Ein bißchen Inflation ist gut

Neulich saß ich im Zug von Innsbruck nach Salzburg. In Wörgl stiegen vier Halbwüchsige zu. Sie unterhielten sich über die Schule und die bevorstehende Prüfung im Fach Wirtschaftskunde. Einer sagte: „Wenn die Wirtschaft stark wächst, gibt es unweigerlich Inflation.“ Lebhaft nickte sein Sitznachbar, während er sein iPod auspackte. „Siehe China.“ Der dritte um Bunde grunzte zustimmend, der vierte sagte nichts, denn er war zu sehr mit einem Schinkenbaguette beschäftigt.

 

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„Ein bißchen Inflation ist gut“, hub der erste wieder an, „denn sonst kann die Wirtschaft nicht wachsen.“ Dann begann er zu dozieren, wobei sich mir, die ich unfreiwilliges Mitglied der Hörergemeinde war, die Haare zu sträuben begannen. Der junge Mann – ich schätzte ihn auf siebzehn – redete mit beneidenswerter Selbstgewißheit. So kann nur einer reden, dem zwar die Sprache gegeben ist, der dieses Instrument jedoch unabhängig von Lebenserfahrung oder intellektuellen Anfechtungen benutzt. Nicht, daß ich diesem jungen Mann dies als Makel vorwerfe, er ist ja nur das Sprachrohr der unsäglichen staatlichen Bildung. Reden zu halten über Sachverhalte, von denen man nicht den blassen Schimmer hat, ist gang und gäbe. Vermutlich wird dieser eloquente Schüler bei der bevorstehenden Prüfung sehr gut abschneiden.

Wie die Zahlen, so führen heute auch die Wörter ein Eigenleben. Sie haben keinen Bezug mehr zur Wirklichkeit. Auf die Zahlen komme ich im letzten Abschnitt noch einmal zu sprechen.

Hören wir nun den Meister des Fachs zur Frage der Inflation Stellung nehmen:

„Indem die Inflation die Grundlage der Wertrechnung, die Möglichkeit, mit einem mindestens für kurze Zeitraume im Werte nicht allzu stark schwankenden allgemeinen Nenner der Preise zu rechnen, zerstört, erschüttert sie die Geldrechnung und damit das wichtigste denktechnische Hilfsmittel der Wirtschaft. Solange sie sich noch in gewissen Grenzen hält, ist sie eine vortreffliche psychologische Stütze einer vom Verzehren des Kapitals lebenden Wirtschaftspolitik. Bei der üblichen und allein möglichen Art der kapitalistischen Buchführung täuscht sie günstige Ergebnisse vor, wo Verluste vorliegen. Indem die Abschreibungen des stehenden Kapitals zu klein angesetzt werden, weil man von der Nominalsumme des seinerzeitigen Anschaffungswertes ausgeht, und die scheinbaren Werterhöhungen, die sich am umlaufenden Kapital ergeben, so gebucht werden, als ob sie wirkliche Werterhöhungen wären, werden Gewinne ausgewiesen, wo eine Rechnung in einer stabilen Währung Verluste aufweisen würde. Damit gelingt es zwar nicht, die Folgen übler etatistischer Politik, von Krieg und Revolution zu beseitigen, wohl aber sie dem Auge der großen Menge zu entziehen. Man spricht von Gewinnen, man glaubt in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwunges zu leben, man preist am Ende gar die weise Politik, die alle reicher zu machen scheint.“
(Ludwig von Mises; Quelle: www.misesde.org)

Die Lehren der bodenständigen Ökonomen, wie Ludwig von Mises einer war, gehören nicht zum Kanon höherer Schulen. Dafür lernen die Schüler umso mehr über die Herrschaft der Zahl.

Es ist die schiere Menge, die den Menschen beeindruckt. Das Sichtbare und Zählbare hält er – welch tragische Verwechslung! – für das Wesen der Dinge. Er glaubt, die Welt werde besser, wenn es nur mehr und mehr von allem gäbe, was ihm ins Auge springt. Und so hält er sogar Geldinflation für etwas grundsätzlich Gutes. Daß er hier die Büchse der Pandora öffnet, wird ihm nicht bewußt, vermutlich selbst dann nicht, wenn das Verderben über uns alle kommt.

Die Zahl blendet und verführt den Menschen. Je größer die Zahl, desto unerschütterlicher sein Glaube. Vor einer Million verbeugt er sich demütig, eine Milliarde läßt ihn ergriffen auf die Knie sinken, vor eine Billion wirft er sich in den Staub. Während er den Sockel des Zahlengenerators küßt, tut er einen Schwur: Bei allem, was mir lieb ist, verspreche ich hiermit, die Zahl immerdar zu pflegen, zu schützen und zu mehren, auf daß es uns und unseren Kindern gut gehe auf Erden ...

 

 

 

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