Die Talk-Rezension (Folge 4): Maybritt Illner, 27. Juni

Es hätte spannend werden können bei Maybritt Illners Thema im ZDF am Donnerstag, den 27. Juni. „Merkels teure Wahlversprechen, wie viel Wahrheit will der Wähler“.

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Nach 65 Minuten aber war der Zuschauer wieder voll gedröhnt mit leeren Wahlkampfparolen und einigen wenigen erhellenden Sätzen des Kollegen Gabor Steingart, dem Mitherausgeber des Handelsblattes. Bei einem Schulaufsatz im Deutschunterricht hätte der Lehrer geurteilt: „Thema verfehlt!“

Ziemlich am Ende der Sendung erklärte Gabor Steingart den Mechanismus, der die Parteien dazu verführt, mit unerfüllbaren Versprechungen ihre Wähler zu verführen. Er sprach von der unheiligen Allianz, die die Regierungen mit den Banken eingegangen sind: Tagsüber schimpfen sie auf die gierigen Banken und nachts holen sie sich von denselben Banken den Nachschub, mit dem sie ihre Geschenke finanzieren. Das ist eine „Bastard-Ökonomie“.

Der Staat rettet, die Banken, die Banken retten den Staat und dafür erhalten die Banken eine politische Sonderstellung die da heißt: Systemrelevanz. Gabors Fazit: das ist „Sozialismus für Reiche.“

Das wäre eine Grundlage gewesen, in einer Sendung an Hand von Beispielen diese verhängnisvolle Symbiose bloß zu stellen. Aber wahrscheinlich geht das nur in einer journalistisch aufbereiteten Reportage und nicht in einer Diskussionsrunde, in der genau solche Platitüden verbreitet werden, wie in Wahlkampfreden.

In einem Moment der Einsicht bestätigte der SPD Vorsitzende Siegmar Gabriel diesen Mechanismus. Er sprach von dem Gift der Finanzierung durch Staatsverschuldung. Das sei unpolitisch, weil die Parteien sich nicht für oder gegen etwas entscheiden würden, sondern sich von den Banken das Geld holen, um ihre politischen Vorstellungen zu finanzieren. Und dann sagte er noch: „Wir werden diesen Schritt nicht weitergehen.“

Oh je Siegmar: Der SPD geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat das zuständige Landesverfassungsgericht mehrfach bescheinigt, dass der Landeshaushalt gegen die Verfassung verstößt, weil er eine zu hohe Neuverschuldung aufweist. Das lies Maybritt Illner unkommentiert durchgehen. Später versucht Julia Klöckner, die stellvertretende CDU-Vorsitzende auf diesen Widerspruch aufmerksam zu machen. Aber das ging im allgemeinen Palaver unter.

Die Sendung hat nicht nur ihr Thema verfehlt, sie begann auch mit unsauberer journalistischer Irreführung. Maybritt Illner gab gleich zu Beginn ihrem neben ihr platzierten Gast Wolfgang Gründinger das Wort und stellte ihn als „Sprecher für die Stiftung zukünftiger Generationen“ vor. Der eloquente junge Mann konnte dann sehr ausführlich die Fehler der Regierung darstellen und mit Recht auf die Staatsschulden verweisen, die der nächsten Generation aufgehalst werden. Am Ende stellte Illner dann die Frage: „Würden sie der CDU ihre Stimme geben?“, was Gründinger heftig verneinte. Was Illner verschwiegen hatte: Gründinger ist SPD Mitglied und gehört zum harten Kern der Klimaaktivisten. Innerhalb der SPD zählt er zum linken Flügel. So einen zu fragen, ob er CDU wählen würde, und das gleich zum Beginn der Sendung gehört in die Abteilung: Unlautere Manipulation. Wir verdanken Julia Klöckner, dass sie die SPD-Mitgliedschaft offenbarte.

Gründinger nennt sich Demokratieforscher und Publizist. Gern hätte ich erfahren, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Vehement trat er nämlich einige Male dafür ein, dass der Staat mehr Geld für die Energiewende und die Bildung ausgeben müsse. Das sind zufällig die Branchen, in denen er aktiv ist. Entspricht er damit nicht genau dem Klischee aller Lobbyisten, die für sich mehr Geld fordern, zu Lasten der Allgemeinheit?

Journalistisch unbefriedigend war auch die Vorstellung von je einem Erstwähler und einer Erstwählerin. Sie wurden von Maybritt Illner vorgestellt, als zwei Jungwähler aus der Lausitz. Die beiden Abiturienten zeigten sich interessiert an Politik und hatten viele Forderungen an die Politiker. Gerade deswegen hätte ich gerne mehr über sie gewusst: Warum wurden sie ausgesucht? Aus welcher Stadt in der strukturschwachen Lausitz kommen sie und auf welcher Schule erfahren sie ihre politische Sozialisierung? So aber blieb mir vor allem der Satz der 18jährigen Julia Kluttig in Erinnerung: „Von den Investitionen in die Bildung ist bei uns nichts angekommen.“ Und der 17jährige Lukas Felderhoff meinte resigniert: Wählen allein hilft nicht mehr. Die Wahlversprechen bedeuten nichts, weil dann doch Entscheidungen getroffen werden, die der Wirtschaft dienen.

Könnte es sein, dass diese Abiturienten schon jetzt vom Staat erwarten, dass er für sie sorgen muss und „die Wirtschaft“ negativ sehen, dass sie in der Schule noch nichts davon gehört haben, dass die Wirtschaft unseren Lebensstandart ermöglicht, also Regeln, die der Wirtschaft Freiräume bieten, die Arbeitsplätze und Steuern schaffen, von denen auch sie einmal profitieren werden? Sind die Beiden also ausgesucht worden, weil sie staatsgläubig sind? Wir erfahren das in der Sendung nicht.

Dafür aber wieder die unsägliche Propaganda über den flächendeckenden Mindestlohn. Es scheint die Hauptaufgabe von roten und grünen Talkgästen zu sein, die Forderung nach 8.50 Euro Mindestlohn mit all den dazu gehörigen Sprechblasen ins Bewusstsein der Wähler zu hämmern. Den platten Sprüchen folgt dann der Beifall des Publikums. Eine differenzierte Darstellung ist da nicht mehr möglich. Lutz Göbel, Präsident des Verbandes der Familienunternehmer versuchte es mit sachlichen banalen Einwänden: „Das Lohnniveau in Düsseldorf ist anders als im Erzgebirge.“ Aber auch diese schlichte Wahrheit wird einfach wegideologisiert. Wenn es schon unvermeidbar ist, dass diese Sprüche immer und überall, egal um welches Thema es sich in der Talkshow handelt, nicht zu stoppen sind, dann sollte das ZDF dafür zur besten Sendezeit auch einen journalistisch aufbereiteten Beitrag produzieren, der die öffentlich-rechtlichen Zwangsgebühren rechtfertigt. Denn nach Maybritt Illner saß bei Markus Lanz wieder ein SPD-Wahlkämpfer, dieses Mal Matthias Machnig, im Wahlkampfteam von Peer Steinbrück und zwischengeparkt als Wirtschaftsminister in Thüringen. Auch er betete wieder die ganze Litanei des alle Probleme lösenden Mindestlohns von 8.50 Euro. Selbst die USA habe einen. Aber als der auch bei Lanz anwesende CDU Politiker Wolfgang Bosbach verlangte, die Höhe des US-Mindestlohnes zu benennen, quatschte Machnig einfach laut weiter. Denn der US-Mindestlohn liegt gerade mal bei zirka 5.20 Euro. Das ist also kein gutes Beispiel. Den können wir sofort einführen. Der ändert nämlich gar nichts.

Zurück zu Maybritt Illner. Da wurden alle Themen angeschnitten, die zurzeit wahlkampftauglich sind: Die Gerechtigkeitslücke, das Betreuungsgeld, die Kitas, die Frauenbenachteiligung, die Energiewende und was sonst noch mit den Attributen umstritten, nachhaltig, ökologisch und sozialverträglich verbunden werden kann. Nur mit dem Titel der Sendung hatte das alles nichts zu tun.

Ja es wäre spannend gewesen, zu untersuchen, ob die Schwäche der westlichen Demokratien, dass Wahlerfolge nur noch durch Versprechungen zu erzielen sind, die dann mit Staatsschulden finanziert werden. Und damit wäre die Frage verbunden, ob mehr Staat konsequent zu mehr Schulden führt und damit die Finanz- und Staatsschuldenkrise erklärt werden kann. So aber war der Informationswert der Sendung gleich Null.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Melanie

Danke für Ihren mal wieder lesenswerten Kommentar, Herr Kolbe.
Cui bono? frage ich mich fast täglich angesichts dessen, was an Anti-Schwachsinn ständig abläuft. Es ist, als solle unser Land unbedingt den Bach runtergehen.
Wer aber kann denn an so etwas Interesse haben? Wir befinden uns doch nicht im Krieg.

Gravatar: Klaus Kolbe

Ja, und deshalb sollte sich niemand mehr wundern, daß die Wirtschaft dieses Landes, das „von der Politik, den Medien, den Lobbyisten, den fortschrittlichen Eltern, den Lehrern der antiautoritären oder antikonservativen oder antitraditionellen oder sonst irgendwelchen Anti-Richtungen“, wie ein Dipl.-Ing. für Maschinenbau mit Arbeitseinsätzen im Ausland, der seit drei Jahren eine Industrieofen-Firma leitet, sich äußerte, an die Wand gefahren wird.
Deutschland hatte, trotz aller Unkenrufe, seine beste Zeit (sowohl in wirtschaftlicher, bildungspolitischer und wissenschaftlicher Hinsicht, ebenso aber auch in Sachen Meinungsfreiheit) – wenn man so will, seine Blütezeit – im Kaiserreich. Wer hätte das gedacht?

Davon zehrt dieses Land noch immer – nur nicht mehr lange, wenn bei Bewerbern in einer Vorauswahl, wie dieser Dipl.-Ing. schreibt, schon eine Ausschußquote von 90 Prozent zu verzeichnen ist. Doch selbst unter den restlichen 10 Prozent fänden sich immer weniger brauchbare Nachwuchsingenieure.

Diese komplett versozialisierte Politik, die den wirtschaftlichen Untergang herbeiführt, nützt weder den Arbeitern und Angestellten, noch allen anderen Bürgern Deutschlands und Europas allgemein. Cui bono? Diese Frage sollte man sich stellen.

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