Die Täter und wir

Alle sind ratlos. Die einen fordern höhere Jugendstrafen, die anderen mehr   Polizisten. Dabei wissen alle: Damit ist das Problem nicht zu lösen. Wieder war München der Ort mörderischer  Brutalität entwurzelter Jugendlicher.

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Diesmal richtete sie sich gegen wehrlose Kinder und einen  Mann, der sie schützte. Er bezahlte seinen Mut und seine Nächstenliebe mit seinem Leben.  Schon vor etwa zwei Jahren war bei einem ähnlichen  Vorfall  ein älterer Mann  nur um Haaresbreite dem Tod entkommen,  ebenfalls in der Münchner U-Bahn. Das Ereignis erregte die Öffentlichkeit. Die Frage aber, was Staat und Gesellschaft tun sollten, um den Alptraum enthemmter Gewalt zu bannen, blieb unbeantwortet. Man belies es beim Wegsperren hinter Gefängnismauern. So wird es jetzt wieder sein.


Dabei sind sich alle einig, dass das Problem damit nicht gelöst ist. Wer in deutschen Großstädten unterwegs ist, begegnet fast unweigerlich Jugendlichen, deren Aussehen und Verhalten sie als potentielle Gewalttäter erscheinen lässt. Sie lungern in Bahnhöfen herum, sind von Alkohol und Drogen gekennzeichnet, betteln, pöbeln Passanten an und bedrohen jene, die  ihnen Geld verweigern. Es  sind Heranwachsende ohne Ausbildung und ohne eine Lebensperspektive. Diese neue Schicht von Parias ist auch die Folge unseres als Freizügigkeit getarnten Desinteresses. Die Brutalität der Münchner Täter sind noch die Ausnahme. Hinter ihnen aber stehen viele, die morgen zuschlagen könnten. Ihre  Prägung verschließt ihnen den Weg in geordnete Lebensverhältnisse, schon wegen fehlender Ausbildung.. Ihr Verhalten ist indiskutabel – aber es ist zugleich auch ein Schrei um Hilfe, denn die Inhalts- und Perspektivlosigkeit ihres Lebens macht es ihnen zur Qual.


 Was also müsste sich ändern? Wir müssten nicht nur Kindern aus Problemfamilien Heimstätten geben, die ihnen ein Heranwachsen in geordneten  Verhältnissen ermöglichen und den Missbrauch des Elternrechts verhindern. Wir müssten Tugenden wie  Pflichterfüllung, Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Sauberkeit an die Stelle von Beliebigkeit und Selbstverwirklichung setzen; bei uns wie bei denen,  die sich selbst  nicht vorstehen können. Das heißt, wir müssten uns zu einer bürgerlichen Moral bekennen, und den Verstoß gegen sie öffentlich ächten, so wie dies früher in Deutschland selbstverständlich war; das Gegenteil unserer permissiven Gesellschaft also. All das würde nicht nur Geld und Mühe kosten. Der Preis wäre höher: Wir selbst müssten unsere Lebenseinstellung und damit auch das öffentliche Klima  verändern. Keine Angst: Es bleibt alles beim alten. Zu dieser Umkehr in die richtige Richtung wird es nicht kommen. Dazu fehlen Kraft und Wille. Lieber nehmen wir das menschliche Strandgut als Preis einer falsch verstandenen Freiheit in Kauf.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Hallo,
welche Parteien haben ca. 20 Jahre lang Ganztagsschulen für Problemkinder verhindert?
Grüße
Freieist

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