Die Skandalchronik der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) – das Beispiel des Milchhofes Saul in Sachsen-Anhalt

Das Beispiel des Milchhofes Saul ist sicher ein Extremfall, aber er ist kein Einzelfall, sondern dieses politische Vorgehen hat System.

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Die Behinderung bäuerlicher Existenzgründungen in Ostdeutschland und deren weitere Beeinträchtigung durch die Bodenpolitik der ostdeutschen Bundesländer in Bezug auf die BVVG- Flächen und landeseigenen Flächen ist mehrfach beschreiben worden.

Aber die Akteure in diesem Spiel, die ostdeutschen Landesregierungen und die BVVG- Niederlassungen gehen in Einzelfällen noch weiter bis zur Existenzvernichtung eines Familienbetriebes, wie im Fall der Familie Saul.

Diesen Einzelfall erstmals in der Ausgabe vom 21.7.2014 beschrieben zu haben, ist Verdienst der Berliner „Tageszeitung“ (taz).

Familie Saul hatte in den neunziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts für ihren Milchviehbetrieb rund 300 ha von der BVVG in Sachsen-Anhalt gepachtet. 2002 war das Jahr des Hochwassers in Ostdeutschland, 2003 gab es in vielen Regionen Ostdeutschlands extreme Trockenschäden, so auch beim Milchhof Saul. Familie Saul beantragte, wie viele andere Betriebe auch die Stundung der Pachtzahlungen bei der BVVG, ein üblicher Vorgang, die bei den meisten Betrieben zur Stundung der Pachtzahlungen führte. Nicht so bei Familie Saul, die nur eine minimalen Stundungsbetrag erhielt. Wegen eines Pachtrückstandes kündigte nun die BVVG die Pachtverträge mit der Familie Saul fristlos zum 1.5.2004, hatte aber schon am 29.4.2004 Pachtverträge mit Nachpächtern abgeschlossen. Bevor das Kündigungsschreiben die Familie Saul erreichte (5.5.2004) fuhr schon am 3.5.2004 ein Viehtransporter im Auftrag der Nord/LB vor, um die Tiere zu pfänden. Nachpächter behandelten den Aufwuchs der Fam. Saul mit Herbiziden. Da der Milchhof Saul ökologisch wirtschaftete, verlor diese damit auch den Anspruch auf die Öko- Prämie, eine vorsätzliche Boshaftigkeit, um den Sauls auch den finanziellen Todesstoß zu versetzen.

Im Beitrag der taz wird ein Agrarökonom mit den Worten zitiert: „Die Sauls wurden wie Wild zugunsten von Großbetrieben erlegt, die man fördern wollte.“ Ein Teil der Flächen des ehemaligen Milchhof Saul  wird mittlerweile laut taz von der mehr als 30.000 ha großen Aktiengesellschaft KTG Agrar bewirtschaftet- Bauernlegen wie in der DDR.

Eine skurrile Facette an diesem Fall ist, daß der jetzige Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Aeikens (CDU), sich im ARD- Sender MDR darüber verbreitet, daß externe Investoren die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt aufkaufen und daß er dagegen steuern wolle. Die Unehrlichkeit dieses aus Niedersachsen stammenden Landwirtschaftsministers ist bemerkenswert. Er war, als Familie Saul so übel mitgespielt wurde, schon Staatssekretär. Und er war nachweisbar persönlich an der Vernichtung des Betriebes Saul beteiligt. Familie Saul hatte damals durch eine gerichtliche, einstweilige Verfügung erreicht, daß der Betrieb Milchhof Saul die Flächen bis Oktober 2005 bewirtschaften konnte. Das hatte weitgehende Konsequenzen.

Durch die Umstellung der EU- Agrarbeihilfen erhielten diejenigen, die die Flächen zum 17.5.2005 bewirtschafteten, das Prämienrecht für die Agrarbeihilfen, die auch handelbar waren. Für Familie Saul wären dies rund 270.000 € gewesen. Zwei Landesbehörden in Sachsen-Anhalt stellten fest, daß die handelbaren Prämienrechte dem Milchhof Saul zuständen. Das Landwirtschaftsministerium ignorierte diese rechtliche und sachliche Einschätzung und verteilte diese Prämienrechte weiter, wobei Aeikens persönlich involviert war.

Die Vernichtung der Existenzgrundlage der Familie Saul durch Landwirtschaftsministerium und BVVG ein Einzelfall in Ostdeutschland?

Das Beispiel des Milchhofes Saul ist sicher ein Extremfall, aber er ist nicht zufällig, mehr noch, die zugrunde liegende Politik ist systematisch auf die Beseitigung bäuerlicher Landwirtschaft ausgerichtet. Das ist kein Einzelfall, sondern dieses politische Vorgehen hat System.

Im Jahr 2010 haben Bundesregierung und ostdeutsche Bundesländer neue Richtlinien für die BVVG verabschiedet. Familienbetriebe werden seit diesem Zeitpunkt auf eine neue und bezeichnende Weise zusätzlich gegenüber juristischen Personen benachteiligt. Danach verlieren Familienbetriebe den Anspruch auf eine Pachtverlängerung für ihre BVVG- Flächen, wenn diese mehr als 50% Eigentum haben. Dabei wird ab 2010 bei den Familienbetrieben, nicht aber bei juristischen Personen das Eigentum enger Familienmitglieder, Eltern oder Nachkommen mitgezählt. Dies betrifft im Wesentlichen 60-70% der ostdeutschen Betriebe unter 250 ha, denen die Pacht der BVVG- Flächen (rund 8% der BVVG- Pachtfläche zum 1.1.2010) gekündigt wird.

Der Fall Saul wird damit auf eine systematisiert, und der überwiegenden Mehrheit der ostdeutschen Betriebe, den bäuerlichen Familienbetrieben die Existenzgrundlage, der landwirtschaftliche Boden entzogen. Dies bedeutet die systematische Beseitigung der bäuerlichen Landwirtschaft in Ostdeutschland.

Zuerst erschienen auf Ostdeutsche-Bodenpolitik.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Björn

Unglaublich, diese Rückkehr zum System der Landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe (LPGs) zu DDR Zeiten. Auch in anderen Fragen (etwa der Bildungspolitik) drängt sich allmählich die Frage auf, welcher Politgeist nach der Wiedervereinigung den längeren Atem hat und sich letztlich durchsetzt.

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