, er kombiniert das Vorhandene auf neuartige Weise. Er benötigt dazu kein ein tieferes wissenschaftliches Verständnis der Funktionsweise technischer Systeme. Ein solches kann im Ernstfall sogar hinderlich sein, denn Innovation gründet auf der Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Es ist eben nicht wichtig, wer nun das Telefon erfunden hat und wer die Glühbirne. Einen Effekt hat erzielt, wer durch die Verbindung zwischen Einsatzzweck und Kundenbedürfnis ein marktfähiges Produkt formen konnte.

Der Handel ist der einzig wirksame Kanal, auf dem Innovationen verbreitet werden können. Innovationen wiederum sind die Waren, durch die der Handel besonders wirksam wird. Innovation und Handel bedingen einander. Einmal begonnen, ist dieser rückgekoppelte Prozeß nicht mehr zu stoppen.

Erfinder bei der Erlangung von Patenten zu unterstützen oder auch Geld in die wissenschaftliche Forschung zu stecken werden als Wege zur Innovation oft genannt, obwohl sie nicht funktionieren. Wer Innovation wirklich fördern will, kann es sich einfach machen. Er sorge für einen möglichst freien Handel, frei von Regulierungen, von Grenzen, von Zöllen oder sonstigen Auflagen.

Leider leben wir in einer Zeit, in der das genaue Gegenteil stattfindet. In der sich manche Politiker und auch große Teile der Bevölkerung fragen, wie man denn Innovationen lenken kann. Hinter dem Euphemismus von der zu gestaltenden Zukunft steckt eigentlich der Wunsch, bestimmte Innovationen auszuschließen, sie möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Hierzu wird eine Vielzahl von Instrumenten eingesetzt, mit unterschiedlichen Erfolgen.

Produktverbote beispielsweise (man denke an Glühbirnen und Staubsauger) funktionieren nicht. Zu Bedarfsbefriedigung finden die Menschen immer einen Weg. Sie nehmen dazu auch Mehrkosten in Kauf oder gar höhere Risiken. Die langfristig erfolgreichsten Wachstumsbranchen der Menschheitsgeschichte wie Waffen, Drogen, Prostitution und Pornographie belegen das. Was man nicht offiziell handeln darf, stärkt eben schwarze Märkte und den Schmuggel. Auch dadurch entsteht Wertschöpfung – und gar nicht mal wenig. Je höher die Risiken für Hersteller und Händler, desto höher sind auch die Gewinnspannen. Eine restriktive Drogenpolitik führt auf diese Weise nur zu immer neuen Designerdrogen, die auf immer mehr Wegen verbreitet werden.

Denkverbote kann man auch nicht durchsetzen. Was einmal in der Welt ist, beispielsweise die Kerntechnik oder auch die Gentechnologie, wird nie wieder aus ihr verschwinden.

Nein, die perfideste und wirkungsvollste Waffe gegen die Innovation ist die Subvention. Perfide deswegen, weil sie mitunter ganz anders gemeint ist.

Viele Politiker glauben wirklich, sie würden durch die Subventionierung der erzeugten Elektrizität ein Feuerwerk an Innovationen bei den NIEs auslösen. Wodurch diese viel schneller marktfähig würden, als ohne eine solche Unterstützung. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die nicht subventionierten Technologien werden von Markt verdrängt und die subventionierten entwickeln sich nicht weiter.

Nehmen wir einmal an, der Häuptling mag keine Speerschleudern. Er nimmt also von den Jägern Gebühren für jedes erlegte Wild und setzt diese dafür ein, Speere künstlich zu verbilligen. So weit, daß es sich für die Jäger lohnt, beim Speer zu bleiben, statt sich eine Speerschleuder anzuschaffen. Würde unser Handwerker dann Zeit und Ressourcen aufwenden, um die Speerschleuder überhaupt zu entwickeln? Sicher nicht. Der gesamte Innovationsprozeß bei Jagdwaffen käme zum Erliegen. Der Stamm würde nie den Speer durch etwas Besseres ersetzen können. Noch nicht einmal durch einen besseren Speer.

Vor der Innovation steht die Investition in Zeit und Ressourcen. Ein Risiko, das der Innovator nur eingeht, wenn er sich des späteren Markterfolges auch sicher sein kann. Durch das EEG, durch die Energiewende werden Investitionen in neue Technologien wirksam verhindert. Unternehmen, die Energietechnologien entwickeln oder solche einsetzen, um Strom zu produzieren, scheuen den Wettbewerb mit subventionierten Produkten, wenn sie ihre Investitionen nicht sicher wieder einspielen können. Stattdessen versuchen sie, durch das Erringen von Marktanteilen mit etablierten Technologien möglichst umfangreich von den Subventionen zu profitieren. Die Subventionen für die NIEs treffen also nicht nur die konventionellen Energieträger, sondern auch die NIEs selbst. Was nicht durch das EEG bedacht wird, wird nicht mehr betrachtet. Und was vom EEG profitiert, wird nicht weiterentwickelt, weil sein gegenwärtiger Status auf Dauer zur Gewinnerzielung ausreicht.

Vor dieser Situation stehen wir jetzt. Wir haben Häuptlinge gewählt, die uns nur die Speere erlauben, die wir schon besitzen. Das meinte der anfangs zitierte Wirtschaftsförderer mit dem Tod des Themas Energie. Innovationen finden nicht mehr statt. Die Unternehmen planen höchstens noch inkrementelle Verbesserungen des Bestehenden. Viel wirksamer kann man eine Branche nicht zugrunde richten. Selbst wer die NIEs auf diese Weise protegieren möchte, wird in einigen Jahren auch diese im Ausland kaufen müssen. Bei den anderen Stämmen, deren Häuptlinge Speerbauer und Jäger einfach mal machen lassen.

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Udo Stemmer

Energiewende: Subventionen gegen Innovationen ?

Ich als Bürger brauch keine Subventionen und auch keine Innovationen.

Das kWh kostet aus meiner ca. 21 Jahre alte PV-Anlage nur 1 bis 2 Cent, was kann man da noch verbessern mit Innovationen ?

Subventionen brauche ich auch keine was soll man den noch subventionieren wenn das kWh ohnehin fast kostenlos an der eigenen Steckdose ist.

MfG

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