Die Inflation der kollektiven Rechte

In der Schule wurde gebetsmühlenhaft gepredigt, daß es das Recht auf Arbeit, das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und das Recht auf Bildung gäbe. Und daß diese kollektiven Rechte viel wertvoller wären als das Recht auf Gleichheit, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Eigentum.

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Der TVR-Verlag hat kürzlich ein interessantes Buch von Ayn Rand verlegt. „Die Tugend des Egoismus“. Schon der Titel wird sich in den Ohren der zur Illusion privilegierten Stände, der Lehrer, Künstler, Schauspieler und Journalisten schrecklich anhören. Egoismus ist doch ein Laster! Herr, gebe uns unser täglich Moralin!

Die Entdeckung des Nutzens des Egoismus ist nicht ganz neu: Schon die „Bienenfabel“ von Bernard Mandeville, ein Gedicht, das 1705 in London erschien, behandelte einige Aspekte dieses Themas, allerdings als nützliche „Laster“. Die Autorin Ayn Rand manövriert das Schiffchen des Egoismus geschwind aus dem Meer des Lasters heraus. Sie bettete ihr Lob des Egoismus in das libertäre philosophische Konzept des Objektivismus ein, welches in dem kleinen Bändchen kompakt und flüssig dargestellt wird.

Die um 1963 veröffentlichten Beiträge sind hochaktuell. Rand prangerte die Erosion des Rechts und der Moral durch das Eingehen falscher Kompromisse genauso an, wie moralische Grauzonen, die kollektivistische Ethik und besonders sogenannte kollektive Rechte. Für sie ist die kleinste Minderheit das Individuum. Es brauche keine weiteren Minderheitenrechte. Das Amerika der ersten 150 Jahre wäre das Muster einer zivilisierten Gesellschaft gewesen: „Das Konzept individueller Rechte brachte eine freie Gesellschaft hervor. Die Zerstörung der Freiheit mußte mit der Zerstörung individueller Rechte beginnen.“ Sie konstatierte bereits 1963 eine Inflation von neu verkündeten „Rechten auf…“, welche die authentischen Rechte wie das Recht auf Leben und Eigentum negieren. Das Recht auf Leben bedeute, daß der Mensch das Recht habe, ökonomische Handlungen für den Erwerb von Eigentum zu tätigen. Es bedeute aber nicht, daß andere ihn mit Eigentum versorgen müßten. Angesichts der Asylkrise: Wie wahr!

Ich erinnere mich an meine Schulzeit, wo gebetsmühlenhaft gepredigt wurde, daß es das Recht auf Arbeit, das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und das Recht auf Bildung gäbe. Und daß diese kollektiven Rechte viel wertvoller wären als das Recht auf Gleichheit, das Recht auf Freiheit und das Recht auf Eigentum. Das wären bürgerliche, westlich-dekadente Freiheiten, die den Werktätigen nichts nützen würden.

Natürlich war die Auswahl der gewährten Rechte sehr willkürlich. An ein „Recht auf Wohnung“, an ein „Recht auf Familienbesuche“ oder an ein „Recht auf Reisefreiheit“ kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Wohnungen zur Volksbeglückung hatten die Mächtigen nicht, mit Reisefreiheit wären 50 % der mit kollektiven Rechten beglückten Leute entflohen und die Familien wurden durch Stacheldrahtzäune voneinander getrennt.

Die ständig propagierten Rechte hatten wirklich ihre Tücken. Mit einer Parteimitgliedschaft erreichte man schnell Beförderung und dann war es aus mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Der Genosse bekam grundsätzlich mehr Lohn. Genauso bei der Bildung. Wer die falschen Eltern hatte, bekam eben keine höhere Bildung, während Bonzenkinder gefördert wurden. Das Recht auf Arbeit war die Pflicht auf 8,75 Stunden Anwesenheit in einem Staatsbetrieb. Mit Arbeit hatte das oft nichts zu tun, es sah bei Parteisekretären und bei vielen anderen Jobs nur so aus.

In jedem Betrieb wurden Druckposten geschaffen. Ich erinnere ich an eine Episode. Der Lagerarbeiter des Gerüstlagers hatte eines Tages weiße Leinenhandschuhe an und klagte über einen Ausschlag an den Händen. Der Chef vermutete Faulenzia und ließ den eingebildeten Kranken die Handschuhe ausziehen. Gesunde rosige Haut wie bei einem Ferkel kam zum Vorschein. Ein weiterer Kollege betreute das Öllager. Er lief den ganzen Tag mit einem Ölkännchen herum, aber fast niemand brauchte das Öl. Dazu kamen Pförtner, die niemand benötigte, Sicherheitsinspektoren, Qualitätsbeauftragte, Gewerkschaftsfunktionäre. Durch den permanenten Materialmangel war mehr als jeder dritte Beschäftigte in der Lagerhaltung und bei der Reparatur beschäftigt. Mit dieser Struktur brachen die Betriebe 1990 wie Kartenhäuser zusammen. Die Kehrseiten des Rechts auf Arbeit.

Wer nun geglaubt hatte, daß 1990 beim Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ Schluß mit den kollektiven Rechten wäre, der sah sich getäuscht. Alle möglichen Minderheiten zelebrieren auf Kosten des Individuums ihren kollektiven Egoismus, den sie als „Rechte“ verkaufen.

Inzwischen gibt es das „Recht auf Willkommen“, das „Recht auf Teilzeit“, das „Recht auf Stadt“ das „Recht auf Remix“, das „Recht auf Wandlung“, das „Recht auf Geschlechtsumwandlung“, das „Recht auf Spiel“, das „Recht auf Arbeitslosigkeit“, das „Recht auf Frei“, das „Recht auf Klo“, das „Recht auf Faulheit“, das „Recht auf Bildungsurlaub“, das „Recht auf Legalisierung“ (von Rauschgift), das „Recht auf Sparen“, das „Recht auf ein Girokonto“, das „Recht auf Taschengeld“, das „Recht auf  Vergessenwerden“, das „Recht auf Wasser“, das „Recht auf Sterbehilfe“, das „Recht auf pestizidfreies Leben“,  das „Recht auf schnelles Internet“, das „Recht auf Rache“, das „Recht auf den Genuß von Naturschönheiten“…

„Nur“ die Vertragsfreiheit und das Recht auf Eigentum sind in dieser Inflation von neuen Rechten unter die Räder gekommen. Der Steuer- und Abgabensatz erreicht selbst für Normalverdiener 50 %. Von Recht auf Eigentum kann da nicht mehr die Rede sein. Und das Recht auf Leben? Wer hat bei 50 % Steuern, ständig steigenden Kindergarten- und Hortgebühren noch Lust auf viele Kinder?

Niemand darf sich mehr aussuchen, mit wem er Geschäfte macht. Früher konnte man Querulanten aller Art aus dem Weg gehen, heute können die wegen Diskriminierung klagen. Schöne neue Welt!  Selbst der Türsteher vor der Disco darf in zwei Bundesländern den Abschaum des Universums (für die Rassisten: ist unabhängig von der Volkszugehörigkeit) nicht mehr aussortieren!

Angesichts dieser Mißstände gibt uns Ayn Rand Orientierung. Für jeden, der seinen gedanklichen Horizont mit überschaubarem Aufwand (190 Seiten) und zuweilen überraschenden Perspektiven erweitern möchte, ein wirklich sehr lesenswertes Buch!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Es ist richtig beobachtet, dass die Inflation der kollektiven Rechte Hand in Hand mit einer Einschränkung der Individualrechte geht. Allerdings werden diese Kollektivrechte von den Beschenkten auch gerne angenommen und in der Regel mit einem Kreuzchen an der richtigen Stelle als Gegenleistung belohnt. Wenn sich die Sache dann im Nachhinein als doch nicht so gut herausstellt, kann man ja immer noch über die Politiker schimpfen und seine eigene Gier vergessen.

Gravatar: Andi

Nur mal ein paar Gedanken: Es gibt kein Recht, ein Nazi zu sein, es gibt kein Recht, ein Rassist zu sein, es gibt kein Recht, gegen Homosexuelle oder gegen Frauen zu sein, es gibt kein Recht, gegen Fremde zu sein. Welche Rechte es gibt und welche nicht, ist also ganz schön einseitig. Immer so, wie es denen gerade passt, die es geschafft haben, sich an die Schalthebel zu setzen. Für mich ist das höchste Recht das Recht auf Individualität, mit Allem, was dazugehört. Inklusive vor Allem mit einer wirklich EIGENEN Meinung.

Gravatar: Klimax

Man sollte vielleicht erwähnen, daß Ayn Rands Buch im Original The Virtue of Selfishness heißt und nicht The Virtue of Egoism. Daß im Englischen ein Unterschied zwischen Selfishness und Egoism gemacht wird, ist hier leider im Titel der Übersetzung verwischt.

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