Ein Blick auf die neoliberale Wende in Berlin

Veröffentlicht:
von

Das Kabinett der neuen schwarz-gelben Bundesregierung steht fest. Was haben nun also die Parteiliberalen aus ihrem “historischen Wahlsieg” gemacht? Man bedenke dabei, dass Papier in der Politik geduldig ist - was zählt, ist das Personal und deren Macht:

Die FDP übernimmt nun mit dem Aussenministerium eines, welches für liberale Politik völlig unempfänglich ist. Was soll in einem Land, das in Organisationen wie UNO, NATO, EU, G8-20 etc. eingebunden ist, überhaupt noch als “liberale” Aussenpolitik gelten? Der einzige Vorzug dieses Ministeriums ist, dass der Inhaber qua Amt im Inland an Popularität gewinnt. Daneben wurde das Entwicklungsministerium erobert - eines, das selbst nach Meinung der FDP gar nicht existieren sollte. Mit dem Wirtschaftsministerium wird eine Behörde übernommen, die keine substantielle Kompetenzen besitzt - eine reines “Grüss-Gott-August-Ministerium” also. Die Übernahme des Justizministeriums lässt zumindest Hoffnungen aufkeimen, dass die überwachungsstaatlichen Exzesse der letzten Jahre etwas verlangsamt werden. Das Gesundheitsministerium schliesslich beinhaltet tatsächlich Potential für liberale Reformen, welche die Macht und Last des Staates in einem wichtigen Lebensbereich der Menschen etwas zurückdrängen könnten. Es bleibt damit das einzige.

Beinahe 15% der Wähler konnte die FDP bei der jüngsten Wahl auf sich vereinigen - etwa die Hälfte der Wahlstimmen für die CDU. Was wurde daraus gemacht? Es besteht eine gewisse Hoffnung auf Verbesserungen im völlig heruntergewirtschafteten deutschen Gesundheitssystem. Das war’s.

Wie kommt es zu dieser unglaublich mageren Bilanz? Ganz einfach: In der Berufspolitik zählen nicht Inhalte oder Überzeugungen, sondern Ämter und Wahlchancen. Populäre und sichtbare, aber substanzlose Posten, wie etwa im Aussen- und Wirtschaftsministerium, sind darum begehrt. Sie bieten eine Plattform für das Ablassen von Sprechblasen und erhöhen die (Wieder-)Wahlchancen. Die Tatsache, dass sich hier keine Fortschritte für das Land und die Bürger erreichen lassen, ist dabei - aus Sicht der Akteure - offensichtlich völlig irrelevant.

Gelackmeiert ist darum wieder einmal der Bürger, der sich ernsthaft von der Regierungsbeteiligung einer liberalen Partei eine substantielle politische Veränderung erhofft hat. Derartige Hoffnungen können im Jahr 2009 eigentlich nur durch ein mangelndes Verständnis des politischen Systems, seiner Spielregeln und Anreize erklärt werden. Illusionen beruhen immer auf einem mangelnden Realitätssinn. Und die Hoffnung auf liberale Reformen durch eine Regierungsbeteiligung der FDP ist genau das: eine Illusion.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Nichtwähler

Zitat Braindead: "Mit Ihnen hätten wir es dann 5 nach 12!"

Ich untersütze Sie. Es ist gut, das immer mehr Menschen an einen Neuanfang glauben, also an die Zeit "nach 12". Bis vor einiger Zeit und auch noch zur Bundestagswahl sind die meisten Menschen in unserem Land noch wie die Lemminge in Richtung staatszentralischtischer Planwirtschaft bzw. in Richtung "DDR light" gelaufen. Das bürgerliche Lager ist zum Glück dabei aufzuwachen, sich neu zu orientieren und den etablierten Parteien den Rücken zu kehren. Endlich tun sich auch freiheitlich orientierte Alternativen auf.

Gravatar: Braindead

"Es ist an der Zeit, einer neuen und mutigen parlamentarische Kraft, wie die der "Partei der Vernunft" zur Seite zu stehen. Es ist 5 vor 12, die Zeit für unser Land läuft ab!"

Mit Ihnen hätten wir es dann 5 nach 12!

Gravatar: Jörg Brechlin

@ Insider,

ungeachtet der Klarheit des Art. 19 Abs.1 GG bedarf es hinsichtlich der hiernach vielfach (ex tunc) gegebenen Nichtigkeiten, einer entsprechenden Ergänzung des GG. Anders scheint ein Beenden von "Gutdünkengesetzgebungen" in unserem Land wohl nicht erreichbar.

Dies wiederum stellt im aktuellen politischen Umfeld natürlich ein geradezu hoffnungsloses Unterfangen dar.

Gravatar: Gladstone

Wieso? Die Steuern werden doch gesenkt, Schäubles Aushebelung des Rechtsstaates wurde weitgehend beendet und wenn der Gesundheitsfonds abgeschafft wird, dann ist das eine dringend notwendige und wichtige Reform.

Gravatar: Insider

Beiden Herren gebührt Anerkennung für ihre Sicht der Dinge. Aber es sich nur die Partei oder in diesem Fall besonders die FDP, es steht und fällt das Ganze auch mit dem Wissen und / oder Unwissen der Bevölkerung. Solange der Bevölkerung das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gleichgültig ist, sich kaum bis gar keiner mit denjenigen Vorschriften im GG befasst, die die drei Gewalten in Befehlsform an die Vorschriften des Grundgesetzes als die ranghöchste Rechtsordnung der Bundesrepublik zwingend binden, solange können alle Personen aller Parteien im Grunde machen was sie wollen. Und was sie wollen, ist seit 60 Jahren am Zustand z.B. des Bundeshaushaltes ablesbar. Sie wollen "herrschen" und sich bedienen, ganz persönlich. Bis heute hat das GG nicht seine Wirkung entfalten können, die in ihm steckt. Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, nur kann er sie seit 60 Jahren so gut wie gar nicht durchsetzen. Die FDP muss sich jetzt an ihrem Vordenker Dr. Thomas Dehler z.B. messen lassen, der im parlamentarischen Rat für das sog. Zitiergebot im Artikel 19 Abs. 1 GG gegen seinen Widersacher, den Nazijuristen Dr. v. Mangoldt, gefochten hat. "Wir wollen diese Fesseln des Gesetzgebers." So steht es in den Protokollen nachzulesen. Doch Mangoldts Gedankengut hat sich bis heute auch in der Rechtsprechung des BverfG gegen den klaren Wortlaut des Artikels 19 Abs. 1 GG durchgesetzt, so dass der Gesetzgeber bis heute nach Gutdünken einfache Gesetze im Fall von Grundrechtseinschränkungen mit dem Zitiergebot ausstattet oder nicht.

Es bleibt ausdrücklich festzuhalten, einfache Gesetze, die gegen die zwingende Gültigkeitsvorschrift gemäß Artikel 19 Abs. 1 GG verstoßen, sind ungültig und erlangen zu keinem Zeitpunkt Gesetzeskraft. Das BverfG muss solche Gesetze deklaratorisch für nichtig erklären. Der Gesetzgeber muss solche Gesetze neu beraten und verabschieden. Sämtliche auf ungültigen Gesetzen basierende Verwaltungsakte sind nichtig. Amtsträger, die in Kenntnis dessen trotzdem ungültige Gesetze anwenden, sind Straftäter und gehören zur Verantwortung gezogen. Ebenso aber auch der Gesetzgeber, der in Kenntnis des ihn zwingenden Zitiergebotes grundrechtseinschränkende Gesetze wie am Fließband produziert, wissend, dass die von ihm berufenen Bundesverfassungsrichter allesamt weniger dem Grundgesetz verpflichtet als vielmehr ihrer persönlichen Nebentätigkeit und daher ihrem jeweiligen Entsender.

Die FDP weiß z.B. auch um die Nichtigkeit des sog. Annahmeverfahrens von Verfassungsbeschwerden zum BverfG. Seit 1956 ist das so und niemand bemängelt es bzw. sorgt für Abhilfe. Grundrechtsverletzungen sind gemäß Artikel 1.2. GG i.V.m. Art. 1.3 GG für jeden Grundrechtsverpflichteten absolut tabu. Das absolute Freiheitsgrundrecht gemäß Artikel 19 Abs. 4 GG lässt ein einfachgesetzliches Annahmeverfahren von Verfassungsbeschwerden des Bürger jedermann im BverfGG nicht zu, wäre es doch eine Einschränkung einfachgesetzlicher Art. Die 1969 nachträglich vorgenommene Normierung dieses verfassungswidrigen Annahmeverfahrens im Artikel 94 Abs. 2 GG ist grundgesetzwidrig, denn es kollidieren nun 2 Artikel des GG miteinander. Kollisionen sind immer zugunsten des absoluten Freiheitsgrundrechtes aufzulösen, also sind Artikel 94 Abs. 2 GG sowie die §§ 93 a bis 93d BverfGG durch den Verfassungsgesetzgeber / einfachen Gesetzgeber zu bereinigen. Bisher hat die FDP da keinen Finger gekrümmt, auch eine Frau Leuthäuser-Schnarrenberger nicht ebenso kein ehemaliger Bundesinnenminister Baum ( FDP ).

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang