Die SPD schafft sich ab

Man kann mit dem langen Blick die Größenverhältnisse zwischen Lohn, Gewinn und Steuern um 1870, 1930 und 2007 mal vergleichen, um zu erkennen wie das sozialdemokratische Geschäftsmodell erodierte.

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Die „Politikwissenschaftler“ rätseln über die Ursachen des Absturzes der SPD. Diese ehemalige Arbeiterpartei ist Opfer einer von ihr selbst mit hervorgerufenen Fehlentwicklung geworden. Sie hat sich ungewollt selbst abgeschafft.

Ihre zeitweilige Stärke resultierte aus der Instrumentalisierung des Verteilungskampfes zwischen Arbeit und Kapital für ihre politischen Zwecke. Als die SPD gegründet wurde lag die Nettogewinnquote bei 50 %, während die Bruttolohnquote etwa 40 % betrug. In den Augen der SPD und auch ihrer Anhänger eine Basis, um für die Arbeit mehr Lohn zu fordern. In einer Demokratie ist so eine Interessenvertretung notwendig und legitim.

Nach der Machtergreifung der SPD in der Novemberrevolution 1918 begann sie die Löhne und die Steuern zu erhöhen. Die Löhne über die Einführung der Koalitionsfreiheit und die Steuern zusammen mit ihren Regierungspartnern vom Zentrum und von den Linksliberalen. Die Lohnaufbesserungen in der deutschen Großindustrie verhalfen der SPD zu einer festen politischen Basis in der sogenannten Arbeiteraristokratie. Freilich machten diese organisierten und sehr gut bezahlten Arbeiter schon in der Weimarer Republik eine Minderheit der gesamten Arbeiterschaft aus. Mit dem 1919 begonnenen Marsch in den Steuerstaat hat sich die Sozialdemokratie nach fast hundert Jahren allerdings ruiniert. Das war zunächst nicht abzusehen.

Man kann mit dem langen Blick die Größenverhältnisse zwischen Lohn, Gewinn und Steuern um 1870, 1930 und 2007 mal vergleichen, um zu erkennen wie das sozialdemokratische Geschäftsmodell erodierte. Dann erkennt man den gesellschaftlichen Wandel von einer Klassengesellschaft zu einer Staatsökonomie sofort. Durch Steuern und Abgaben reduzieren sich verfügbarer Lohn und Gewinn. Nach den Abgaben sieht die Verteilung des volkswirtschaftlichen Ertrags etwa so aus:

Jahr Nettolohnquote Nettogewinnquote Abgabenquote
1870 40 % 50 % 10 %
1930 53 % 27 % 20 %
2007 38 % 12 % 50 %

Der von Karl Marx konstruierte Antagonismus zwischen Arbeit und Kapital ist nach dem zweiten Weltkrieg angesichts der Größenordnungen der Verteilung des volkswirtschaftlichen Kuchens zum „Nebenwiderspruch“ geworden. Die neue Front verläuft zwischen steuerzahlendem Kapital und steuerzahlender Arbeit auf der einen Seite und den Steuerprofiteuren andererseits. Die Wind- und Solarbarone, die GEZ-Millionäre, die Riester-Renten-Vertreter, die Parlamentarier mit ihrem Troß, die vielgestaltigen hochbezahlten Politikberater und Fördergeldjäger ärgern den selbständigen Handwerker genauso wie sie den angestellten Handwerker reizen. Die SPD hat sich mit dem Ausbau des Steuerstaats als Partei der Schaffenden disqualifiziert. Zunächst baute die SPD nur den Sozialstaat aus, was noch breite Akzeptanz fand. Nur eine Minderheit ist schließlich gegen die Kranken- und Rentenversicherung. Inzwischen wird das Steuergeld so ausgegeben, daß es den Steuerzahlern nicht mehr nutzt, sondern regelrecht schadet. Ja das arbeitende „Pack“ sogar verhöhnt.

Genderstudies, Klima-„Wissenschaften“, die Ausgaben für die Bewältigung der Asylkrise, Elektroautos, Medien- und Kultursubventionen nutzen den Steuerzahlern nichts. Immer mehr Geld wird ohne gesellschaftlichen Mehrwert ausgegeben. Einfach sinnlos. Frau Dr. Merkel und Herr Gabriel könnten auch Pyramiden als sinnfreie Denkmäler ihrer Regierungszeit bauen lassen. Die um sich greifende Sinnkrise staatlichen Handelns führt auf ein umfassendes Akzeptanzproblem. Die SPD ist mit ihrem Alt-Image als Arbeitnehmervertretung viel schneller im Identitäts-Schlamassel als die vermeintlich wirtschaftsnahe CDU.

Die Gewerkschaften werden im zukünftigen Kampf um das Lohnniveau nur noch im Bereich des Staatsapparates eine Rolle spielen: Da sie sowohl die Beschäftigten in der Privatwirtschaft vertreten, als auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, können sie keine klare Position beziehen. Der öffentliche Dienst will immer höhere Steuern, da er nur bei hohen Abgaben hohe Löhne garantieren und expandieren kann. Im Interesse der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft sind höhere Steuern dagegen nicht. Sie ruinieren seinen Nettolohn. Den Gewerkschaften laufen die Beschäftigten aus der Privatwirtschaft zunehmend weg. Der Transport- und Handelssektor der Gewerkschaft ver.di ist ein aufschlußreiches Beispiel: Er ist kaum noch existent.

Deutschland braucht wieder einen Staat, der sich auf wenige Kernaufgaben konzentriert und das Abgabenniveau insbesondere für den arbeitenden Mittelstand senkt. Die Interessen der Schaffenden müssen zukünftig wieder eine Stimme erhalten. Solche funktionslos gewordenen Parteien wie die SPD werden schrumpfen oder ganz untergehen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.Roth

Ich habe mich schon immer gewundert, warum so viele Beamte die SPD favorisieren. Dieser Artikel gibt eine gute Antwort darauf. Die ehemalige Arbeiterpartei hat mit ihrem Umverteilungsverständnis viele Umverteiler hervorgebracht, die nun staatlich versorgt werden müssen. Sieht man sich die Prozentzahl der Abgaben (und auch der Beamten) von 1870 an, möchte man wohl wieder in der Monarchie leben.

Die Unternehmer wurden, dank SPD, erfolgreich geschröpft, ebenso die Arbeiter, zu Gunsten des übermäßig angeschwollenen "Wasserkopfes" der "Staatsdiener". Hier müßte einmal radikal und mit Vernunft ausgedünnt werden, und nicht wie bisher geschehen, an falschen Stellen einsparen (z.B. Polizei).

Der 12%-Gewinn der Unternehmer ist nur ein Durchschnittswert. Die großen Konzerne haben sicher andere Gewinnquoten als mittelständische Unternehmen oder gar Kleinbetriebe. Ist die daraus resultierende Chancen-Ungleichheit etwa ein Nebenprodukt der "sozialen Gerechtigkeit"?

Gravatar: luisman

Danke fuer die Antwort Herr Prabel. Als Ingenieur rechne ich immer alles gerne nach (ist wie ein Waschzwang ;) ) Ich waere Ihnen sehr verbunden wenn Sie mir ein paar Tips fuer die Datenquellen geben koennten. Google hat mir bisher nicht viel weiter geholfen.

Ich sage immer, der Kirchenzehnt war gar nicht so schlecht, aber die Daten fuer 1870 sehen eigentlich auch ganz gut aus.

Gravatar: Wolfgang Prabel

Lieber Luisman, das BMF hat die Hälfte vergessen. EEG (immerhin 25 Mrd. €), GEZ (8 Mrd. €), Maut, Verwaltungsgebühren, Ausbau- und Anschlußbeiträge, Grüner Punkt, Müllgebühren, Bürokratielasten der Betriebe, Knöllchen und vieles andere mehr mißt das BMF nicht mit. Auch wenn EEG über den Energieversorger und nicht vom Finanzamt eingezogen wird, ist es trotzdem eine vom Staat verursachte Abgabe.

Gravatar: Joachim Datko

Meiner Ansicht nach wimmelt es im Artikel von Denkfehlern.

Ihr Ergebnis der Analyse: "Deutschland braucht wieder einen Staat, der sich auf wenige Kernaufgaben konzentriert und das Abgabenniveau insbesondere für den arbeitenden Mittelstand senkt. Die Interessen der Schaffenden müssen zukünftig wieder eine Stimme erhalten. Solche funktionslos gewordenen Parteien wie die SPD werden schrumpfen oder ganz untergehen."

Deutschland ist ein sehr erfolgreicher Staat. Das verdanken wir auch der Wirtschaftspolitik der SPD. Die Regierung Schröder hatte viele wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Es kommen viele Menschen aus aller Welt, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Deutschland erwirtschaftet schon langjährig hohe Leistungsbilanzüberschüsse, 2015 ungefähr 250 Milliarden Euro. Den Menschen geht es in der Regel sehr gut. Diejenigen, die glauben, ihr Wohlstand beruhe nur auf der eigenen Arbeit, täuschen sich.

Es gibt immer weniger Menschen, die in einem primären Bereich arbeiten, da die eigentliche Arbeit von Computern und Robotern erledigt wird. Je weiter die Rationalisierung die primäre Arbeit abbaut, desto größer sind die Abgaben. Der Sozialstaat hat die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Staaten, die sich auf Kernaufgaben konzentrieren, laufen Gefahr, dass ein Großteil der Menschen verelendet.

Ich bin gerne bereit, eine Lanze für die soziale Marktwirtschaft zu brechen.

Die SPD hat durch die LINKE einen Flügel verloren und ist bei jetzt ungefähr 20 % immer noch eine der großen Parteien, mit einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe. Man denke an die Einführung des Mindestlohns.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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