Eigentlich ist die Republik doch grün...

Wellness, Offenheit für alles und Null-Toleranz für unpassende Wahrheiten

 

CDU/CSU und FDP haben die Bundestagswahl gewonnen. Eine konservative und eine liberale Partei sollen nun das Klima prägen. Schwarz und gelb. Doch über die Jahre hat eine ganz andere Farbe den Staat lackiert.

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Es grünt so grün, wenn Spaniens Wälder blühen. Deutsche Lande tun dies längst. Auch wenn die Grünen seit Jahren nicht in Berlin an der Macht sind, so scheint es mir: Überall sehe ich grün. Grün, grün, grün – jeder hat halt so seine Neurose.

 

Der Relativismus blüht. Es herrscht ein Klima des „Sich-lieb-Habens“. Oder wie Franz-Josef Strauß es mal anmahnte: eine „Harmonie-Diktatur“. Es leuchtet das Grün der heilbringenden Mitte. Auch im Bundestag oder den Länderparlamenten: Gibt es hier noch heftige Kontroversen, wenn es nicht gerade um Geld, Finanzen und Schulden geht?

 

Greenpeace, Amnesty International, Food-Watch, Homo- und Lesben-Lobbys, wer sich hier engagiert, und wenn auch nur mit Worten, der gehört der grünen Truppe der tapferen Robin Hoods an. Und wer „bewusst“ keine amerikanischen Spielfilme schaut, Mac Donalds meidet, Randalen der Antifa oder Demütigungen islamischer Frauen doch letztlich noch ein wenig Gutes abgewinnen kann – der ist ganz weit oben. Und natürlich brauchen wir über Afghanistan oder den Papst (Ups! Da war das böse Wort) gar nicht zu sprechen. Und über die Kirche? Schon, aber nur als gemütliches Treffen der Gemeinde, als Weggemeinschaft von Brüdern und Schwestern mit unserem Freund und unserer Freundin Jesus.

 

Vor allem: bloß kein Streit. Das gilt schon für Kinder. Balgen sich zwei Jungs auf dem Schulhof, so wird umgehend der Stuhlkreis einberufen: „Du, Sven, du hast Patrick ja tatsächlich umgeworfen. Komm Sven, schenke Patrick jetzt diese kleine Sonnenblume als Zeichen dafür, dass es dir leid tut“, mahnt die Lehrerin ihn vor der ganzen Klasse. Und sollte Sven dann noch erwidern: „Nein, mach‘ ich nicht, er hat mich immer wieder geärgert“ – dann steht das Jugendamt vor der Türe der Eltern: Erziehungskontrolle.

 

Betroffenheit herrscht, wenn auf einer Landstraße zwei Kröten überfahren werden. Was tun? Schutzwälle errichten, Tunnel graben. Das vermittelt ein gutes Gefühl. So wie die Unterschrift am Infostand in der Stadt unter den Aufruf: „Rettet die Feldhamster“. Oder Wale. Oder: Freiheit für die Isorskepen! Niemand kennt sie. Aber die Unterschrift, die zählt. Und wird Wunder bewirken.

 

Nichts gegen Wale, Feldhamster oder Isorskepen. Schon gar nicht gegen persönliches Engagement. Aber all dies ist so irgendwie „pflutschig“, weil es keine persönlichen Konsequenzen für den Engagierten bringt.

 

Ein moralisch handelnder Weltbürger ist jener, der kein Papierchen auf der Straße fallen lässt, was man ja auch nicht tun sollte. Der als Vater (wenn überhaupt noch Männer als Väter, Pfarrer oder Lehrer nicht endlich flächendeckend das Erziehungsfeld den Frauen überlassen sollten) selbstverständlich Erziehungsurlaub nimmt und als Ehemann die Birkenstock-Sandalen seiner Frau auch dann liebt, wenn sie mal ausgehen. Der seinen Müll so penibel trennt, dass vor lauter Eimern, Tonnen und Behältern kein Platz mehr fürs Kochen oder für Kinder in der Küche bleibt. Ist ja auch für die Dritte Welt gut. Warum? Egal. Sowieso: Jute statt Plastik. Böse Blicke treffen den Konsumenten, der an der Supermarkt-Kasse nach einer Plastiktüte greift. Er hätte ja wohl auch die „alte“ vom letzten Einkauf mitbringen können, diese Umweltsau.

 

Die meisten von Ihnen kennen Elternabende in der Schule, Stammtische der Eltern, Grillfeste, gemeinsames Laternenbasteln, Eltern-Schüler-Lehrer-Wanderungen, Töpfern mit Großeltern. Toll! Da kann sich jeder einbringen, aber bitte lieb und stets für die Kinder engagiert. Nicht mal den Lehrern recht geben. Und wehe, Eltern nehmen einmal nicht teil. Vielleicht, weil sie beruflich engagiert sind oder mehrere Kinder haben, um die sie sich kümmern müssen.

 

Doch grünes Lebensgefühl geht weiter: Man muss es inhalieren, in jeder Vene und Arterie fließen lassen. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“, forderte einst Goethe. Damit schon definierte er den Humanisten und, unbewusst, den „grünen Menschen“. Beim Engagement gegen all das Böse wie Atomkraftwerke, PS-starke Autos, Boxen oder gar Meinungen, die den grünen Frieden gefährden, da darf die Mimik entschlossen, kämpferisch, betroffen wirken. Ansonsten gehört es sich, einen möglichst gütigen, entzückten, friedvollen Gesichtsausdruck aufzulegen, der Eintracht, Verständnis und Toleranz – oder in einem Wort Solidarität verrät. Wenn Kinder beim Gottesdienst im Mittelgang spielen, toben oder in einer Phonezahl kreischen, dass niemand mehr ein Wort des Pfarrers versteht, so ist diese Solidarität mit diesen kleinen beschützenswerten Geschöpfen einfach gut, weil „grün“. „Lasst die Kinder zu mir kommen“, so hat doch dieser Jesus gesagt. Das ist wahre Weggemeinschaft! So auch im Restaurant, wo kinderlose Paare oder jene, die womöglich Kinder haben, und ein einziges Mal zwei ruhige Stunden verleben möchten, sich nur noch anschreien können, weil doch am Nebentisch die kleine Heike oder der größere Tom sich nicht „benehmen“ können. Benehmen? Welch garstiges Wort, das mit „grün“ so gar nichts zu tun hat.

 

Nicht nur in Krefeld wollten Werbegemeinschaften in der Vorweihnachtszeit auf christliche Weihnachtsbeleuchtung verzichten. Religiöse Motive gehörten in die eigene Wohnung oder in die Kirche, so argumentiert man. Stattdessen will man nur winterliche Dekoration einsetzen. Das ist nett!

 

Und die Kirchen selbst? Vor allem die protestantische steht mit auf dem Sieger-Treppchen, wenn es um das Bekenntnis zum grünen Lebensgefühl geht. Lieb sein zu jedem, offen sein für alles, tolerant gegenüber allem. Was ist schon Wahrheit! Vor allem bei einer Glaubensgemeinschaft hat sie nach grünem Verständnis nichts verloren. Denn Glauben, das ist solch eine sensible „Zone“, da muss schon jeder für sich entscheiden dürfen, was geht und was nicht.

 

Kein großer Zank mehr auch bei den Medien. Die meisten haben sich selbst ein grünes Outfit gegeben. Keine polarisierenden Fernsehmagazine mehr, die meisten Zeitschriften und Zeitungen zitieren sich wohlwollend gegenseitig, nicht nur, weil die meisten von ihnen je einem einzigen Verlag gehören.

 

Und die sogenannte „öffentliche“ oder „veröffentliche“ Meinung? Sie ist das grüne Credo, der grüne Dekalog. „Wahrheiten“ werden verfasst und den Weltbürgern eingeimpft, bis sie durch deren Herz gepumpt worden sind und ihre Gehirne sie dank der frischen grünen Durchblutung gespeichert haben. Denn diese, ihre Wahrheiten, die sind wahr. Klar doch, hier sind wir ja auch nicht in der Kirche.

 

Schöne neue grüne Welt! Ich liebe Dich! Hier darf ich leben, denken und sagen, was ich will. Denn es herrschen ja Harmonie und Solidarität. Überall. Oder flüstern uns dies nur meine verteufelten Neurosen ins Ohr? Ja, bestimmt. Denn vieles ist ja nicht nur grün, sondern auch gut. Aber nicht als Religion.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gero Pischke

Toller Artikel, sehr geehrter Herr Müller! Genauso ist es in unserer feminisierten Gutmenschenwelt! Sind diejenigen, die sie so treffend beschreiben, eigentlich nicht alle Opfer weiblicher Erziehung? Aber mittlerweile könnten so eine Erziehung ja sogar Männer verbrechen.

Schön ist auch das Schlägereibeispiel: Meine Erfahrung ist, dass ich erst als Junge respektiert wurde, als ich mitten im Unterricht, weil ich von einem Mitschüler mein Eigentum nicht zurückerhielt, eine Schlägerei anfing. Die krummgeschlagene Nase trage ich heute noch mit Stolz. Aber den anderen hats schlimmer erwischt. :-)

Diese allseits gepflegte paranoide Harmoniesucht finde ich einfach verlogen und schlimm. Alles nur Memmen!

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