Einwanderung von Fachkräften: Großbritannien und Deutschland

Die Anwerbung qualifizierter Fachkräfte steht verstärkt im Fokus der Zuwanderungspolitik. Der demographische Umbruch, die damit verbundene Pensionierungswelle und die zu geringe Zahl von Absolventen technischer und naturwissenschaftlicher Fächer, lassen die Anwerbung ausländischer Fachkräfte als einfache und schnelle Lösung erscheinen.

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 Ist Deutschland für die international umworbene Gruppe der Hochqualifizierten aber überhaupt attraktiv? Was sind die anziehenden und was sind die abstoßenden Eigenschaften des Standortes Deutschland und kann Deutschland für hochqualifizierte Einwanderer attraktiver gestaltet werden?

Diesen Fragen ist die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Ortner in ihrer 2009 publizierten Studie „War for Talents“ nachgegangen. In dieser Studie vergleicht sie die Bundesrepublik und Großbritannien unter der Fragestellung, welche Faktoren sie in dem Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte begünstigen und welche schwächen. Das  Ergebnis der Studie ist nicht überraschend. Großbritannien liegt in fast allen Bereichen beim Kampf um die besten Köpfe vorn.  Ein wichtiger Grund dafür ist die hohe Steuern- und Abgabenlast in der Bundesrepublik. Das Vereinigte Königreich kann kaum mit höheren Bruttolöhnen aufwarten, dafür aber mit weit höheren Nettoverdiensten locken. Bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von knapp 70.000 Euro bleibt in Großbritannien ein höherer Nettoverdienst von 10.000 Euro.

Aber das Vereinigte Königreich hat auch Vorteile, die selbst durch eine gute Wirtschaftspolitik nicht ausgeglichen werden können. Dazu gehört offensichtlich, dass die englische Sprache von den meisten Hochqualifizierten gesprochen wird, wohingegen das Deutsche erst gelernt werden muss. Großbritannien verfügt als Erbe des Empires außerdem über Netzwerke in viele Staaten der Erde, über die die Einwanderung von Hochqualifizierten erfolgt. Besondere Attraktivität besitzt außerdem London als Weltmetropole, mit der es als Finanz- und Dienstleistungsmetropole kaum eine Stadt in Deutschland aufnehmen kann. Auch das nationale Image trägt dazu bei, dass Großbritannien von Hochqualifizierten als Lebensmittelpunkt vorgezogen wird. Während deutsche Produkte und Arbeitnehmer international ein hervorragendes Image genießen, wird Deutschland selbst eher als große Fabrik gesehen und nicht unbedingt mit hoher Lebensqualität in Verbindung gebracht.

Die Autorin stellt fest, dass ein branchenübergreifender Fachkräftemangel in der Bundesrepublik pauschal nicht feststellbar ist,  dass aber Deutschland aufgrund der geringeren Geburtenzahlen längerfristig stärker auf die Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte angewiesen sein wird als Großbritannien. Deutschland spricht diese Zielgruppe aber nur mit geringem Erfolg an. Im Jahr 2005 erhielten weniger als 900 Zuwanderer dieser Kategorie eine Niederlassungserlaubnis. Die Autorin schlägt deshalb die Einführung eines Punktesystems zur Bewertung von Einwanderung vor, um den Zuzug für Fachkräfte  zu erleichtern und Forschungsnetzwerke noch weiter auszubauen. Darüber hinaus hält die Autorin es für sehr schwierig die Attraktivität der Bundesrepublik als Zielort für Hochqualifizierte zu verbessern. Um mit anderen Staaten gleichzuziehen, müsste Deutschland seine Steuern- und Abgaben erheblich senken und deshalb auch seine Sozialleistungen kürzen. Allerdings blieben selbst dann noch die kulturellen Hürden bestehen, wie Sprache und Lebensqualität, die noch schwerer zu verändern sind.

Fazit: Von der Einwanderung von Hochqualifizierten kann kaum eine ausreichende Lösung für den sich abzeichnenden Fachkräftemangel erwartet werden.

Literatur:

Magdalena Ortner: War for Talents. Fachkräftemangel und die Attraktvität Deutschlands und Großbritanniens im Wettbewerb um hochqualifizierte Zuwanderer, Saarbrücken 2009

Erstveröffentlichung auf Denken für die Freiheit

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Erwin Müller

Zum Studieren kommen doch genügend aus Entwicklungsländern nach Deutschland. Danach kommt aber das Problem, dass sie nicht bleiben dürfen, wenn sie nicht einen Job mit völlig phantastischen Einstiegsgehältern finden. Erst bezahlt Deutschland also den Ausländern ein gutes Studium, dann wirft es sie hinaus!

P.S. Talent ist, wer einen Master-Abschluss schafft. Das ist - gerade nach Bologna - alles andere als einfach.

Gravatar: Gladstone

Freigeist: Wie wollen Sie denn herausfinden, wer ein "Talent" ist? D

Gravatar: Freigeist

Hallo,
man biete den Talenten aus den Entwicklungsländern einen Studienplatz in Deutschland, so einfach ist das. Die wenigsten Talente in den Entwicklungsländern können sich einen Studium leisten. Das ist die Lücke für uns.
Fokus - Naturwissenschaften.
Grüße
Freigeist

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