Doppeltagebuch 1990/2010 - 1.-7. Februar

Bundeskanzlerin Merkel verkündet, dass die Bundesregierung illegal beschaffte Daten über mutmaßliche Steuerhinterzieher mit Konten in der Schweiz ankaufen wird. Damit macht sie den Staat zum Hehler.

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1.2. Ministerpräsident Hans Modrow schlägt eine Konförderation beider deutscher Staaten vor. Dabei will er militärische Neutralität wahren. Die zahlreichen Demonstranten, die nach wie vor die Straßen und Plätze der DDR bevölkern, wollen von diesem Vorschlag nichts wissen. Sie fordern die deutsche Einheit.
2.2. SED-PDS-Chef Gregor Gysi reist nach Moskau, um bei Gorbatschow über die neuesten Ereignisse Bericht zu erstatten und die Hilfe des sowjetischen Parteichefs bei den kommenden Wahlen zu erbitten. Dabei legt Gysi ausführlich die Gründung neuer Parteibetriebe zur Rettung des Parteivermögens dar.
3.2. Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Erstmals nimmt ein DDR-Staatschef an diesem Treffen teil. Modrow nutzt die Gelegenheit, sich mit Helmut Kohl zu treffen und neue Forderungen nach einem Milliardenkredit für die DDR zu stellen. Wieder trifft er auf taube Ohren.
4.3. Die FDP konstituiert sich in der DDR. Besonders in Halle, der Geburtsstadt des beliebten Außenministers Genscher, hat die Partei viele Sympathisanten, auch wenn sie sich hauptsächlich aus Mitgliedern der ehemaligen liberalen Blockparteien rekrutiert.
5.2. Die SPD der DDR verlässt das am 3. Januar gegründete Oppositionsbündnis für die kommenden Wahlen. In den Umfragen wird den Sozialdemokraten eine absolute Mehrheit vorhergesagt. Der Parteivorsitzende Oskar Lafontaine beschließt, die Volkskammerwahl zu einer Vorentscheidung für die Bundestagswahl im Dezember zu machen. Er verordnet der SPD der DDR massive Wahlhilfe. Ab sofort überschwemmen die Westgenossen die DDR. Die Reaktion der übrigen Oppositionsgruppen ist hilflos bis naiv. Am Runden Tisch stellt Gerd Poppe für die Initiative für Frieden und Menschenrechte den Antrag, alle Parteien sollten erklären, „bei allen öffentlichen Veranstaltungen bis zum 18. März 1990 auf Gastredner aus der Bundesrepublik und Westberlin zu verzichten“. Spätestens die eifrige Unterstützung der SED-PDS für diesen Antrag hätte die Oppositionsgruppen nachdenklich werden lassen müssen. Die milliardenschwere Partei ist nicht auf Unterstützung aus dem Westen angewiesen. Mit den Stimmen der SED und anderer Blockparteien wird das Redner-Verbot beschlossen. Es stellt sich alsbald heraus, dass sich weder die SPD noch andere Parteien daran halten. Eine andere massive Beeinflussung des Wahlausgangs durch die Helfershelfer der SED am Runden Tisch konnte ich als Mitglied der Verfassungskommission verhindern. Es war auf Vorschlag einiger „juristischer Berater“ von der Sektion Rechtswissenschaften der Humboldt-Universität am Runden Tisch eine 5-Prozent-Klausel beschlossen worden. Allerdings sollte dieser Beschluss noch einmal der Verfassungskommission vorgelegt werden. Hier gelang es mir, eine Mehrheit gegen diesen Beschluss zu bilden. Nach Vorgabe der Verfassungskommission würde es keine Prozenthürde bei der ersten freien Volkskammerwahl geben. Zum Glück. Außer der SPD kam keine der Neuparteien nur annähernd auf 5 Prozent. Mit dieser Klausel wären nur SPD, SED und Altparteien in die Volkskammer eingezogen.
In der Volkskammer werden die acht Vertreter der Oppositionsparteien zu Ministern ohne Geschäftsbereich gemacht. Damit ist die „Regierung der nationalen Verantwortung“ gebildet.
6.2. Bundesaußenminister Genscher bekräftigt gegenüber Polen die Unverletzlichkeit der Westgrenze.
7.2. Die Demonstrationen in der DDR zeigen Wirkung in Bonn: die Bundesregierung beschließt die Einsetzung eines Kabinettsausschusses „Deutsche Einheit“ für Verhandlungen mit der DDR über eine Wirtschafts-, und Währungsunion.

Bundeskanzlerin Merkel verkündet, dass die Bundesregierung illegal beschaffte Daten über mutmaßliche Steuerhinterzieher mit Konten in der Schweiz ankaufen wird. Damit macht sie den Staat zum Hehler. Hehlerei ist strafbar, auch wenn sie aus vermeintlich guten Gründen erfolgt. Am Ende wird der Staat ein paar Millionen Euro mehr in der Kasse haben, aber der Rechtsstaat wird schwer beschädigt sein. Für die Jagd nach mehr Steuereinnahmen scheint inzwischen jedes Mittel recht zu sein. Auf der anderen Seite verbrennen dieselben Leute unbedenklich Steuergelder, um mit Subventionen „Wirtschaftspolitik“ zu machen. Wenn das Verschwenden von Steuergeldern unter Strafe stünde, wie Steuerhinterziehung, hätten wir bald einen ausgeglichenen Haushalt –ganz legal.

 

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