Ehec-Ausbruch: Marktwirtschaft Light für Landwirte?

Der Ehec-Ausbruch hat den Gemüsebauern die Ernte verhagelt. Sollten sie dafür entschädigt werden?

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Der Ausbruch der Ehec-Infektionen und vor allem deren mediale Omnipräsenz haben den europäischen Bauern, allen voran spanischen und deutschen Landwirten sprichwörtlich die Ernte verhagelt und zu massiven Umsatzeinbußen geführt. Nicht weiter verwunderlich ist in dieser Situation, dass Rufe nach Entschädigungen jetzt laut werden. So berichtete etwa die Berliner Tageszeitung taz gestern, der Unionsfraktionsvize Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) hätte sich für nationale Hilfen für die Gemüsebauern zusätzlich zu den EU-Hilfen ausgesprochen. Nach seiner Meinung läge zwar ein gewisses Geschäftsrisiko auch bei den Bauern, doch wäre der Ehec-Ausbruch nicht vorhersehbar gewesen.
Eine freie Marktwirtschaft ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass Unternehmer jegliche Verlustrisiken tragen, egal ob Umsatzeinbrüche voraussehbar sind oder nicht. Schließlich profitieren Unternehmen auch von unerwarteten Gewinnen ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten, wenn beispielsweise unvorhersehbare Ereignisse zu sprunghaften Umsatzerhöhungen führen (Man frage deshalb beispielsweise bei den Fleischproduzenten oder Anbietern von Tiefkühlkost  nach Beistand). Dabei sind unabsehbare Einflussfaktoren auf die Ertragslage eines Unternehmens völlig normal, egal ob es sich nun um eine Naturkatastrophe, eine Veränderung der Konsumgewohnheiten der Verbraucher oder aber ein Wegbrechen der Nachfrage aufgrund eines nicht unbegründeten Verdachts auf gesundheitsrelevante Qualitätsmängel der Ware handelt. Zudem ist das Risiko von Ehec-Ausbrüchen durch die Kontamination von Lebensmitteln aufgrund der amtlichen Statistik sehr bekannt. Wenn auch die Anzahl der dem Robert-Koch-Institut gemeldeten Erkrankungen in diesem Jahr, mit derzeit 1.959 Fällen gegenüber der durchschnittlichen Fallzahl von 997 in den vorherigen neun Jahren (Quelle: statista, 07.06.2011); deutlich erhöht ist (Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anzahl der gemeldeten Fälle auch aufgrund der hohen Sensibilisierung der Bevölkerung und der damit verbundenen häufigeren Konsultation eines Arztes im Krankheitsfall besonders hoch sein dürfte); müssen Landwirte immer damit rechnen, dass ein Ausbruch eines modifizierten Erregers zu überdurchschnittlichen Problemen führt. Produzenten von Lebensmitteln sollten somit grundsätzlich in der Lage sein die Wahrscheinlichkeit derartiger Umsatzverluste zu bestimmen und in ihre Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließen zu lassen.  Für unberechenbare Folgen stehen dagegen in einer Marktwirtschaft die Instrumente der Versicherungswirtschaft zur Verfügung. Dem Einfluss der Medien und der Aufmerksamkeit der öffentlichen Diskussion sind dabei nicht nur Landwirte ausgesetzt. Auch Anbieter anderer Produkte, deren Gebrauch in der Presse  immer wieder aus heiterem Himmel mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Zusammenhang gebracht wird, wie etwa chinesisches Kinderspielzeug oder Haushaltschemikalien, sind der Macht der öffentlicher Emotionen ausgesetzt.
Eine Entschädigung der Landwirte für die Umsatzausfälle der Ehec-Krise dürfte vor allem langfristig negative Anreizeffekte auslösen, da Landwirte geringere Anreize für eine eigene Vorsorge bzw. Versicherung gegen derartige Ereignisse treffen. Hinzu kommt, dass Entschädigungszahlungen auch den Anreiz einer zuverlässigen Qualitätssicherung reduzieren können, wenn die Branche davon ausgehen kann, dass Qualitätsmängel einzelner Anbieter keine wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Einwänden, die in die Richtung der impliziten Gruppenhaftung für individuelles Fehlverhalten gehen, ließe sich entgegen halten, dass diese durch brancheninterne Qualitätssicherungssysteme und Versicherungslösungen auf Gegenseitigkeit lösbar sind. Auch für Landwirte gelten im Übrigen die Leistungen der sozialen Grundsicherung, auf die auch andere Bürger in wirtschaftlichen Härtefällen zurückgreifen können. Staatliche Entschädigungen für die Landwirte sind daher ordnungspolitisch mit marktwirtschaftlicher Verantwortung ebenso wenig zu vereinbaren, wie die Abwrackprämie als Reaktion auf die unerwartete Finanzkrise tauglich war. Schließlich sind auch die Bürger als Kostenträger einer Entschädigung auf den unerwartet heftigen Ausbruch des Ehec-Erregers nicht vorbereitet gewesen.  Genauso gut könnte man nach einer Entschädigung der Opfer fragen, die ahnungslos vermeintlich gesunde Rohkost verspeisten. Man könnte letztlich auch fragen, wer die Steuerzahler für die Last der Entschädigung der Landwirte entschädigt?

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

Was dem Bankster seine Hilfsmilliarden sind dem Bauer seine EHEC Millionen.

Mit nur einem kleinen Unterschiede die Bankster haben sich die Suppe selber eingebrockt, bei den Landwirten steht die Feststellung des "Übeltäters" noch nicht fest.

Man sieht selbst verschuldetes Unglück wird weitaus besser "bezahlt" als womöglich fremdverschuldetes.

Und bein den Milliarden der Rettungsschirme ist das auch durchgängig zu "bewundern"...

Wer mal wieder fein raus ist sind unter anderem das RKI was ja ganz klar für die Schäden der Spanier verantwortlich ist. Aber die müssen ja nicht bezahlen. Warum eigentlich nicht?

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