Die Steuerzahler zahlen die Zeche - Bayern hält an seinen defizitären staatlichen Spielbanken fest

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Die bayerischen Spielbanken stehen vor immer größeren Problemen. Schon seit Jahren fordern Politiker aus dem Freistaat und der Oberste Rechnungshof einschneidende Konsequenzen bis hin zur Schließung einzelner Casinos. Bayern ist aber beileibe kein Einzelfall. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, stecken Deutschlands Casinos insgesamt in einer Krise. „Seit 2008 sind die Brutto-Spielerträge bundesweit um 42 Prozent gesunken“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes privater Spielbanken, Martin Reeckmann. Ebenfalls seit 2008 seien die Gästezahlen um 33 Prozent eingebrochen. Doch warum halten insbesondere die Landespolitiker stur an ihren Spielbanken fest, obwohl das moderne Spielverhalten längst ganz andere Wege geht? Gerade im Internet, so die Süddeutsche Zeitung, sei heute mit Poker- und Casinospielen „das große Geschäft zu machen, viele Spieler wandern dorthin ab“.

„Es kann nicht Aufgabe des Steuerzahlers sein, dauerhaft defizitäre Spielbanken künstlich am Leben zu erhalten“, so die klare Ansage von Ernst Berchtold, Pressesprecher beim Bayerischen  Obersten Rechnungshof (OHR) www.orh.bayern.de. „2012 musste zum zweiten Mal in Folge der Fehlbetrag der staatlichen Spielbanken aus dem Staatshaushalt gedeckt werden (2011: 1,96 Mio. €; 2012: 14,36 Mio. €). Diese Entwicklung unterstreicht die Forderung des ORH zu strukturellen Anpassungen an den Markt.“

Die von der staatlichen Lotterieverwaltung eingeleiteten organisatorischen Maßnahmen (z.B. Anpassung der Öffnungszeiten, teilweise Zusammenlegung des Großen und Kleinen Spiels, Personalreduzierung) haben die Lage laut Berchtold nicht nachhaltig verbessert. Der Bruttospielertrag sank auch 2012 erneut, die Besucherzahlen gingen nochmals zurück und das Jahresergebnis war auch 2012 tiefrot. Der ORH halte deshalb mit Nachdruck an seiner bereits im ORH-Bericht 2009 TNr. 22.3.2 geforderten Schließung von zwei Spielbanken fest.

„Darüber hinaus hält der ORH weitere Maßnahmen zur Eindämmung der gewerblichen Spielhallen für unumgänglich. Das gewerbliche Automatenspiel steht in direkter Konkurrenz zum Kleinen Spiel der staatlichen Spielbanken. Ob die im Glückspielstaatsvertrag enthaltenen Einschränkungen für gewerbliche Spielhallen entscheidende Effekte haben werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Hält man das Postulat aufrecht, wonach mit staatlichen Spielbanken die Spielsucht bekämpft wird, müssen die gewerblichen Spielhallen nach Auffassung des ORH stärker reglementiert werden“, so Berchtold.

Grüne kritisieren die weiß-blaue Praxis

Kritik an der weiß-blauen Praxis kommt auch von der Grünen-Politikerin Claudia Stamm claudia-stamm.de. Die Sprecherin für Haushalt moniert, dass die staatlichen Spielbanken in Bayern nicht in erster Linie ihre Aufgabe erfüllen: „Gewinnerzielung ist nicht das erste Ziel staatlicher Spielbanken“, erläutert Stamm. „Ihre Aufgabe ist es, das Glücksspiel zu kontrollieren und die Spielsucht zu bekämpfen. Dies kann und sollte durch eine Kanalisierung des Spiels in die staatlichen Spielbanken geschehen. Dass die Bekämpfung der Spielsucht zurzeit in Bayern oberste Priorität hat, darf aber bezweifelt werden. Denn die Staatsregierung versucht mit den Spielbanken auch Regionalpolitik zu betreiben. Die Standortwahl der Spielbanken richtet sich also weniger nach dem Ziel Spielsucht einzudämmen als vielmehr nach der Frage, in welcher Region Bayerns der Staat Arbeitsplätze schaffen kann.“

Auf die Frage, ob es sein könne, dass die bayerische Landesregierung fortwährend Fehlbeträge der staatlichen Spielbanken aus dem Staatshaushalt deckt, sagt die grüne Landtagsabgeordnete: „Da haben die Kritiker grundsätzlich Recht. Die Lösung dieses Problems liegt aber weniger bei den Spielhallen selbst, sondern in der Rahmengesetzgebung, das heißt in der Eindämmung der Spielhallen in den Kommunen.“

Von Schlagzeilen wie „Rien ne va plus – Geht bald nichts mehr?“ (Die Welt, 27.09.2013) zeigt sich der Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung in Bayern, Erwin Horak, offenkundig unbeeindruckt. Der Lotteriechef redet die tatsächliche Situation schön: „Aktuell befinden wir uns auf einem schwierigen Weg, denn externe Faktoren wie der ungebremste Boom der Spielhallen, das Nicht-Raucherschutzgesetz oder das illegale Glücksspiel im Internet sind nach wie vor die Hauptfaktoren für die Schieflage der Spielbanken Bayern bzw. für die übrigen Spielbanken in Deutschland. Leider hat sich an diesen externen Einflussfaktoren noch nichts Entscheidendes geändert.“

Man könnte ergänzen, dass sich an diesen Faktoren auf absehbare Zeit auch nichts ändern wird. Denn es ist nicht damit zu rechnen, dass das Nicht-Raucherschutzgesetz wieder aufgehoben wird. Der Boom der privaten Spielhallen könnte nur durch Eingreifen des Landes Bayern gestoppt werden. Die Staatsregierung könnte diese stärker reglementieren. So fordert Frau Stamm die „Eindämmung der Spielhallen in den Kommunen“. Man habe diese Gesetzesentwürfe und Anträge zur Eindämmung der Spielhallen eingebracht – aber außer platten Lippenbekenntnissen seitens der Staatsregierung habe sich lange nicht getan. Allerdings, so muss man ergänzen, hat auch die Deutsche Automatenwirtschaft Einiges unternommen. So geht der Prozess der Zertifizierung von Spielstätten voran. Laut Verbandsangaben beginnt in Kürze die Pilotphase. Bis Ende November sollen die Tests abgeschlossen sein. Überdies hat die Deutsche Automatenwirtschaft regionale Zertifizierungs-Veranstaltungen organisiert, um den Prozess zu begleiten.

Die Schließung defizitärer Standorte staatlicher Casinos hält Horak für keine gute Lösung: „Ich sage Ihnen: Schließungen sind nicht die Lösung! Unabhängig von den genannten Zahlen habe ich bereits erwähnt: Der Auftrag der Spielbanken ist ein ordnungspolitischer, ein legales, seriöses und vielfältiges Spielangebot anzubieten und vor allem ein verantwortungsvollen Umgang mit diesen sicherzustellen. Ergänzend darf man nicht vergessen, dass die Spielbanken vor Ort Arbeitsplätze bieten und das kulturelle und soziale Leben in den Standorten deutlich aufwerten.“

Dem Internet gehört die Zukunft

Letztlich bleiben aber alle diese Überlegungen nur Makulatur. Denn welche Maßnahmen auch immer ergriffen werden, um die staatlichen Spielbanken weiter zu Lasten der Steuerzahlen zu schützen, an der Konkurrenz durch das Internet kommt niemand mehr vorbei. So kann man ja auch per Order di Mufti nicht einfach das Internet, Smartphones oder das Handy verbieten. Fakt ist aber, dass alle Menschen über einen angeborenen Spieltrieb verfügen. Der eine übt ihn stärker aus, der andere weniger. Insbesondere Poker- oder Casino-Spiele im Internet erfreuen sich großer und wachsender Beliebtheit. Die frühere christlich-liberale Landesregierung in Schleswig-Holstein war mit einem eigenen Gesetz angetreten, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben und den Spieltrieb in rechtlich geordnete Bahnen zu kanalisieren. Von einer Liberalisierung bzw. Regulierung des boomenden Glücksspielmarktes versprachen sich die „Väter“ des schleswig-holsteinischen Gesetzes, die Landespolitiker Wolfgang Kubicki (FDP) www.fdp-sh.de und Hans-Jörn Arp www.hans-joern-arp.de, mehr Spielerschutz, mehr Steuereinnahmen für Schleswig-Holstein und mehr Arbeitsplätze.  Gegen diesen auch europarechtlich einwandfreien Weg haben sich – aus welchen Gründen auch immer - mittlerweile alle Landesregierungen in Deutschland gestellt. Man mag sich fragen wieso.

Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die bisher störrischen Landespolitiker erkennen, dass staatliche Spielbanken in ihrer jetzigen Anzahl nicht mehr zu halten sind und die Zukunft dem regulierten Glücksspielmarkt im Internet gehört. Es wäre also dringend geboten, nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Gesetzes das Spielen zum Beispiel von Poker- und Casino-Spielen vom heimischen PC aus rechtssicher zu machen und nicht immer mehr Steuergelder in staatliche Angebote aus der Zeit vor dem Internet-Boom zu stecken.

Eine Anmerkung am Rande: Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen war offenkundig zu keiner Stellungnahme bereit. Nach der Ankündigung, man brauche etwas Zeit für die Beantwortung der journalistischen Anfrage, kam nichts mehr. Keine Antwort ist eben manchmal auch eine Antwort!

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