Diese Wende in Südtirol ist erst der Anfang

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Es ist ein erfreuliches Zeichen der Vitalität der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler: Der Stimmenanteil, der bei der dortigen Landtagswahl für italienische Parteien abgegeben wurde, ging deutlich zurück. Dennoch hat die Südtiroler Landtagswahl zugleich der lange absolut regierenden Südtiroler Volkspartei eine Schlappe gebracht - die mehr bedeutet als etliche Prozent weniger.

Die SVP  hat nicht nur neuerlich verloren, sondern sie verfügt erstmals seit Kriegsende bloß über eine relative Mehrheit (freilich noch immer über eine sehr deutliche). Die großen Dazugewinner sind jene Südtiroler Parteien, die sich in der einen oder anderen Form für die Lostrennung von Italien ausgesprochen haben.

Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass eine lange Zeit regierende Partei zunehmend an Stimmen verliert. Noch viel logischer ist das, wenn diese Partei auch erstmals in etliche Korruptionsgerüche gekommen ist. Irgendwie erinnert das Südtiroler Wahlergebnis an Österreich, wo ja auch die einst große Koalition ständig an Stimmen verliert. Die schleichende Linksbewegung der SVP hat in den letzten Jahrzehnten rechts von ihr jede Menge Platz geschaffen (während die einstigen Linksgruppierungen der deutschen und ladinischen Volksgruppe allesamt sanft entschlafen sind). Ähnliches hat ja sich ja auch bei der ÖVP abgespielt.

Jetzt muss die SVP halt mit der italienischen Linkspartei koalieren – was sie freiwillig aber ohnedies seit langem tut. Und sie wird das wohl auch in Zukunft so tun, solange dieses Bündnis noch eine Mehrheit im Landtag findet. Die deutschsprachige Opposition wird hingegen links liegengelassen.

Dennoch sollte man das Südtiroler Ergebnis über diese relativ normalen Aspekte hinaus sehr ernst nehmen. Denn es bedeutet auch inhaltlich Gravierendes und für alle beteiligten Regierungen Überraschendes: Der Ruf nach Ausübung des Selbstbestimmungsrechts wird lauter. Dieser Ruf war seit den 60er Jahren in Südtirol noch nie so deutlich zu hören wie jetzt.

Dieses Selbstbestimmungsrecht ist zwar einst in Bozen wie Wien ohnedies formell als unverzichtbar deklariert worden. Es wurde auch seither nie darauf verzichtet. Aber irgendwie ist die Selbstbestimmung da wie dort bei einer neuen Politikergeneration in Vergessenheit geraten. Und langsam zum Unwort geworden.

Jetzt ist guter Rat teuer. Der fast völlige Verzicht Österreichs auf eine Südtirolpolitik (und Expertise) macht sich bitter bemerkbar. Nicht nur das peinliche Herumgerede des in Sachen Südtirol offenbar völlig ahnungslosen Werner Faymann fällt da schmerzlich auf. Auch das Außenministerium hat seine einst brillante Südtirolkompetenz fast völlig verloren. Und selbst die österreichischen Freiheitlichen sind bei diesem Prinzip wenig glaubwürdig, wenn sie zwar für Südtirols Selbstbestimmung eintreten, aber zugleich den in einer ähnlichen Lage befindlichen Tibetanern dasselbe Recht vehement absprechen. Oder wenn sie mit Mussolinis Enkelin im EU-Parlament eine gemeinsame Fraktion bilden woll(t)en. Und die anderen Wiener Parteien wissen wohl nicht einmal, wo Südtirol liegt.

Seit etlichen Jahren wird daher mancherorts so getan, als ob die Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht irgendetwas Böses wäre. Dabei war es viele Jahre parteiübergreifend für das ganze Wiener Parlament eines der heiligsten politischen Güter, und für die Südtiroler sowieso.

Natürlich ist es kein Zufall, dass der Ruf nach einer Umsetzung dieses Rechts genau zu dem Zeitpunkt wieder lauter wird, da der italienische Staat im politischen, ökonomischen, sozialen und Schulden-Chaos zu ersticken droht. Lange ging es den Südtirolern in Italien ja ziemlich gut. Jetzt hingegen geht es ihnen dort wirtschaftlich zunehmend schlechter.

Das macht den Selbstbestimmungsruf zwar nicht sonderlich ehrenvoll, aber umso wirksamer. Daher wird auch die Südtiroler Volkspartei als einstige Kampfpartei für die Selbstbestimmung, die jetzt satt geworden auf diesen Anspruch verzichtet hat, gut daran tun, die wachsende Unzufriedenheit der Bürger mit der erzwungenen Zugehörigkeit zu Italien wieder ernster zu nehmen.

Beitrag erschien zuerst auf: andereas-unterberger.at

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