Ein Windrad namens Klaus-Bärbel

Vor drei Wochen kriegten die Nutzer von „Meedia“ üppiges Lesefutter.

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In einem langen Artikel nahm das Hamburger Onlineportal für Medienmacher die offenbar innigen Beziehungen zwischen den „Lübecker Nachrichten“ und der Windkraft-Lobby in Schleswig-Holstein unter die Lupe. Das Stück las sich vernichtend. Über einen exemplarischen Artikel („Aufwind auf dem flachen Land“) des regionalen Quasi-Monopolisten heißt es beispielsweise, der Text sei lobhudelnd gegenüber der Windkraftindustrie geschrieben und gespickt mit Zahlen des Lobbyverbandes „Bundesverband Windenergie“. Eine kritische Betrachtung der Windenergie oder die Argumente der zahlreichen Windkraftgegner kämen darin nicht vor.

Das Blatt biedere sich, so der Meedia-Tenor, der Windkraftindustrie an, indem es die Bedenken der Bürger gegen eine ungezügelte „Verspargelung“ der Landschaft ignoriere. Aus einem Statement zur bürgerseitigen Akzeptanz (beziehungsweise Nichtakzeptanz) von Windparks, das die LN bei einem Professor für Marketing und Konsumentenpsychologie bestellt hatte, seien nur jene Passagen herausgepickt worden, die den LN in ihre windkraftaffine Tendenz passten.

Kritische Passagen aus dem Expertenstatement, welche auch die Bürgersorgen und die „rein wirtschaftlichen Interessen der Windkraft-Unternehmen und Investoren“ sowie den „Profit der Erbauer, Betreiber und Verpächter“ beleuchten, habe das Blatt komplett unter den Tisch fallen lassen. Wie die LN seine Analyse benutzt hatten, erfuhr der Verfasser erst durch die Meedia-Recherchen.

Weiter geht es wie im Bilderbuch. Wirtschaftslobbyisten und der Verlag der Lübecker Nachrichten, der auch Zielgruppen-Anzeigenblätter wie „Die Wirtschaft“ herausgibt, empfahlen sich schon mal wechselseitig und lobten die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Ein windindustriefreundlicher LN-Artikel über „Windpark-Sightseeing in Wulfsfelde“ wurde von einer freien Schreibkraft verfasst, die auf ihrer Homepage „PR und Pressearbeit mit Weitblick“ offeriert. Und über einen „Namenswettbewerb“, den ein gerissener Windpark-Betreiber zwecks Verhübschung seiner Monsterspargel veranstaltete, brachte die LN einen launigen Artikel unter der Headline „Ein Windrad namens Klaus-Bärbel.“

Vor eben dieser Masche hatte der Professor in seiner Akzeptanz-Analyse für die Lübecker Nachrichten ausdrücklich gewarnt. Die Passage wurde freilich nicht abgedruckt. Kunststück, liest sie sich doch wie eine Mahnung an die Adresse der LN-Redaktion:

„Als Überzeugungsversuch wahrgenommen wird auch eine verniedlichende Rhetorik, die profitorientierte Investoren und Manager als ‚Windmüller‘ (kleine putzige Männchen mit Zipfelmütze?), Kraftwerke als ‚Parks‘ (naturnahe Oasen der Ruhe und Idylle?) oder Anlagen mit minimaler Beteiligung privater Kleinanleger als ‚Bürger‘-Windparks (Volkseigentum?) bezeichnet. Intelligente Laien, die subjektiv über relevantes Halbwissen zur Windkraft verfügen, haben ein Gespür dafür, ob die politische und wirtschaftliche Rhetorik auf schnelle Überzeugung oder ehrlichen Dialog abzielt.“

Als Sahnehäubchen gab’s im Meedia-Artikel noch etwas Politik obendrauf. In der Tat interessant: Jost de Jager, von 2009 bis Juni 2012 Wirtschaftsminister im äußerst windkraftindustriefreundlichen Bundesland Schleswig-Holstein, gehört seit November 2012 dem Aufsichtsrat des Windkraftunternehmens Denker & Wulf an. Diese Firma wird in den LN gern fürsorglich erwähnt – etwa, wenn es um hohe Anlagen geht, die durch Absichten der Flugsicherung DFS „in Gefahr geraten“ könnten.

Nun ist der Autor des Meedia-Artikels mitnichten ein geschworener Windkraftgegner. Und Meedia durchaus kein Portal, das grundsätzliche Aversionen gegenüber „alternativen Energien“ hegt. Mit seinem Stück über die Lübecker Nachrichten wollte der Dienst lediglich einen brancheninternen Denkanstoß liefern. Nämlich zur Frage, weshalb manche der internetgeschädigten Holzmedien so dämlich sind, ihren Rutsch in den Auflagenkeller auch noch proaktiv zu beschleunigen.

Meedia: „Lokal- und Regionalzeitungen haben mit sinkenden Auflagen und Abozahlen zu kämpfen. Das liegt nicht nur an der sich wandelnden Mediennutzung, sondern vielleicht auch daran, was sie ihren Lesern bieten. Statt ausgewogener Berichterstattung, die nah am Leser ist, üben sich manche Blätter in Klientelbedienung. Die Lübecker Nachrichten sind besonders gut darin, die Windkraftbranche zu hofieren.“

Wie fielen die Reaktionen auf dieses Stück im führenden Branchendienst für Journalisten (rund vier Millionen Seitenzugriffe pro Monat) wohl aus?

Normalerweise würden sich die allseits bekannten, furchtlosen Medienkritiker auf solch einen Fall stürzen. Auch für die sich gern selbstbeweihräuchernden Investigationsressorts in den Publikumsmedien, ob öffentlich-rechtlich oder privat aufgestellt, müsste der Meedia-Artikel eine Steilvorlage sein.

Denn dass man eine solche Nummer (mit den dafür notwendigen finanziellen und personellen Mitteln, die ein Mediendienst nicht hat) noch ein paar flotte Runden weiterdrehen könnte, darf getrost angenommen werden. Der Filz aus Windkraftindustrie, Politik, Umweltschutzaposteln, Mediengewerbetreibenden, Schlaubauern und selbsternannten Klimarettern ist mutmaßlich nirgendwo so dicht wie im heftig verspargelten Schleswig-Holstein. Und es geht dort immer weiter mit der großen Subventionsabzocke Windkraft. Wer ein bisschen gräbt, stößt an vielen Stellen auf spannende Storys.

Aber wer will schon graben? Reaktionen auf den am 18. Dezember veröffentlichten Meedia-Artikel, Stand 7. Januar: null. Meedia verzeichnete weder eine Nachfrage vom schwerstkritischen „Bildblog“, noch eine von der ansonsten allzeit empörungsbereiten „taz“-Medienredaktion. Auch das NDR-Medienmagazin „Zapp“, welches nach seinem Selbstverständnis eine „Vermischung von Journalismus und PR“ zutiefst verabscheut, zeigte kein Interesse an den Recherchen von Meedia. Und der famose „Rechercheverbund NDR, WDR und ‚Süddeutsche Zeitung’“ (WDR-Intendant Tom Buhrow: „Crossmediales Vorzeigeprojekt für Qualitätsjournalismus”)? War ebenfalls nicht neugierig.

Meedia-Chefredakteur Georg Altrogge meint, dass das beredte Schweigen im Medienwald etwas mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Stücks zu tun haben könne: „Kurz vor Weihnachten waren vielleicht viele Redaktionen nur dünn besetzt.“

Daran glaube ich, mit Verlaub, nicht eine Sekunde. Käme nämlich der geringste Verdacht auf, dass die Genforschungs-, Fracking- oder Massentierhaltungs-Lobby, von der Rüstungs-, Auto- oder Pharma-Lobby zu schweigen, vom regional wichtigsten Presseorgan auffallend nett behandelt wird - wetten, dass die Causa sofort ein paar einschlägig interessierte Investigatoren auf den Plan riefe?

Weihnachten ist ja auch schon ein Weilchen her.

No, Sir. Dass eine Recherche wie diese, platziert im führenden Info-Dienst für deutsche Journalisten, rein gar keine Kreise zieht, keinem Ritter der „Qualitätspresse“ auch nur einen Kommentar entlockt, hat einen anderen Grund. Nämlich den, dass die finanz- und einflussmächtige Windkraftindustrie und ihre weit gesponnenen Lobby-Netzwerke bekanntlich so gut wie nie im Fokus journalistischen Ermittlungseifers stehen.

Windkraft ist „grün“, also gut. Wer dagegen hält, ist dumm oder schlecht. Diese Erzählung wurde jüngeren Journos schon in der Schule eingetrichtert. Manchen bereits in der Kita. Sie haben Aktien in der Sache. Bildlich gesprochen.

Für einige ihrer älteren Kollegen (ein paar von ihnen kenne ich persönlich) trifft das wortwörtlich zu.

Der Meedia-Artikel steht hier:
http://meedia.de/2015/12/18/aufwind-fuer-die-region-wie-die-luebecker-nachrichten-die-windkraft-lobby-hofieren/
Artikel der Lübecker Nachrichten hier:
http://www.ln-online.de/Anzeigen/Die-Wirtschaft/Aufwind-auf-dem-flachen-Land

Beitrag zuerst erschienen auf achgut.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Emmanuel Pracht

Ich hab mal versucht eine Untersuchung über die Langzeitwirkung durch Entnehmen von Energie in Atommeiler Stärke über Jahre hinweg aus den unteren Atmosphären-Schichten zu bekommen. Ich hab keine gefunden.

Wohlan...

Gravatar: Hans-Peter Klein

Hallo Herr Röhl,
Windkraft ist "grün" insofern, dass es sich um eine saubere, umweltfreundliche Energiequelle handelt, im politischen Farbspiel wird die grüne Windenergie von allen Parteien positiv bewertet und hofiert,
(außer der damaligen FDP, die verfolgte andere Ziele, ...).
Die Zeiten, die Erneuerbaren Energien parteipolitisch mit den "Grünen" zu assoziieren sind lange vorbei, seit eben jene Partei sich in gesellschaftspolitischen Fragen wieder extrem linke Positionen auf die Agenda geschrieben hat, welche mit dem Uranliegen "Ökologie" herzlich wenig am Hut haben.
Im Hunsrück will z.B. der Landkreis Morbach energieautark werden durch einheimische, eben erneuerbare Energiequellen, und dieser Landkreis ist CDU dominiert.

Von daher:
Die Erneuerbaren Energien gehören uns allen, es sind unsere ureigensten Energiequellen, auf die wir stolz sein können, die uns unsere Unabhängigkeit sichern und die es unseren Urenkeln offen lassen, andere Wege zu gehen, sie sind eben auch reversibel rückbaubar, im Gegensatz zu Kohle und Atom.

So läuft Demokratie: Sie ist der am wenigsten schlechte Kompromiss.

MfG
HPK

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