Die Schranze der Mächtigen: der leninistische Kulturrevolutionär Dietmar Dath

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Der FAZ-Redakteur Dietmar Dath kann sich als Autor von Romanen und Theaterstücken praktisch immer einer wohlwollenden medialen Unterstützung sicher sein - eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Diese Schonung verleiht ein trügerisches Selbstvertrauen. Er gilt seiner Zunft als Intellektueller, dessen Wort Gewicht hat, vor allem bei Seinesgleichen. Manchmal aber genügen nur ein, zwei Sätze, um an dieser Einschätzung zu zweifeln. Man muss sie nur bemerken wollen, denn es handelt sich keineswegs um Ausrutscher. Die Sicherheit, jeden noch so abseitigen Unsinn kritiklos veröffentlicht zu bekommen, macht bisweilen denkschwach.

Dem Mordanschlag in Charleston galt ein polemischer, aber dennoch ernst gemeinter Beitrag vom 20. Juni in seiner Hauszeitung: „Das Einzeltätervolk und seine Taten“. Im Grunde will Dath solche und ähnliche Mordanschläge Einzelner zum Terrorismus gezählt wissen. Es gibt zwar keine Organisation, welcher der junge Mann von Charleston angehörte, auch keine, für die Breivik mordete, ja nicht einmal der NSU kann als echte Organisation angesprochen werden, aber praktisch die ganze westliche Gesellschaft, die kollektiv (bis auf ein paar gute „kulturelle Linke“ wie natürlich Dath) dem Rassismus fröhne, sei gleichsam als eine terroristische Vereinigung anzusehen. Denkt man diese dialektische Volte weiter, dann muss der „Krieg gegen den Terror“ gegen die Bürger der eigenen Gesellschaft geführt werden. Und das ist es ja auch, was Linke wie Dath mit ihren Mitteln machen.

Es gehe nämlich nicht an, angesichts der ständigen Klagen gewisser Leute (O-Ton Dath: des „Cyber-Mobs“) über die Politiker und die von ihnen gezielt in eine Richtung veränderte Realität verharmlosend von Einzeltätern zu sprechen. Dath zu den angeblich immergleichen Themen des angeblichen Mobs, des von ihm undifferenziert so beschimpften, politisch interessierten Teils der Bevölkerung:

„Eine landesverräterische Wirtschaft und ihre Politik ließen genetisch inferiore Einwanderer ins Land; die lobbyistische »Beschwerde-Industrie« (»grievance industry«) schinde für Nichtweiße, Nichtmänner und sonstige Außerirdische von der »affirmative action« bis zur Frauenquote immer neue Sonderbonbons heraus; der Respekt vor Recht und Ordnung werde durch hysterische Berichterstattung über bedauerliche Gesetzeshütermissgriffe gegen Schwarze und Migranten zerstört – einige dieser Ideen sind amerikanische Spezialitäten, in Europa blökt derselbe »Widerstand« vielleicht eher »das Abendland wird islamisiert«, »Schwule und Lesben zerstören die Familie« et cetera, ad nauseam – das alles ist austauschbar bis zur Beliebigkeit, morgen könnten schon die Veganer, Linkshänder oder Kurzsichtigen dran sein. Immer aber glaubt sich das Gekläff in der Defensive.“

Dass Daths zeitgeistige Denkschablonen genauso, ja mehr noch austauschbar sind, bemerkt er nicht. Er gehört ja zu den Guten, die sich ununterbrochen zu den immergleichen Themen wiederholen und - risikoloser geht es nicht - die Agenda der Herrschenden als deren willige Lautsprecher vertreten dürfen. Dann läuft diese Schranze der Mächtigen zur vermeintlichen Hochform auf und versteigt sich bei der hymnischen Verteidigung - ausgerechnet - der Genderideologie zu einer gewagten Metapher.

„Dass Identität »sozial konstruiert« sei, wird häufig als übergeschnappte Vorstellung linker Welt- und Menschenverbesserei angeschwärzt. Dabei bedeutet die Formel nichts Schwierigeres, als dass man zwar ohne Biologie und andere Naturvorgaben überhaupt keine Identität beanspruchen oder zuschreiben kann – Gene gehören zum Leben, was will man machen? –, dass damit aber noch lange nicht entschieden ist, wie man mit jenen Genen und dem anderen individuellen Gepäck umgeht. Nudeln sind auch »sozial konstruiert«, sie wachsen nicht auf Bäumen: Aber ob aus dem Naturmaterial, das man für sie braucht, Spaghetti werden oder Farfalle, das wird in der Küche entschieden – wie das Familienrecht im Parlament.“

Einen größeren Blödsinn habe ich schon lange nicht gelesen. Die DNA entspricht also dem Mehl und den Eiern, die man für den Nudelteig braucht. Komisch bloß, dass ohne jede soziale Konstruktion, ganz von alleine aus der DNA ein ganzer Mensch entsteht, sei er (in der Regel) Mann oder Frau oder meinetwegen (aber sehr selten) transsexuell. Das ist bei Mehl und Eiern nicht der Fall, da braucht es tatsächlich die Küche, um den Nudeln ihre jeweilige Form zu geben. Ich würde also sagen, um im Bild zu bleiben, dass aus den Genen sehr wohl Spaghetti oder Farfalle entstehen, also eindeutig definierte Nudeln. Aber ob diese mit Tomatensauce oder mit Salsiccia serviert werden, das kann der Mensch für sich entscheiden. Immerhin. Alles andere ist Realitätsverlust, an dem Dath, wie so viele andere Linke auch, leidet. Aber was schreibe ich von „Realität“: Sie ist den linken Sozialkonstrukteuren ja nur Material, das nach ihrer Ideologie geformt werden soll.

Dath vermengt solche empirisch unbezweifelbaren Selbstverständlichkeiten, an denen er jedoch trotzdem zweifelt, unzulässigerweise mit anderen Sachverhalten, die keineswegs selbstverständlich sind, bei denen er aber dem „Mob“ unterstellt, diese für selbstverständlich zu halten. Er offenbart mit dieser Vermengung entweder eine relativistische Denkschwäche, die der missglückten Metapher entspräche und zur heute gängigen Beliebigkeit passt, oder aber doch eine argumentative Perfidie, die berechnet ist, was beides für die „kulturelle Linke“, je nach Fähigkeit oder Absicht, zeittypisch wäre. Das Ziel ist angeblich emanzipatorisch, in Wahrheit immer propagandistisch. Hören wir also diesen wirren Mix von tatsächlichen und angeblichen Selbstverständlichkeiten:

„Weil »der Weiße« Amerika »entdeckt hat«, darf er es auch regieren; weil »der Heterosexuelle« Kinder zeugt, darf er sie auch erziehen; weil der bleiche Barbar Norwegen urbar gemacht hat, darf er seine Scholle gegen die muslimische Flut verteidigen. Wo diese wahnhaften Selbstverständlichkeiten wegfallen, aber das Recht und die Möglichkeit fortbestehen, an tödliche Waffen zu gelangen, fallen Amokläufe junger weißer Männer nicht vom Himmel, sondern entspringen aus der Mitte der Gesellschaft.“

Dort in der vermuteten Mitte steht Dath sicher nicht. Der bekennende Leninist leugnet also Rasse, Familie, Volk und Heimat. Man könnte über diese Begriffe und ihre Berechtigung sachlich und differenziert sprechen, doch gelten ihm diese so unterschiedlichen Entitäten alle als gleichermaßen „wahnhaft“. Subtiler geht’s nun wirklich nicht. Aber man kennt das alles ja, man erkennt es wieder, es hat ein Mösenbärtchen wie Uljanow selig und Dath: Das ist linientreu leninistisch. Die alten Feinde jedes guten Kommunisten sind alle benannt, das brandaktuelle Programm unseres deutschen Meisterdenkers und seiner Gesinnungsgenossen ist weit über 100 Jahre jung. In allem folgt Dath seinem Vorbild, dabei könnte er mit der vom „weißen Mann“ geforderten Selbstaufgabe ja gleich selbst anfangen: Jedenfalls räumt er seinen Redaktionsstuhl sicher gerne für jeden sogenannten Bootsflüchtling, der mal eben bei der FAZ anklopft. Das wird natürlich so wenig passieren wie Lenin sich je hätte abwählen lassen, wäre in diesem speziellen Fall aber ein Anfang zur Besserung. Dass ausgerechnet Kommunisten den Deutschen noch einmal Demokratie und Parlament erklären würden, hätte man nicht gedacht. Seit 1990 verstärken ehemalige und neue Linksextreme unter dem Deckmantel einer parlamentarischen pluralistischen Demokratie den Linkstrend in der bundesdeutschen Medien- und Politiklandschaft und forcieren mit ihren ungehindert publizierten ideologischen Wahngebäuden unverdrossen ein schon einmal im Ostblock gescheitertes Gesellschaftsengineering. Jetzt soll dieses schlauer angepackt werden: Psychopolitik ist keine neoliberale Spezialität. Kulturrevolutionäre wie Dath wollen eine ganz andere Republik und schreiben das auch. Es soll niemand sagen, er oder sie habe nichts davon gewußt.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: ropow

Es sind ja nicht nur die sprachlichen Entgleisungen, die könnte man ja noch mit Narzissmus einigermaßen entschuldigen, wie ich es versucht habe. Es sind die im Nationalsozialismus und im Islam so beliebten Tier-Assoziationen (Blöken, Gekläff), mit denen Andersdenkenden gerne das Menschsein abgesprochen wird und mit denen er im „Stürmer“ oder im „Völkischen Beobachter“ nicht einmal aufgefallen wäre - heute aber in der FAZ (!) damit hausieren gehen darf.

Ekelerregend.

Gravatar: Adorján Kovács

Leider nicht nur verbal: Das ist ja das Problem. Diese Leute meinen das ernst...

Gravatar: Chesterton

Ja, da dachte ich beim Lesen auch: da ist einer verbal völlig durchgeknallt - und darf das auch noch in der FAZ dokumentieren. Wenn auch nur im Feuilleton ...

Gravatar: ropow

Bewundernswert.

Wie haben Sie es nur geschafft, diesen manierierten Schrott zu Ende zu lesen? Ein „blökendes Gekläff in der Defensive“ ist selbst als Metapher so grottenschlecht daneben, dass man sich den Rest doch gar nicht mehr anzutun braucht. Solch katatonisches Sprachgestelze kann nur jemand schreiben, der es, vor Verzückung in Bauchlage nickend, seinem eigenen Spiegelbild zuvor von den spitzen Lippen abgelesen hat.

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