Die Jugend-forscht-Truppe der FDP isoliert sich von der Basis

Auf der Regionalkonferenz in Dortmund wollten sich die Gegner der Rettungsschirmpolitik nicht als „Rechtspopulisten“ diffamieren lassen.

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Mit Bockwurst und Brüderle will die FDP zurück zu den „Brot-und-Butter-Themen“. So könnte man eine der Botschaften der Regionalkonferenzen der Liberalen in diesem Monat auf einen Nenner bringen. Mit vier Veranstaltungen dieser Art wollte die liberale Führungsspitze wieder den Kontakt zur Basis aufnehmen. Im „Goldsaal“ der Westfalenhalle wurde aber vor allem eine große Kluft zwischen dem „einfachen Parteivolk“ und den in großer Zahl aufgebotenen Spitzenpolitikern der Partei deutlich.

 

Der NRW-Landesvorsitzende Daniel Bahr nutzte seine Begrüßung, um die überwiegend männlichen Gäste auf Linie einzuschwören. Die Liberalen müssten ihren Gestaltungsauftrag annehmen, würden aber zur Zeit als „zerstrittenste Partei“ wahrgenommen. Dieses „an die Kandare nehmen“ kam nicht bei allen Besuchern gut an, die offen und ohne Scheuklappen über den europapolitischen Kurs der FDP und das Erscheinungsbild der Liberalen in der Regierung diskutieren wollten. Insbesondere „Bambi-Bahrs“ unterschwelliger Versuch, die Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler in die anti-europäische und rechtspopulistische Ecke zu drängen, wurde mit Missmut aufgenommen. Seine Appelle an die Geschlossenheit als Stärke wollten in der Stadt des deutschen Fußballmeisters jedenfalls nicht recht verfangen.

 

Auch die Rede des Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers war alles andere als zündend. Betont sachlich bekannte er sich zu zwei liberalen Werten: einer klar pro-europäischen Ausrichtung und der wirtschaftlichen Kompetenz der Partei. Es war vielleicht kein kluger Einfall der Regie, den Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle direkt im Anschluss an Philipp Rösler sprechen zu lassen. Und während manche hungrig eine Bockwurst verzehrten, überzeugte Brüderle mit einem klaren ordnungspolitischen Profil und kraftvoller Rhetorik. Italien brauche weniger Bunga-Bunga und mehr Avanti. Sirtaki-Siggi, Schulden-Steinmeier und der „Gasmann“ (so eine Anspielung auf das Gazprom-Engagement von Altkanzler Schröder) würden die jetzige Krise nicht besser managen als die jetzige christlich-liberale Mannschaft – solche Sätze brachten den Saal zum Kochen. Der Applaus für Brüderles Redebeitrag fiel jedenfalls deutlich stärker aus als der zum blassen Auftritt seines Vorredners.

 

Nach gut 90 Minuten durfte dann endlich die Basis ran, um die es ja eigentlich gehen sollte. Die Parteispitze mache die Basis der Liberalen in den Kommunen kaputt. Seit 2009 sei die Arbeit der Bundesgeschäftsstelle ein ziemlicher Ausfall – sie informiere entweder gar nicht oder – zum Beispiel in puncto Mitgliederentscheid – sehr einseitig. Rösler musste sich anhören, er solle nicht Sach- zu Personalthemen machen. Es gehe nicht um die Frage Rösler oder Schäffler, sondern um den richtigen ordnungspolitischen Kurs in der Eurokrise. Dass einige Redner das „Umfallen“ der FDP in der Energiepolitik oder vermeintliche Gleichmacherei im Gesundheitswesen massiv kritisierten und sogar empfahlen, lieber erhobenen Hauptes aus der Regierung auszutreten, kam bei den anwesenden Ministern Bahr, Rösler, Westerwelle und Frau Leutheusser-Schnarrenberger nicht gut an.

 

Der FPD-Generalsekretär Christian Lindner zeigte sich zwar als ziemlich abgeklärter Tagungsleiter und „cooler Redner“ (oft über die Köpfe der Zuhörer hinweg), doch sein häufiger Verweis auf Formalia wie „Beschlussfassungen“ oder das rigide Betätigen der Stoppuhr bei Redebeiträgen der Basis – drei Minuten für Vertreter der Basis standen jeweils 30 Minuten für Bahr, Rösler und Brüderle gegenüber – dürften das Herz der Partei an diesem Sonntagmittag nicht unbedingt erreicht haben.

 

Dass die Wahrnehmung der Außenpolitik von Guido Westerwelle von Medien und FDP-Parteivolk durchaus differiert, wurde an dem tosenden Applaus deutlich, die der Bundesaußenminister für sein Bekenntnis erhielt, es sei richtig gewesen, „keine deutschen Soldaten nach Libyen geschickt zu haben“. Der Stabilitätspakt sei 2004 aufgeweicht worden, so der frühere Parteichef. Die FDP müsse nun die Suppe auslöffeln, die Rot-Grün den Deutschen in der Euro-Frage eingebrockt habe.

 

Der „Eurorebell“ Frank Schäffler, der rund 3.800 Stimmen für einen Mitgliederentscheid zusammenbekommen hat, monierte, dass die FDP-Führungsriege Reden und Handeln nicht mehr zusammenführe. Er plädierte für mehr plebiszitäre Elemente. Er und seine Unterstützer, die zahlreich in die westfälische Metropole gereist waren, seien nicht für mehr oder weniger, sondern für ein „besseres Europa“.

 

Ein Redner brachte die Lage der FDP drastisch auf den Punkt. Man stecke ziemlich in der „Scheiße“. Ob aber der Ruf nach professionellerer Öffentlichkeitsarbeit durch eine externe Agentur, da die Journalisten ja sowieso nur noch schlecht über die Liberalen schrieben, der Weisheit letzter Schluss ist, muss sich noch zeigen. Die Regionalkonferenz in Dortmund hinterließ jedenfalls den Eindruck, dass Basis und Partei momentan mit zwei Zungen sprechen. Ein überzeugendes Rezept, wie denn nun mit „den Griechen“ und dem Krach in der Koalition umzugehen sei, fiel keinem ein. Und so herrschte weitgehend Ratlosigkeit auf der Regionalkonferenz. Man konnte aber zumindest die Erkenntnis gewinnen, dass die Kluft zwischen der „Jugend forscht“-Truppe (Hans-Olaf Henkel) an der Parteispitze und der Basis immer größer wird.

 

 

 

 

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