Eine gezielte Desinformation

Ein internes Papier der EKD lästert über die katholische Kirche – diskutiert wird die Frage, wie es an die Öffentlichkeit gelangen konnte.

„Eine gezielte Indiskretion“. So überschreibt Reinhard Bingener in der Qualitätszeitung „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ seinen Artikel über die Tatsache, dass ein internes Papier der evangelischen Kirche, in dem „Despektierliches über die katholische Kirche“ zu lesen sei, an die Öffentlichkeit gelangt sei.

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  Für den Journalisten die wichtigste Frage: „Wer hat Interesse daran?“ Freimütig erläutert er, dass das Papier bereits seit Anfang August den für die Kirchen zuständigen Redakteuren „maßgeblicher Tageszeitungen“ vorgelegen habe. Aufgrund des anonymen Absenders habe man trotz Sicherheit über den Autor des Pamphlets auf eine Berichterstattung verzichtet. Erst die Aufkündigung dieser internen Abmachung durch einen entsprechenden Artikel in der Donnerstagsausgabe der „Tageszeitung“ bewegte die FAZ denn auch, ihrerseits die anvertraute Information der sicher interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Was Reinhard Bingener als großartige Koordination der „Gatekeeper“ unter sich präsentieren will, könnte man auch als Informationskartell verurteilen. Doch in die Verlegenheit einer Rechtfertigung kommen die Informationsmanager unter sich scheinbar gar nicht. Der gesamte Artikel beschäftigt sich denn auch mit der Frage, welche Interessen hinter der Veröffentlichung des Papiers stehen könnten. Der Redakteur beweist detektivische Fähigkeiten, wenn er dem geneigten FAZ-Leser präsentiert, dass der Poststempel auf einen Absender in Hannover schließen lässt. Dort sei nach dem Briefkopf zu urteilen auch das Papier selbst entstanden. Geschrieben wurde es vom Leiter der Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“ im Kirchenamt der Evangelischen Kirche (EKD), Herrn Oberkirchenrat Thies Grundlach.

Grundlach, der innerhalb der EKD auch für die Ökumene zuständig ist, zeichnet auf sechs Seiten ein düsteres Bild der römisch-katholischen Kirche. Nach freundlich klingenden Anfangszeilen über „die zu Recht vielgelobte stabile Basis-Ökumene“ und eine „faktisch breite Grundübereinstimmung zwischen den beiden Kirchen“ beklagt er die in den letzten zehn Jahren stärker werdenden „Signale der Verschiedenheit“ und die oft zitierte „ökumenische Eiszeit“. Offen stellt Grundlach die Frage, ob man in Rom nach der Wahl Papst Benedikts XVI. hinter das II. Vatikanum zurück wolle. Über das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Papst heißt es: „Die Begeisterung wich bald einem irritierten Grundgefühl.“

Derlei Emotionen, irritierte Gefühle, überkommen gerade den ökumenisch gesinnten Leser auch bei der weiteren Lektüre von Grundlachs Überlegungen. Nach einem Sündenregister der „diplomatischen faux pas von Papst Benedikt“ werden zwei Deutungen angeboten: Entweder Rom wolle die Konzilsbeschlüsse tatsächlich in Frage stellen oder es handelt sich schlicht um „eine gewisse Inkompetenz der Vatikanführung.“

Selbst die deutschen katholischen Gesprächspartner in Sachen Ökumene bedenkt der Oberkirchenrat in seinen Einschätzungen. Angesichts seiner Position und seiner Ambitionen als Kandidat für Bischofsernennungen oder die 2010 anstehende Berufung eines neuen EKD-Leiters können Grundlachs Positionen so fern von der allgemeinen Meinung in der EKD nicht sein. Zufrieden konstatiert er, dass die Deutsche Bischofskonferenz sich in der Frage der Pius-Brüder vom Vatikan „in einer selten zu lesenden Klarheit“ distanziert habe. Innerhalb des deutschen Episkopats macht Grundlach „ernste Differenzen“ aus, die nicht zuletzt darin zum Ausdruck gekommen seien, dass bei der Amtseinführung von Erzbischof Marx in München nicht alle Mitbrüder der Bayerischen Bischofskonferenz zugegen gewesen seien. Über den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, heißt es: „Eine orientierende und prägende Kraft geht von ihm nicht aus.“ Mit sich und seiner Kirche zufrieden schließt Grundlach mit der Erkenntnis, dass die öffentliche Diskussion zuletzt „deutlich von der evangelischen Kirche dominiert“ worden sei.

Man stelle sich den Aufruhr vor, solche oder ähnliche Zeilen aus der Feder des für Ökumene zuständigen Kurienkardinals Walter Kasper erreichten über eine „Indiskretion“ die Öffentlichkeit. Es ist anzunehmen, dass die FAZ nicht die Hälfte ihres Artikels der Frage widmen würde, in wessen Interesse eine solch gezielte Veröffentlichung liegen könnte. Viel mehr würde man zahllose Stimmen schockierter EKD-Funktionäre zitieren, die in gewohnt ausdrucksstarken Worten die „Starrköpfigkeit des Vatikans“ verurteilen. Auch hätte man den herben Rückschlag für die ökumenischen Bemühungen wohl nicht mehr als zwei Monate verschwiegen. Einer Veröffentlichung durch die „Tageszeitung“ hätte es nicht bedurft, damit ein Hetz-Kommentar dafür einschlägig bekannter Redaktionsmitglieder erscheint.

Der ganze Vorfall stellt nicht nur die ökumenische Motivation und christliche Haltung der beteiligten Akteure innerhalb der evangelischen Kirche in Frage. Das zwielichtige Verhalten der mit Kirchenfragen befassten Journaille bestätigt ein Mal mehr die ungute Ahnung, dass in Kirchenfragen eben doch mit zweierlei Maß gemessen wird. 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Meyer klaus

Lieber Herr Liminski,
genau sehe ich es auch.
Danke, dass Sie sich immer wieder zu Wort melden.
Gott segne Sie
M.f.G. Klaus Meyer

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