Die Teilung Syriens - eine Lösung?

Die Zerlegung von Großreichen in historisch gewachsene Einheiten war immer schon ein Friedensrezept.

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1947 wurde das Kaiserreich Indien vor der Entlassung in die Unabhängigkeit vom weisen Vizekönig Louis Mountbatten in das hinduistische Indien und das moslemische Pakistan zerlegt. Die Teilung des indischen Subkontinients wurde uns Schülern im Geschichtsunterricht als neokolonialistisches Schurkenstück dargestellt. Als Illustration des „Teile und Herrsche“. Nun ja, unseren verbohrten Lehrern haben wir vor 50 Jahren nicht wirklich alles geglaubt. Wie segensreich diese Teilung Indiens wirklich war, sieht man vor der heutigen weltweiten Terrorkulisse im ganzen Ausmaß.

Unter umgekehrten Vorzeichen verlief die Entlassung Syriens in die Unabhängigkeit. Bereits unter osmanischer Herrschaft war das heutige Syrien in verschiedene Provinzen eingeteilt, um die religiösen Streithähne auseinanderzuhalten. Das Alawitengebiet gehörte zur Küstenprovinz Beirut, das sunnitische Hinterland zu den Provinzen Aleppo und Syrien.

Ab 1919 übernahmen die Franzosen die Verwaltung als Völkerbundmandat. Die Provinz Aleppo wurde der Staat Aleppo, aus der Provinz Syrien wurde der Staat Damaskus, die Provinz Beirut wurde in den Staat Großlibanon und den Alawitenstaat geteilt und das Drusengebiet wurde ein separater Staat im Süden. Leider kam 1936 in Frankreich die Volksfront aus Sozialisten und Kommunisten an die Macht. Noch im selben Jahr wurde die Unabhängigkeit Syriens beschlossen und die verschiedenen oben genannten Staaten außer dem Libanon zu einem fragilen und religiös heterogenen Gebilde zusammengelegt, welches sich dann Syrien nannte. Sozialisten und Kommunisten gingen eben vom Absterben der Religion aus. Alte gewachsene Kulturlandschaften interessierten sie nicht, da sie ihren Verstand auf dem Altar der Diktatur des Weltproletariats opferten.

Zunächst machte das nicht viel aus, weil nach 1940 zunächst auch in Arabien nationalsozialistische Ideen vorherrschten und die Religion tatsächlich eine nachgeordnete Rolle spielte. Die Reislamisierung nahm ab den 70er Jahren Fahrt auf und nun brachen alle religiösen und kulturellen Wunden wieder auf, die die Osmanen und Franzosen während ihrer Oberherrschaft notdürftig verarztet hatten.

Den an der Küste wohnenden schiitischen Alawiten war bereits in der Mamlukenzeit nach 1260 die Zugehörigkeit zum Isam abgesprochen worden. Sie wurden den anderen nicht-muslimischen Minderheiten wie Christen und Juden gleichgestellt und mussten wie sie gedemütigt die Dschizya, die entehrende Kopfsteuer entrichten.

Nach der Unabhängigkeit gelang es den Alawiten über eine Reihe von Militärputschen eine führende Stellung in Syrien zu erobern. Die uralten Konflikte zwischen Alawiten (der herrschende Assad-Clan gehört zu dieser Glaubensrichtung) und den Sunniten wurden dadurch nicht beigelegt. Bereits in den 1980er Jahren forderten Vertreter der sunnitischen syrischen Opposition auf Grundlage eines uralten religiösen Gutachtens von Ibn Taimīya (er lebte von 1263 bis 1328) die Tötung der Alawiten.

Diese sunnitische „Opposition“ wurde insbesondere von Barack Obama und Nikolas Sarkozy, aber auch von der Lügenpresse im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ unterstützt, um den Diktator Assad wegzuputzen. Kein Wunder, daß daraus ein verbissener Bürgerkrieg entstanden ist, denn es geht für alle nichtsunnitischen Einwohner, die letztlich Minderheiten angehören, um Leben und Tod.

Das syrische Problem ist „leicht“ zu lösen, wenn die alten religiös und kulturell geprägten Landschaften als Staaten wieder hergestellt werden. Zusätzlich wären noch ein Kurdenstaat und ein Christenstaat zweckmäßig. Insbesondere Alawiten und Sunniten lebten schon immer wie Hund und Katze, nach dem vergossenen Blut der letzten Jahre ist eine Versöhnung ausgeschlossen. Die Zerlegung von Großreichen in historisch gewachsene Einheiten war immer schon ein Friedensrezept. Der Zerfall Jugoslawiens und des moskowitischen Imperiums sind Beispiele für die erfolgreiche Wiederherstellung gewachsener kultureller Strukturen als Staaten. Warum soll das in Syrien nicht funktionieren?

Unseren Idealisten erschließt sich diese Logik nicht. Sie arbeiten weiter an potemkinschen Multikultidörfern, in denen alle friedlich ihren Namen tanzen. Syrien soll ebenso wie der Irak ohne Rücksicht auf das Leiden der Einwohner um jeden Preis als Staat erhalten werden. Das kann man aus folgendem unrealistischen Wunsch ableiten: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass sich die syrische Armee, die Freie Syrische Armee und moderate Milizen-Gruppen im Drei-Fronten-Krieg verschleißen, statt gemeinsam gegen den IS zu kämpfen. Wir müssen jetzt alle zusammenbringen, die gegen den IS sind", sagte der SPD-Außenpolitiker Frank-Walter Steinmeier der "Bild am Sonntag".

Welche Naivität! Der außenpolitische Praktikant Steinmeier sollte in einer ruhigen Minute „DIE ZEIT“ vom 4. September 1958 aufschlagen und folgende Anekdote zur Kenntnis nehmen: Am Nil bittet ein Skorpion einen Frosch: „Setz mich ans andere Ufer über; ich habe da zu tun.“ Der Frosch aber ist vorsichtig: „Ich fürchte, du würdest mich stechen, und ich müßte sterben – mitten im Strom.“ – „Wie falsch gedacht: Vergiß nicht, daß ich, wenn ich dich stäche, selbst sterben müßte.“ Da willigte der Frosch ein. Mitten im Strom stach der Skorpion den Frosch. Dieser sprach, ehe er mitsamt seinem Passagier versank: „Aber das ist doch unlogisch!“ – „Unlogisch?“ erwiderte der Skorpion, „Vergiß nicht, wir sind im Nahen Osten!“

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.Roth

"Der Frosch und der Skorpien" ist eine alte persische Fabel. Danke, dass Sie sie hier zitieren. Ich habe auch einmal versucht, darauf aufmerksam zu machen. Diese Fabel verdeutlicht sehr gut die Denkweise der islamischen Welt, die dem rationalistisch geprägten Abendländer fremd ist.

Ebenso freue ich mich über die gute historische Analyse der Situation im Nahen Osten und die sinnvollen Lösungsansätze.

Das Problem ist nur, WER diese Teilung durchführen kann. Unsere westliche Welt ist von einem zu großen Maß an Antikolonialismus durchdrungen, als daß sie einmal den Mut hätte, zum Vorteil aller "aufzuräumen".

Und noch was: Teilen macht Freude! :-) Meinetwegen auch in hundert kleine, unbedeutende Staaten, in denen nichts weiter, als die Agrarwirtschaft gefördert wird. Die Schwerter (und Panzer) müssen zu Pflugscharen (und Traktoren) umgeschmiedet werden, und die Männer auf den Getreidefeldern, statt auf den Kampffeldern ihre Tüchtigkeit beweisen.

Gravatar: Gernot Radtke

„Die Zerlegung von Großreichen in historisch gewachsene Einheiten war immer schon ein Friedensrezept.“ – Sehr richtig! In Brüssel betreibt dagegen ein totalitärer Bürokratismus, gestützt von Utopisten aller Art, gerade das Gegenteil von Friedenssicherung, wenn er den europäischen Einheitsstaat auch gegen den Willen der Bürger vorantreibt. Bei bald mehr als 30 Staaten mit vielfach eigener Kultur und Geschichte könnte dieses europäische Staatsmonstrum nur durch eine eiserne Klammer zusammengehalten werden mit einem Deutschland, das dieses Monstrum sozial rundumversorgt. Die ‚überzeugten Europäer‘ sind, soweit sie aus Deutschland kommen, wahrhaftige und gefährliche Anti-Patrioten, die, ob Griechenlandrettung oder ‚Flüchtlings‘-Rettung, Deutschland als kulturelle und wirtschaftliche Einheit unter dem Jubel von Rotgrün in den zivilisatorischen Abgrund stürzen werden. Die Briten, kluge und selbstbewußte Pragmatiker, scheinen sich an der europäischen Hirnkrankheit nicht mehr länger beteiligen zu wollen. Möge von ihnen die Rettung den Anfang nehmen!

Gravatar: FDominicus

Habe ich für die Krim auch vorgeschlagen. Wie man sieht, sehen das unsere westlichen Politiker durchaus anders.

Gravatar: Bakelari

Das ist mal ein einleuchtend guter Vorschlag. Danke

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