Ein Loch ist im Eimer

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Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diesen dreisten Putschversuch erst einmal verhindert, aber die Wahrscheinlichkeit, dass der Haushaltsausschuss das Loch jemals schließen wird, ist gleich Null. Der Bundestag würde mit überwältigender Mehrheit einer weiteren Aufstockung des gerade beschlossenen Rettungsschirmvolumens von 211 Milliarden („EFSF“) und der demnächst geplanten „Verewigung“ dieser Eurorettungsorgien („ESM“) mit Sicherheit zustimmen. Die einzige Kritik, die sich Frau Merkel bisher von der Rot-Grünen Opposition dazu anhören musste: „Sie hätten Griechenland früher helfen sollen“!

Während sich Gericht, Parlament und Regierung noch darüber streiten, wie die parlamentarische Kontrolle über die Größe dieses Lochs ausgestaltet wird, hat sich ein neues Loch für den deutschen Staatshaushalt aufgetan. Durch dieses fließen immer mehr Euro an Haftungs-Milliarden, ohne dass der Bundestag oder sein Haushaltsausschuss irgendeinen Einfluss hat. Ja, nicht einmal unsere Bundesregierung hat noch einen Überblick über Umfang und Risiken, welche dem deutschen Steuerzahler und seinen Nachkommen täglich neu aufgebürdet werden.

Die Rede ist hier von Staatsanleihen aus Ländern mit zweifelhafter Bonität, die die Europäische Zentralbank in immer größerem Umfang aufnimmt. Dass diese Praxis zuerst zum Rücktritt von Bundesbankpräsident Weber (angeblich „aus persönlichen Gründen“) und dann zum Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Stark (angeblich „aus persönlichen Gründen“) führte, hat die Bundesregierung ziemlich kalt gelassen. Sie hat diese Positionen mit solchen Vertrauten besetzt, von denen sie weiß, dass sie zwar tapfer im EZB-Gremium gegen den gesetzeswidrigen Aufkauf solcher Anleihen stimmen, aber weiter auf ihren Stühlen sitzenbleiben.

Inzwischen summieren sich die Aufkäufe auf mehr als 200 Milliarden Euro. An ihrem Wertverlust oder Totalausfall wäre der deutsche Steuerzahler mit mindestens 27 Prozent beteiligt, eher mit einem deutlich höheren Prozentsatz, denn er müsste den Anteil, den ein insolvent gewordenes Land selbst nicht mehr aufbringen kann, mit übernehmen.

Nachdem Bundespräsident Wulff (dessen Vorgänger angeblich „aus persönlichen Gründen“ zurücktrat) diese Praxis wegen ihrer offensichtlichen Regelwidrigkeit öffentlich kritisiert hat, hätte die Bundesregierung sofort rechtliche Schritte gegen die EZB ergreifen müssen. Merkel und Schäuble ignorierten erst Weber, dann Stark, schließlich sogar Wulff. Warum wohl? Das Aufkaufprogramm der EZB hat sich als der bequemste Weg erwiesen, den Euro weiter zu Lasten der Deutschen zu „retten“ – ohne lange Debatten im Bundestag, ohne den Haushaltsausschuss bemühen zu müssen, ohne der deutschen Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen zu müssen.

Inzwischen beschädigt die Euro-Politik nicht nur unsere finanzielle Zukunft, sie sät nicht nur neue Zwietracht innerhalb der Eurozone, sie verbreitert nicht nur den Graben zwischen ihr und den anderen zehn Nichteuroländern in der EU. Sie ist dabei, massiv den Rechtsstaat und die Demokratie auszuhöhlen. Dass diese Analyse nicht übertrieben ist, kann man am besten an der Reaktion der deutschen Wirtschaftsredaktionen ablesen: Sie protestieren mal hier, mal da, aber bleiben politisch korrekt, denn alles andere hieße, den Einheitseuro in Frage stellen zu müssen. Das aber bleibt bei uns ein Tabu, ein deutsches.

 

Der Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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