Die Verzweiflung der Kabarettisten

Eine kurze Analyse von Kabarettprogrammen der letzten 3 Monate.

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Die Kabarettisten hatten wieder, in je eigenen Sendungen, ihre großen Auftritte. Nach aufmerksamem Verfolgen der Auftritte der üblichen Verdächtigen, der Priol, Nuhr und Co. zum Jahresende 2011 und zur Fastnacht fiel mir eine Neuigkeit auf: Nie zuvor wurde meines Wissens so oft der Tod von oder der Mord an Politikern und Finanzgrößen evoziert wie heute. Ob Satire das darf oder nicht, will ich hier gar nicht erörtern.

Die Kabarettisten riefen quasi zum gewaltsamen Widerstand, zum Aufstand auf, ja sie bettelten um ein wenig Renitenz. Wenn doch irgendetwas geschähe! Wenn doch wenigstens der vielbeschworene mündige Verbraucher (den es nicht gibt) den Konzernen ein Schnäppchen schlüge. Aber niemand geht hin. Die Wutbürger verfehlen ein lohnendes Ziel, denn - um Gottes Willen - ein Bahnhof kann es nicht sein. Die Politikerklasse schlägt sich angesichts dieses gelungenen Ablenkungsmanövers auf die Schenkel vor Freude. Deutschland hat drängendere Probleme. Aber die Calmierung ist perfekt.

Wie ein klebriger Belag legt sich eine zombiehafte Lethargie über Land und Leute, wie eine Zwangsjacke wirken die Sedativa des Fernsehens und des Konsums. Physische Kräfte haben die Leute dennoch. Die angestaute Aggression entlädt sich in trost- und hirnloser Sportlichkeit, in blinder, sinnloser Prügelei und Vandalismus. Schon lange nicht wurde an Sylvester so lange geballert. Aber es gibt keine Richtung für politische Energien. Wenn Priol den Durchschnittsbürger karikiert, wie dieser immer noch glaubt, "die da oben" würden es schon richten, dann klatschen die Zuhörer Beifall, als wären nicht sie gemeint. Oder sollte die Selbstverachtung schon so weit fortgeschritten sein?

Worauf könnte das alles deuten? Auf den Narkoseschlaf des gerechten deutschen Michels (so die Mehrheit des Volkes, dessen Geld gerade verschleudert wird). Denn eigentlich, so wird uns pausenlos suggeriert, geht es uns doch gut. Und relativ gesehen stimmt das sogar.

Man könnte sagen, wenn schon Sex und Geschmacklosigkeiten gang und gäbe sind im deutschen Fernsehen, müsse man sich über Aufforderungen zu Mord und Totschlag nicht wundern. Es würden halt alle Tabus ausgelotet. Aber aus den Bemühungen des Kabaretts spricht dieselbe schon erwähnte blinde Aggression, die sich anders nicht mehr zu helfen weiß, aus purer Verzweiflung.

Alles hängt jetzt davon ab, ob diese Verzweiflung der Kabarettisten eine prophetische ist oder nur eine von abgehalfterten Spinnern, die die neue Zeit nicht verstehen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Crono

@"Wie eine Zwangsjacke". ..

So ist es, Herr A.F.K.

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