Dr. Sommer für Grundschüler

Wussten Sie mit acht Jahren, wie man ein Kondom benutzt? Nein? Sie Glücklicher. Noch in der guten alten Zeit groß geworden, als noch nicht alles tot geredet war, bevor es das erste Mal passiert war?  Inzwischen mutet man in Deutschland Grundschülern zu, sich über verschiedene Verhütungsmethoden zu informieren. Zwischen Barbiepuppen, HotWheels-Autos und Fußballtauschkarten besteht offenbar dringender Handlungsbedarf, Grundschüler über verschiedene Sexualpraktiken zu informieren. Quasi als staatlicher Bildungsauftrag. Wieso eigentlich?

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Für manche ist es wie ein Erweckungsruf. Sex! Wow! Eine Mutter aus der Klasse meiner Tochter berichtet mir flüsternd beim Elternabend von ihrem Sohn, der kein anderes Thema mehr kennt, seit in der Grundschule, vierte Klasse, Sexualkunde auf dem Lehrplan steht. Da werden plötzlich Fragen gestellt, die einem Schamesröte ins Gesicht schießen lässt und Fragen, die so manche Eltern überfordern – Was aber wesentlich ist: Fragen, die es vorher nicht gab. Ein Thema, das den Kids vorher noch gar nicht in den Sinn kam und: Das war auch gut so.

Ich habe vier Kinder, ein Kind ist schon durch den Sexualkundeunterricht, der Nächste steht kommendes Schuljahr an und auf der katholischen Grundschule, die unsere Kinder besuchen, nähert man sich dem Thema durchaus vorsichtig und sanft. Dies ist aber nicht Standard und schon gar nicht einheitlich in den Schulen von NRW. Tatsächlich gibt es Richtlinien, aber keine klaren Vorgaben. Wenn man es genau nimmt, ist der gesetzliche Rahmen so weit gesteckt, dass es im Ermessen jedes einzelnen Lehrers steht – nicht einmal einheitlich für jede Schule – was und wie und mit welchem Lehrmaterial der Sexualkundeunterricht gestaltet wird. Sprich: Man muss halt Glück haben als Eltern oder es eben hinnehmen.

Es gibt auch Eltern, die es nicht hinnehmen. Wie diejenigen aus Salzkotten, die das kürzlich mit mehrtägigen Haftstrafen büßen mussten – wohlgemerkt Mütter, die einfach nur selbst die Sexualerziehung ihrer 8- bis 9-jährigen Kinder übernehmen und dies nicht der Schule überlassen wollten. Verantwortungsvolle Mütter. Sie waren tatsächlich im Bau. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit, fragt man sich? 

Würde ja gerne mal davon lesen, dass Eltern in Haft genommen werden, die ihre notorisch schulschwänzenden Kinder nicht in die Schule schicken. Oder von dem muslimischen Vater, der seine Tochter vom Schwimmunterricht fernhält. Hab ich aber noch nirgendwo gelesen. Ist ja auch noch nicht vorgekommen. Nur bei christlich motivierten Familien greift die volle Härte des Gesetzes durch.

Wobei, darum geht es eigentlich nicht: Die Frage ist nicht, wollen wir noch mehr Eltern in Haft bringen, die Sinn und Unsinn von Unterrichtsinhalten in Frage stellen oder wollen wir den Elternwillen in Erziehungsfragen nicht endlich ernst nehmen. Warum muss ich dulden, dass mein Kind mit Themen konfrontiert wird, die ich nicht altersgerecht finde. Es geht ja nicht um Lesen, Schreiben oder Rechnen. Es geht um Sex, Intimität, Fortpflanzung – oder auch nicht, sprich Verhütung, oder gar Abtreibung. Sind das Themen für Grundschüler? Es ist manchmal nicht mal Thema für Erwachsene.

Kommen wir zurück zum Elternabend. Die Lehrerin erzählt, wir haben jetzt Sexualkunde. Ein Vater fragt süffisant: Worüber sprechen sie denn mit den Kindern? Die Lehrerin: Über alles. Verklemmtes Lachen. Wollen Sie im Kreise der anderen Eltern über ihr tatsächliches, mögliches oder gewünschtes Sexualleben sprechen? Nein? Ich auch nicht. Warum sollen kleine Kinder dies also gerne tun?

Oh ja, es gibt Kinder in dem Alter, die sich sehr intensiv mit Sex beschäftigen. Ich empfehle dazu jedem die Lektüre des Buches „Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist“ geschrieben von dem „Arche“-Gründer Bernd Siggelkow aus Berlin. Ein drastisches Buch. Er schildert anhand von echten Fallbeispielen aus seinem Alltagsleben, wie Kinder sich benehmen, wenn sie zu früh mit dem Thema Sex in Berührung kommen. Wenn sie ihre Eltern, wenn es denn wenigstens die Eltern und nicht wechselnde Bekanntschaften von Mutter/Vater sind, zwangsweise mit ansehen müssen. Weil es den Eltern egal ist, ob und was die Kinder mitbekommen. Wenn nachmittags nicht Talkshows sondern Pornos als Rahmenprogramm im Fernsehen laufen. Da haben wir dann Siebenjährige, die versuchen, ihre Freundinnen auf dem Spielplatz zu bedrängen. Sie wissen nicht was sie tun, sie ahmen aber nach. Sie wissen nicht was es soll, aber irgendwie ist es interessant.

Die Gretchenfrage ist also: Brauchen die Kinder Sexualkundeunterricht schon als Grundschüler, weil Handlungsbedarf da ist oder schaffen wir nicht selbst erst den Handlungsbedarf, indem wir eine zu frühe Sexualisierung der Kinder vorantreiben in unserer Gesellschaft, ihnen sexuelle Themen zumuten und uns dann entsprechend nicht wundern dürfen, wenn sie (zu) früh über Sex nachdenken oder es gar ausprobieren wollen. Huhn oder Ei, was war zuerst da? Irgendwie passt es ja schon in das allgemeine Konzept, Kinder nicht mehr als Kinder, sondern als „kleine Erwachsene“ zu behandeln. Man darf den großen Kontext durchaus nicht aus den Augen verlieren. Wenn auf UN-Ebene weltweit für die „Sexuellen Rechte von Kindern und Jugendlichen“ auch mit unseren Steuergeldern gekämpft wird. Bin nicht ganz sicher wem das nützt oder er sich was davon verspricht.

Ich will nicht, dass mein Neunjähriger lernt, Kondome über Bananen zu ziehen. Er wäre mit dem Thema überfordert. Das sage ich als seine Mutter, weil ich ihn besser kenne, als seine Lehrer oder die Gralshüter im Schulministerium. Gerade das Alter um die acht-neun Jahre. Wenn Kinder erstmals ihre Schamgrenze entdecken. Wenn die Badezimmertür sich plötzlich schließt. Mädchen finden im Lebensraum meines Sohnes in Form von unvermeidlichen, dennoch liebgewonnen Schwestern statt und sonst nicht. Mädchen können nicht Fußball spielen und damit ist das Thema für meinen Neunjährigen abschließend behandelt. Warum zwingen wir ihn also, sich mit Dingen zu beschäftigen, die ihn noch nicht einmal ansatzweise interessieren? Er wird nicht aus Versehen eine Klassenkameradin schwängern, weil er kein Kondom benutzt hat. Er wird gar nicht erst mit ihr sprechen. Bis auf Bianca, die kann nämlich Fußball spielen. Also lasst ihn doch in Ruhe mit diesen Themen, bis – ja bis er eigenständig anfängt, sich dafür zu interessieren. Dann ja. Dann muss man mit ihm sprechen und selbst da stellt sich die Frage: Muss dies die Schule, oder sollten dies nicht besser die Eltern sein.

Hier kommen wir leider auch zu einem Knackpunkt: Es gibt genug Eltern, die liebend gerne die Verantwortung für die Aufklärung ihrer Kinder an die Schule abgeben. Weil es ihnen peinlich ist, weil sie froh sind, dass sie es nicht selbst machen müssen. Dem muss man ins Auge sehen und deswegen ist es in Ordnung, wenn irgendwann auf der weiterführenden Schule darüber geredet wird. Es ist aber kein Argument dafür, alle Kinder mit Sexualkunde schon in der Grundschule zu beglücken. Und wenn Eltern der Meinung sind, dies sei für ihre Kinder noch zu früh, dann müssen sie das Recht haben, ihre Kinder davon frei zu stellen, ohne dafür in letzter Konsequenz im Gefängnis zu landen.

ursprünglich erschienen auf: frau2000plus.net

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Franz Josef Neffe

SCHULE haben wir zum Gegenteil von dem gemacht, was das Wort bedeutet. Gleiches gilt für den Lehrer und das Lernen, die Pädagogik, das Gymnasium und so ziemlich alles, was mit "schule" zu tun hat. Und das interessiert keinen.
Als Ich-kann-Schule-Lehrer sehe ich nicht nur in puncto Sexualität statt ERZIEHUNG schlicht ERDRÜCKUNG. Diese Du-musst-Schule verwechselt ständig Sog und Druck und merkt überhaupt nichts. Ein lebensgefährlicher Zustand.
Es ist ein FREVEL, dass wir keinen Respekt vor den SOG-Kräften haben, dass wir nicht erwarten und achten können, bis etwas für Kinder interessant = so wird, dass sie von sich aus dabeisein wollen. Wenn wir alles mit Druck plattwalzen verwüsten wir unser Leben.
Ich grüße freundlich.
Franz Josef Neffe

Gravatar: geht dich nichts an

ich war schon mit 8 neugierig auf sex, und meiner meinung nach sollte sich auch grade bei sex die aufklärung nicht an den spätzündern orientieren, also ich will nicht das meine tochter mit 13 schwanger wird. kinder reden nun mal nicht über alles mit ihren ALTEN "un-coolen" eltern (gewöhnt euch dran - wenn ihr eltern seid, egal wie alt, ihr seid jetzt die ALTEN).
ausserdem liegen die probleme im bildungssystem auf einer ganz anderen ebene...ausrichtung auf leistung und nicht auf talent und neigung.
seht doch wie man den leuten überall sand in die augen streut!!!
lasst den sandmann nicht in euer haus.

Gravatar: Mutter

Ich selbst hatte als Kind eine Freundin deren Vater auf dem Fernsehntisch wächselde Pornoheftchen täglich liegen hatte,sie hatte schon sehr früh sex,ich glaube schon ab der Grundschule, mit verschiedenen Partner,sie wurde nicht mal mehr als Mensch angesehen,also es verdirbt nicht nur Jungs sondern auch Mädchen.Wahrscheinlich denken Mädchen das Sex Liebe wäre also müssen sie das tun um geliebt zu werden.Unsere Kinder werden schon früh verdorben durch unsere tolle Politik,überall wo man hinsieht sind Obszöne gestiken.Mann=stark,männlich,Frau=objekt der Begierde

Gravatar: Sandra

@Rembrand: Nein, Eltern, die sich aus der Verantwortung stehlen sind verantwortungslos. Das Problem ist doch nicht die blumige Formulierung des Schulgesetztes, sondern die praktische Ausgestaltung. Fehlt nur noch die Erwähnung des Weltfriedens als Unterrichtsziel.
Und die altersgerechte Ausgestaltung. Was ist denn altersgerecht. darüber lässt sich trefflich streiten und genau da beginnt dann eben das Problem. Dass Neunjährige lernen mit Kondomen umzugehen ist nicht altersgerecht. Ist aber vom Gesetz voll und ganz gedeckt.
Ich möchte auch nicht mit meiner 10-jährigen über Abtreibung sprechen. Die Frage kam tatsächlich auf. Weil sie Sexualkunde hatte und ich schwanger war gleichzeitig. Sie konnte nicht verstehen, dass es möglich ist und tatsächlich Menschen gibt, die ihr Baby umbringen wollen. Wir freuten uns auf das Baby. Wie erkläre ich also einer 10-Jährigen, dass Babys umbringen irgendwie ok ist? Wenn denn in der Schule wenigstens gelehrt würde, dass Abtreibung strafrechtlich verboten ist. Aber nein, wir sollen auch da als Eltern hinnehmen, dass dies in manchen Bundesländern als quasi nachträgliche Verhütung akzeptiert wird. Ist es nicht. Es ist immer noch ein Tötungsdelikt, das wir leider auch noch mit unser aller Krankenkassenbeiträgen bezahlen. Aber auch hier: Liegt noch als Lehrinhalt voll im gesetzlichen Rahmen des Schulgesetzes. Verantwortung? Hallo? Wo denn?

Gravatar: Christiane W.

Daß die NRW-Schulministerin Frau Sommer heißt, ist natürlich reiner Zufall, oder??

Gravatar: Rembrand

Eltern die ihre Kinder nicht vom Sexualkundeunterricht befreien wollen sind also Eltern, die nicht verantwortungsvoll handeln!

Grundsätze der Sexualerziehung sind in § 33 Schulgesetz geregelt. Dort ist ausgeführt, dass es legitimes Ziel ist, Schülerinnen und Schüler alters- und entwicklungsgemäß mit den biologischen, ethischen, sozialen und kulturellen Fragen der Sexualität vertraut zu machen und ihnen zu helfen, ihr Leben bewusst und in freier Entscheidung und
Verantwortung sich und anderen gegenüber zu gestalten.
Sexualunterricht soll junge Menschen unterstützen, in Fragen der Sexualität eigene Wertvorstellungen zu entwickeln und sie zu einem selbstbestimmten und
selbstbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität zu befähigen. Darüber hinaus
sollen die Schülerinnen und Schüler duch für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Partnerin oder dem Partner sensibilisiert und auf ihre gleichberechtigte Rolle in Ehe, Familie und anderen Partnerschaften vorbereitet werden. Die Sexualerziehung dient auch der Förderung der Akzeptanz unter allen Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität und die damit verbundenen Beziehungen und Lebensweisen.

Das ist also verantwortungslos?

Gravatar: Friedemann

Sehr gut geschrieben, Frau Kelle, Sie haben mit einfachen verständlichen Worten und anschaulichen Beispielen das Problem verdeutlicht.

Gravatar: Sandra

was mich ja am meisten wundert, ist die Gleichgültigkeit, mit der viele Eltern so hinnehmen, was in den Schulen unterrichtet wird. Die wenigsten interessieren sich für den Inhalt des Unterrichts und kaum einer greift ein. Und dann wundert man sich anschließend, wo das ein oder andere Kind plötzlich so seine Ideen her hat.......

Gravatar: Frank

Den Kommentar kann ich nur unterstützen.Ich habe mit meinen Kindern in NRW dieselben Erfahrungen gemacht.Es ist ein Verbrechen, was hier im staatlichen Auftrag geschieht.

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