„Eine wilde, gefährliche und unvernünftige Sache“

„Eine Biographie über Armin Mohler, genauer: eine politische Biographie, bedarf keiner Rechtfertigung.“ Der erste Satz in Karlheinz Weißmanns Buch über den „Eckermann“ Ernst Jüngers oder „Schüler“ Carl Schmitts klingt selbstbewußt.

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Doch stimmt er auch? Denn es kann ja kaum bestritten werden, daß Mohler – der am 4. Juli 2003 verstarb – heute nur noch von Eingeweihten gelesen wird.

Allerdings hat Mohler bis in die 80er Jahre hinein aktiv an politischen Debatten in Deutschland teilgenommen, bevor er – sicher auch infolge einer persönlichen Radikalisierung – von diesen weitgehend ausgeschlossen wurde. Er war bekannt und anerkannt als Autor des Standardwerks über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“. Als Geschäftsführer der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung konnte er in den Jahren 1964 bis 1985 eine beträchtliche öffentliche Wirkung entfalten, auch wenn ihm eine akademische Karriere – heute würde man sagen, aus Gründen der „politischen Korrektheit“ und als Folge wissenschaftspolitischer Intrigen – verwehrt blieb. Zudem wurde Mohler als Buchautor geschätzt, und seine zahlreichen Artikel konnten in namhaften Publikationen erscheinen. Als produktiver und anregender Rezensent und Essayist war er für ein konservatives Lesepublikum sicher der bedeutendste Autor in Caspar von Schrenck-Notzings Periodikum Criticón.

Mohler wurde am 12. April 1920 in Basel geboren. Der Vater war evangelisch-reformiert, die Mutter katholisch. Die religiöse Prägung Mohlers, der später in der „Tendenzwende für Fortgeschrittene“ kritisieren sollte, daß viele ihrer Träger „so wenig mehr an die Kraft ihrer Kirchen“ glaubten, daß sie sie sozusagen in soziale Lobbys umfunktionierten“, war schwach. Die Mohler-Kinder wurden nach dem Bekenntnis des Vaters erzogen, aber das Christentum blieb rein äußerlich und wurde höchstens in der calvinistisch geprägten Atmosphäre Basels erfahren. Dafür faszinierten den jungen intellektuellen Schweizer andere Ideengebäude, die für seinen illegalen Grenzübertritt nach Deutschland im Jahr 1942 verantwortlich waren: Mohler fühlte sich mit Deutschland schicksalhaft verbunden und bewunderte Ernst Jüngers Essay „Der Arbeiter“.

Unvereinbarkeit von Christentum und Konservativer Revolution  

In seinem Werk „Der Nasenring“ schrieb Mohler: „In einer solchen Lage kann man sich nur für etwas ganz Konkretes entscheiden. Ich entschied mich für etwas, womit mich mehr als nur die gemeinsame Sprache verband: nicht für das ‘gute Deutschland’, sondern für die ungeteilte Deutsche Nation, für das um seine bare Existenz kämpfende Deutsche Reich – und das war nun einmal nicht das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, sondern das Dritte Reich.“ Ende 1942 sollte dieses wenig heldenhafte Intermezzo mit der Rückkehr in die Schweiz beendet sein.

1945 wurde der Bücher- und Augenmensch Mohler, dem jegliches Gespür für Musik abging, bei Hermann Schmalenbach und Karl Jaspers über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Grundriß einer Weltanschauung“ (Buchausgabe 1950) promoviert. Mohler ging von der Annahme der Unvereinbarkeit von Christentum und „Konservativer Revolution“ aus. „Die Inkommensurabilität“, so Weißmann in seiner Mohler-Biographie, „zeige ihre endgültige Wirkung in der Art und Weise, wie der ‘konservativ-revolutionäre Mensch’ dem Dasein entgegentrete: da er weder an das Gute im Menschen glaube wie der Liberale, noch an das Böse wie der Christ, sondern den Menschen eingespannt sehe zwischen beidem, gezwungen, allen Herausforderungen zu begegnen, ohne die Erwartung eines irdischen Idealzustandes wie der Liberale und ohne die Hoffnung auf Erlösung wie der Christ, in dem Bewußtsein des letztlich notwendigen Scheiterns. Eine Haltung, die Mohler wiederum in Anlehnung an Nietzsches ‘amor fati’ und unter Aufnahme des Begriffes ‘heroischer Realismus’ gedeutet hat.“

Mohlers Sympathie für seinen Gegenstand, also die konservativen Revolutionäre, war unverkennbar. Mit seinem Buch wollte er – für eine Doktorarbeit ungewöhnlich – Hilfestellung für die rechte Intelligenz in Deutschland leisten. Sein Doktorvater Karl Jaspers fand für die Promotionsschrift seines Schweizers Schülers denn auch recht distanzierte Worte: „Eigentlich dürfte ich Ihre Dissertation nicht annehmen. Aber es kommt ja gar nicht mehr auf Deutschland an, es kommt nur noch auf Amerika und Rußland an. Folglich kann Ihr Buch nur beschränkten Unfug anrichten. Folglich kann ich mir leisten, es anzunehmen.“

Idol und Lehrer: Jünger und Schmitt

Am 14. Juli 1950 zog Mohler ins Staffenbergische Schloß in Wilflingen ein und diente Ernst Jünger bis 1953 als Sekretär. In diese Zeit fiel ein reger intellektueller Austausch u. a. mit Friedrich Georg Jünger, Gerhard Nebel, Carl Schmitt und Ernst Klett.

„Jünger und Schmitt hatten nach Mohlers Meinung den größten Einfluß auf sein Denken, mit beiden war er enge Verbindungen eingegangen, die von Schwankungen, Mißverständnissen und intellektuellen Eitelkeiten nicht frei waren, zuletzt aber Bestand hatten. Den Unterschied zwischen ihnen hat Mohler auf die Begriffe ‘Idol’ und ‘Lehrer’ gebracht: Schmitt war der ‘Lehrer’, Jünger das ‘Idol“, resümiert Weißmann.

1953 ging Mohler als politischer Auslandsberichterstatter der Zürcher Tat nach Paris, von 1955 bis 1960 war er in gleicher Funktion auch für Die Zeit tätig, außerdem für Christ und Welt (1960–61). Von 1959 an schrieb er auch für Die Welt, zu der Hans Zehrer ihn geholt hatte. Im Jahr 1964 gestattete er sich unter dem Pseudonym „Michael Hintermwald“ auch journalistische Ausflüge in die Deutsche Nationalzeitung und Soldatenzeitung, eine nicht nachvollziehbare publizistische Fehlleistung.

ZwÜs

Mohler veröffentlichte von 1970 bis 1997 vor allem in der Zeitschrift Criticón. Was die Zeitungen anbelangt, konnte er – mit wenigen Ausnahmen – ab 1967 nur noch im Bayernkurier, gelegentlich in der Welt sowie später in dieser Zeitung schreiben.

Bevor Mohler politisch weitestgehend kaltgestellt wurde, war er als eine Art politischer Berater von Franz Josef Strauß tätig. In der Zeit von Strauß als Finanzminister in der Großen Koalition (1966–1969) gab es regelmäßige persönliche Kontakte zwischen den beiden. Mohler verfaßte auch Reden für den bayerischen Politiker.

Mohler wollte aus der CSU eine Rechtspartei machen. Das Wort konservativ war ihm zu verwaschen. Dabei sollte sie dann auch gleich ihr Tafelsilber verscherbeln, nämlich das seiner Sicht „überholte C“ aufgeben und sich von vermeintlichen klerikalen Bindungen lösen. Als Name für eine solche rechte Parteigründung aus der etablierten C-Partei heraus schwebte ihm der Name „Nationale Volkspartei“ vor.

Er schrieb und schrieb

In den letzten 20, 30 Jahren seines Lebens hat sich Mohler von der Parteipolitik verabschiedet. Er widmete sich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Siemens-Stiftung und organisierte vielbeachtete Vortragsreihen – ohne Scheu vor politisch Andersdenkenden, insofern sie nur interessant waren. Als Herausgeber von über zehn Bänden zu gesellschaftlichen und zeitpolischen Themen war er überaus produktiv. Neben politischen Themen verfaßte Mohler auch eine große Zahl an Artikeln über Kunst und Literatur und schrieb zahlreiche Buchrezensionen und Portraits, vor allem für Criticón.

Für Mohler stellte „der echte Konservatismus eine wilde, gefährliche und unvernünftige Sache“ dar. Die Vergangenheit wollte der Autor von Büchern wie „Was die Deutschen fürchten“ und „Von rechts gesehen“ nie künstlich wieder aufleben lassen. Er hing keinen antiquierten Formen des Konservatismus nach, die mit der Realität des Lebens nichts mehr gemein hatten. Zur Heldenverehrung taugt Mohler nicht, wohl aber zum Nachlesen.

Literaturhinweis:

Karlheinz Weißmann: „Armin Mohler. Eine politische Biographie“, Edition Antaios, Schnellroda 2011, geb., 320 Seiten, 22 Euro.

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