Eine neue Heimat für die Liberalen

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Mit der Entscheidung der Mitglieder der FDP für den permanenten „Rettungsschirm“ (ESM) hat die letzte im Bundestag vertretene liberale Kraft ihren Geist aufgegeben. Wo die Liberalen eine neue Heimat finden können.

Um auf ihren Abgeordnetenstühlen, Staatssekretärenposten und Ministersesseln sitzen bleiben zu können, hat sich die FDP-Spitze gleich dreifach an ihren Prinzipien versündigt:

1.     Als liberale Partei schrieb sich die FDP bisher die Selbstverantwortung auf die Fahnen. Jetzt begleitet Philipp Rösler Frau Merkel weiter in Richtung falsch verstandener Solidarität: durch die Vergemeinschaftung der Schulden, für die am Ende des Weges niemand mehr verantwortlich ist.

2.     In Deutschland war die FDP immer die Partei des Wettbewerbs. Mit dem Marsch in die “Fiskalunion“ setzt sie nun auf das genaue Gegenteil: auf Harmonisierung. Dass der Wettbewerb zwischen kleineren Einheiten immer zu einem stärkeren Ganzen führt, war nicht nur das Credo Otto Graf Lambsdorffs, auf den sich Philipp Rösler jetzt fälschlicherweise beruft, es war einmal die DNA der FDP.

3.    Bisher machte sich die FDP für das Prinzip der Subsidiarität, der Wahrnehmung von Verantwortung möglichst weit „unten“, stark. Jetzt ist, als Nebenprodukt diverser Euro-Rettungsschirme, auch für die FDP ein bürokratischer Zentralstaat das Ziel.

Da sich die CDU immer mehr sozialdemokratisiert und die SPD dadurch nach links gedrängt hat, die Grünen inzwischen die SPD links überholt haben und sich die Piraten auch schon links verortet haben („Mindestlohn“, „Rente ab Geburt“); ist der Niedergang der FDP als glaubwürdige Anwältin liberaler Ideale in der Europapolitik doppelt tragisch. Nun mag man einwenden, dass die politische Klasse nichts anderes als den tatsächlichen Zustand unserer Gesellschaft reflektiert. Das ist ein Trugschluss.

Zum einen, weil die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger diese Euro-Politik nicht unterstützt. Damit wird die Euro-Politik immer mehr zu einem exklusiven parteiübergreifenden Projekt der politischen Klasse.

Zum anderen ist die immer größer werdende Kluft zwischen Bürger und Politiker auch das Resultat des Versagens unserer sogenannten Elite. Die Wirtschaftsredaktionen konvergieren zwar alle in ihren Diagnosen und immer öfter auch in ihren Prognosen für den Euro-Patienten, eine alternative Therapie zu diskutieren, geschweige denn zu verschreiben, bleibt in diesem Land aber weiterhin politisch inkorrekt.

Das gleiche erlebe ich täglich in Gesprächen mit vielen meiner Ex-Kollegen: Unter vier Augen sagen sie fast ausnahmslos das Gegenteil von dem, was in Großanzeigen über die segensreichen Wirkungen des Euro gedruckt oder auf BDI-Jahrestagungen erzählt wurde. Politische Korrektness ist ganz offensichtlich der Wunsch, im Schwarm der Mehrheit mitzuschwimmen, und sei es unter Ausschaltung des eigenen Verstandes.

Was kann man als engagierter Bürger in diesem Land tun, wenn man diesen Weg für verhängnisvoll hält, die gesamte politische Klasse ihn aber unbeirrbar weiter beschreitet?

 

Das größte Potenzial liegt in der größten Partei Deutschlands

Man kann eine neue Partei gründen. Einerseits hängt eine neue liberale Partei, die Europa-freundlich aber Euro-kritisch ist, wie eine reife Frucht am Ast. Man muss nur gegen den Stamm treten, dann fällt sie herunter. Andererseits ist der bürokratische Akt nicht nur sehr aufwändig, man kann kaum sicherstellen, nur solche Mitstreiter zu bekommen, die die gleichen liberalen Werte und Ziele teilen.

Die effizientere Alternative ist zu versuchen, eine der etablierten Parteien zu beeinflussen. Frank Schäffler hat das in einer sehr mutigen und anerkennenswerten Art und Weise innerhalb seiner FDP versucht. Ergebnis bekannt.

Auf der Suche nach einer neuen Heimat für die Liberalen, sollte man sich deshalb mal mit den „Freien Wählern“ beschäftigen. Dabei gilt es zwei Hürden zu überwinden:

1.     Da ist zum einen der erkennbare Widerspruch, in den die Partei der Freien Wähler dadurch gerät, dass sie einstmals als eine „parteilose Wählergemeinschaft“ angetreten ist. Dagegen kann man einwenden, dass nur eine Partei dafür sorgen kann, dass die Macht der Parteien zugunsten der Macht der Bürgerinnen und Bürger beschnitten wird.

2.     Die kommunale Basis und die Erfahrung mit den Bürgern vor Ort sind zwar die unschlagbaren Stärken der „Freien Wähler“, aber es tun sich auch Widersprüche auf. Hier ist man gegen den Ausbau eines Flughafens, dort für eine bessere Infrastruktur, einige sind für mehr Subventionen für die Landwirtschaft, andere für niedrigere Steuern. Die Lösung dieses Dilemmas kann nur in der Trennung von liberalen bundespolitischen Positionen einerseits und landes- beziehungsweise kommunalpolitischen Themen andererseits liegen. Neu ist das allerdings für die bestehenden Parteien auch nicht.

Das Potenzial für eine neue liberale Kraft, wie die der „Freien Wähler“, liegt „auf der Straße“:

1.     Nach dem Mitgliederentscheid suchen viele FDP-Mitgliederbei eine neue liberale Heimat.

2.     In der CDU/CSU formiert sich Widerstand gegen die Beliebigkeit und die Sozialdemokratisierung der Parteiführung.

3.     Irgendwann werden auch die Stammwähler der SPD nicht mehr mit Begeisterung akzeptieren, dass ihre eigene materielle Zukunft durch eine Euro-Politik auf Pump bedroht wird.

4.     Die Unzufriedenheit mit der Einheitseuropolitik ist im nicht parteipolitisch engagierten Teil der Bevölkerung besonders groß.

Das größte Potenzial liegt in der größten Partei Deutschlands, der Partei der frustrierten, enttäuschten, politik- und parteiverdrossenen Nichtwähler. Wären die „Freien Wähler“ in der Lage, diese wieder in den politischen Entscheidungsprozess einzugliedern, würden sie nicht nur der liberalen Idee sondern unserer Demokratie insgesamt einen großen Dienst erweisen.

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Ermecke

Wenn ich es in den letzten Jahren richtig verfolgt habe (man mag mich korrigieren), waren die "Freien Wähler" in Bayern gegen jedes größere Infrastrukturprojekt, vom Transrapid über den Münchner Autobahn-Südring bis zum Ausbau des Münchner Flughafens. Kernenergie? Nein danke, dafür Windmühlen als "Jobmotor der Zukunft". Und -ja natürlich - "Klimaschutz"!

Die "Freien Wähler" sind eine weitere opportunistische grüne Partei. Prof. Henkel war schlecht beraten, sich dieser Gruppierung zu anzuschließen - sie vertritt auf keinen Fall die Ideale, die ich bisher dem ex-BDI-Chef zugeschrieben hatte.

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Gravatar: Erich Hein

Was in den Programmen steht, ist insoweit irrelevant, weil wir auf den Staatsbankrott zu maschieren. Geld gibt es also ohnehin nicht mehr. Da kann im Programm stehen, was will.

Gravatar: Klimax

@Hein: "Sozialismus steht in allen Programmen. Das ist egal."

Mir nicht.

Gravatar: punctum

Ein deutliches Bekenntnis zu einem türkei-freien Europa wäre der sichere Durchmarsch in den Bundestag. Die Ablehnung eines EU-Beitrittes der Türkei nähert sich in D der 90%-Marke! Immerhin hat sich Henkel schon sehr deutlich in dieser Frage profiliert! Das lässt hoffen!

Gravatar: Eric Hein

Der Unterschied zwischen den Freien Wählern und der Partei der Vernunft ist, dass die Freien Wähler schon eine Infrastruktur haben, schon in einem Landtag vertreten ist, und erfahrene Kommunalpolitiker aufweisen können. Sozialismus steht in allen Programmen. Das ist egal. Wenn sich die FW als Antirettungsschirmpartei positionieren mit Henkel an der Spitze, dann kann es etwas werden.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Schön und gut, Herr Henkel, aber meiner Erfahrung nach haben sich die Freien Wähler ihren Namen gegebne, weil sie frei und unabhängig von den bestehenden Parteien sein wollen, aber nicht, weil sie dezidiert liberal wären. Sozialistische Gedanken werden auch bei den Freien Wählern gehegt. Eine wirkliche Heimat könnten enttäuschte Liberale bei der Partei der Vernunft finden. Diese noch kleine Partei will wachsen, neue Mitglieder sind willkommen. Näheres auf www.pdv.de.

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