Die Islamisten von Aleppo

Es gibt keinerlei Grund, Sympathien für den syrischen Machthaber Assad zu haben.

Veröffentlicht:
von

Er ist ein blutbefleckter Diktator, dessen Schergen unzählige Morde, Folterungen und politische Inhaftierungen verschuldet haben. Das ist aber dennoch kein Grund, automatisch seinen Kriegsgegnern Sympathie entgegenzubringen. Denn bis auf die Kurden hat keine der vielen anderen Kampfparteien diese verdient. Nichts gibt zur Hoffnung Anlass, dass sie für rechtsstaatliche oder gar pluralistische Ansätze stehen würden.

Die Kurden scheinen die einzigen zu sein, die sich in den von ihnen kontrollierten Gebieten akzeptabel verhalten. Aber auch bei ihnen ist keineswegs ganz sicher, ob diese Toleranz auch dann fortbesteht, wenn sie einmal nicht mehr auf amerikanische und deutsche Unterstützung angewiesen sind, was jedenfalls zu korrektem Verhalten zwingt. Sie sind jedenfalls auch die tapfersten Kämpfer – weil sie nicht für eine Ideologie (=totalitäre Religionsauffassung) oder Machtgruppe kämpfen, sondern für nationale Freiheit.

Gewiss, auch viele andere Kriegsparteien behaupten, dass der lange von etlichen islamischen Ländern unterstützte „Islamische Staat“ das oberste aller Übel ist. Das heißt aber nicht, dass beispielsweise die anderen sunnitischen Gruppen irgendetwas mit Demokratie und Menschenrechten zu tun hätten. Und dass sie wirklich gegen den IS kämpfen würden.

Insbesondere jene, die noch einen Teil von Ost-Aleppo gegen die rollenden Angriffe der russischen und syrischen Regierungstruppen halten, sind nach allen vorliegenden Informationen ungute Islamisten. Das bestätigen auch die Fernsehbilder, die in den letzten Wochen immer wieder aus dem belagerten Aleppo herauskommen. Denn auf diesen Bildern sieht man – wenn überhaupt – zu hundert Prozent nur verhüllte Frauen, meist in schwarze Säcke gepackt.

Lediglich in den kurdischen und in den von Assad kontrollierten Gebieten können sich Frauen so kleiden, wie sie es wollen. Wer diesen Kleidungs-Maßstab für zu oberflächlich hält, der kann auch die Aussagen von christlichen oder jessidischen oder schiitischen oder alewitischen Persönlichkeiten analysieren. Auch aus diesen wird eindeutig: Nur in Assad- und Kurden-Gebieten können sie relativ frei leben.

Umso unverständlicher ist, dass nicht nur eine breite, wenn auch meist getarnte sunnitische Front von Saudiarabien bis zur Türkei diese – mehr angeblich als wirklich auch gegen den „Islamischen Staat“ kämpfenden – Islamisten unterstützt, sondern auch ein Teil Europas, insbesondere die französischen Sozialisten.

Im Assad-Territorium ist die relative Freiheit der religiösen Minderheiten freilich nicht nur von den Feinden im Bürgerkrieg, sondern auch den Verbündeten bedroht. Denn Assad hat sein militärisches Überleben in hohem Ausmaß schiitischen Kämpfern aus Iran und dem Libanon zu verdanken. Die aber sind nun nicht gerade als Verfechter von Toleranz und Pluralität berühmt.

Und wer glaubt, dass die ebenfalls für Assad kämpfenden Russen diese Grundprinzipien durchsetzen werden, irrt wohl ebenfalls. Denn deren Hauptziel ist ganz eindeutig ein militärisches: die Sicherung ihres einzigen Stützpunktes am Mittelmeer. Und auch das System Putin in Russland steht immer weniger für Rechtsstaat, Toleranz und Pluralität.

Trotz dieser nüchternen Analyse gibt die jüngste militärische Entwicklung in Syrien ein wenig Hoffnung. Denn sowohl der „Islamische Staat“ wie auch die Islamisten von Aleppo, also die übelsten Elemente des Landes, scheinen derzeit eindeutig auf der Verliererstrecke. Damit wäre der Weg etwas freier für die einzige mögliche Lösung: Das wäre eine Teilung Syriens zwischen mehreren – völkerrechtliche und menschenrechtliche Mindeststandards einhaltenden – Gebieten unterschiedlicher Orientierung nach den Prinzipien der Selbstbestimmung. Auch wenn die Türkei das gar nicht will. Die eine Art koloniale neoosmanische Oberhoheit über den Norden des Landes beansprucht, weil sie den Kurden keinerlei Selbstbestimmung zuerkennen will.

Im Falle einer solchen Teilung, und zwar nur dann besteht auch guter Grund, allen Syrern, die nach Europa gekommen sind, mit dem nötigen Nachdruck zu sagen: Ihr könnt nach Syrien zurückkehren, ihr müsst das auch tun. Hinzugefügt sollte aber unbedingt auch werden: Dann, wenn ihr nicht in euer Heimathaus, sondern nur in einen anderen Teil Syriens zurückkehren könnt, werden wir euch eine kräftige Starthilfe geben.

Zuerst hier veröffentlicht: www.andreas-unterberger.at/2016/12/die-islamisten-von-aleppo/

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Karin Weber

Hier mal eine Liste von denen als "Rebellen" in Syrien gegen die gewählte Regierung von Assad operierenden Einzelgruppen:

http://www.srf.ch/news/international/die-wichtigsten-gruppen-der-syrischen-opposition

Nach den Ausführung des syrischen Botschafters vor der UN scheint es immer glaubhafter zu werden, dass der Westen faktisch "Rebellen-Gruppierungen" unterstützt, die Schnittmengen zum IS haben. Eine verstörende Feststellung ... auch und vor allem für die deutsche Friedenskanzlerin.

Gravatar: Herbert Lachenal

Die einzige Chance zur Lösung dieser äußerst komplizierten Situation ist eine Verständigung von Putin und Trump auch über Syrien. Ohne die beiden geht gar nichts!

Gravatar: Van Kipferl

Herr Dr. Unterberger, die Situation in Syrien ist unendlich verzwickt, weil es sehr viele Interessen auf vielen verschiedenen Ebenen gibt. Die unrühmliche Rolle der USA beim Entstehen des ISIS (zehntausende irakische Soldaten nach dem Ende des Irak-Krieges einfach entlassen und nach Hause geschickt; wovon sollten die leben?), Syrien als Dreh- und Angelpunkt für Ölgeschäfte und Pipelines; die einen wollen einen schiitischen Riegel vom Libanon über Syrien bis zum Iran; die anderen eine neue Seidenstraße von China zur syrischen Mittelmeerküste; kurdische Unabhängigkeit und türkische Expansionsgelüste; da erscheint einem das Religionsgedöns wie eine blutrote Nebelkerze. Machen Sie sich die kleine Mühe und informieren Sie sich über den Lebenslauf Baschar al Assads. Versetzen Sie sich in seine Lage (er war ursprünglich nicht für die Nachfolge seines Vaters vorgesehen) und bedenken Sie, daß der Nahe Osten nicht Mitteleuropa ist. Er wurde demokratisch gewählt und immerhin siebzig Prozent seines Volkes stehen hinter ihm. Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, welche Fehlentscheidungen unser politisches Personal an seiner Stelle treffen würde, aber aus sicherer Entfernung ist es leicht, zu rechten und zu richten.

Gravatar: Stephan Achner

Hören sie doch endlich einmal auf, "rechtsstaatliche und pluralistische Grundsätze" zum Maßstab zu machen, wenn wir es mit der arabischen Welt zu tun haben. Die meisten Araber sind von ihrem Wesen her weder zur Demokratie, noch zur Rechtsstaatlichkeit oder zum Pluralismus fähig. Und warum? Ganz einfach. Das hat sehr viel mit dem Islam zu tun, der von seinem Kern her antidemokratisch, anti-rechtsstaatlich und anti-pluralistisch ist. Die Gründe brauche ich wohl in diesem Forum nicht zu erläutern.

Was Syrien betrifft, setze ich meine ganze Hoffnung in den neuen US-Präsidenten Trump, der ja seit Monaten wiederholt und öffentlich angekündigt hat, dass er sich mit Putin sehr schnell über das Ende des Syrien-Krieges einigen wolle und könne.

Nur die beiden Großen auf dieser Welt, die USA und Rußland, können die Kriege im Nahen Osten rasch beenden. Der Preis dafür sind dann halt irgendwelche Präsidenten von arabischen Ländern, die nach westlichen Maßstäben nicht Präsident sein sollten. Aber was soll´s. Frieden im Nahen Osten ist wichtiger als die Einführung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pluralität in diesen arabischen Ländern.

Und wenn sie vom "blutbefleckten Diktator" Assad sprechen: Hat denn der noch amtierende US-Präsident Obama, dessen Kampf-Drohnen - via Ramstein in Deutschland - täglich ohne Gerichtsverfahren und völkerrechtswidrig auf der ganzen Welt töten, kein Blut an seinen Händen?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang