Die Jux-Demos, das Recht und die Freiheit

Die Regierung will nun auf Zuruf von Kronenzeitung und Michael Häupl Spaß-Demonstrationen einschränken lassen.

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So sehr die immer häufigeren Blockaden von Straßen durch Aktionen aller Art mit oft nur ganz wenigen Teilnehmern zu kritisieren sind, so sehr ist dieses Vorhaben abzulehnen. Nicht nur wegen der seltsamen Zurufer.

Auslöser der Debatte ist die „Demonstration“ von einigen Menschen im Bademantel, mit der des alt gewordenen Sängers Udo Jürgens gedacht werden soll. Dahinter steckt ein Wachsfiguren-Kabinett – und damit zweifellos der Wunsch, durch breite Berichterstattung viel Gratiswerbung zu erhalten.

Die Zehntausenden Menschen, die dadurch in Summe wieder wie bei vielen anderen Kundgebungen Tausende Stunden Zeit im Stau verlieren, und zweifellos auch die Mehrheit der übrigen Bürger werden für eine solche Einschränkung viel Sympathie empfinden. Auch der Tagebuch-Autor.

NUR: Wer bestimmt, wann eine Kundgebung eine Spaß- oder Pseudo-Demo ist und wann nicht? Diese Grenzziehung ist absolut unmöglich. Sie öffnet der Willkür Tür und Tor. Der Bürgermeister Wiens wäre viel mutiger und weniger heuchlerisch gewesen, wenn er etwa auch etwas gegen die vielen Minikundgebungen im Dunstkreis der beiden Rathausparteien gesagt hätte.

Muß etwa für ein paar grüne Radfahrer regelmäßig die ganze Ringstraße gesperrt werden? Ist es nicht genau so eine „Pseudo-Demo“, wenn dort ein ganzer Tag ein Kunstrasen aufgelegt wird, der angeblich zum Picknicken einlädt? Was ist, wenn Umzüge zur Bewerbung bestimmter sexueller Praktiken die Stadt blockieren, die vor allem viel nackte Haut zeigen und wohl primär Voyeure anlocken? Sind die Trucks, die alljährlich die Ringstraße mit einem unerträglich lauten Klangteppich zudecken, nicht genauso ein Jux (beziehungsweise reiner Kommerz)?

So unerträglich all diese Veranstaltungen sind: Noch unerträglicher wäre es, wenn die Politik und ihre Beamten bestimmen könnten, was gute, also erlaubte Demonstrationen sind, und was böse, daher verbotene oder beschränkte Veranstaltungen.

Dazu kommt, dass auch immer mehr andere Veranstaltungen, die sich nicht als politische Versammlung ausgeben, den Verkehr und die Bewegungsfreiheit der Bürger zunehmend einschränken. Straßenfeste, Sportveranstaltungen, Liegestuhl-Aufstellungsaktionen (die völlig publikumsfrei bleiben wie etwa jene in der Lange Gasse), Eislaufbahnen im Rathauspark, Flohmärkte: Alles hat oft schwer belästigende Effekte. Und gegebenenfalls lässt sich jede kommerzielle Intention leicht mit politischen Parolen tarnen und verbinden.

Die grundrechtliche Versammlungsfreiheit wird in Österreich durch den Verfassungsgerichtshof so extensiv interpretiert wie sonst kaum wo. Das Höchstgericht schützt beispielsweise auch solche Demonstrationen, die total vom angemeldeten Weg abweichen. Wie es bei etlichen linken Gewaltaktionen des heurigen Jahres der Fall war.

Was also tun? Der Blick in andere Länder lehrt, dass das Demonstrationsrecht keineswegs überall das Recht gibt, jede beliebige Fläche zu okkupieren. In anderen demokratischen Ländern darf man beispielsweise normalerweise nur am Gehsteig oder in Fußgängerzonen demonstrieren. Und dort ist die Polizei auch viel weniger zimperlich mit Demonstranten, die sich nicht daran halten.

Sinnvoll wäre es auch, wenn auf jedem Platz etwa nur einmal im Monat von irgendwem demonstriert werden darf. Ebenso legitim wäre es, für eine Demo Verkehrsflächen erst ab einer bestimmten (realistischerweise erwarteten) Teilnehmerzahl freizugeben. Damit könnten dann die Sozialdemokraten weiterhin ihren 1.-Mai-Aufmarsch machen, oder die Kirche ihre Fronleichnamsprozession.

Aber, was auch immer man tut: Es darf keine Ideologie- oder Sympathie-Prüfung geben.

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

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