Die Heuchelei als Europas kleinster Nenner

Die Diplomatie hat noch immer nicht begriffen, dass sie selbst hauptschuld ist, wenn sie durch eine solche doppelbödige Politik die Bürger immer weiter von Europa entfremdet. Das geht in einer modernen Demokratie einfach nicht mehr.

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Europa lebt von der Heuchelei und Verdrängung. Die EU ist Richtung Süden wie Osten unglaublich attraktiv; sie ist dort für die Mehrheit der Menschen der Inbegriff ihrer Träume. Die EU freut sich darüber ungemein – aber sie will keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen. Das ist unbestreitbar eine massive Diskrepanz.

Wie soll Europa diese Diskrepanz lösen? Ganz gewiss nicht so, wie es derzeit geschieht: Vor den jüngsten EU-Wahlen haben fast alle Kandidaten massiv gegen eine weitere Erweiterung der Union argumentiert; es komme während der nächsten Periode keine neue Mitgliedschaft in Frage. Die EU hat genug eigene Probleme. Nach der Wahl hingegen haben die vor der Wahl schweigenden Außenministerien und die Kommission sofort wieder ganz normal auf Erweiterungsmodus geschaltet. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz etwa setzte sich nach diesen Wahlen massiv für einen Beitritt vor allem Serbiens, aber auch der anderen Balkanstaaten ein.

Diese Haltung ist verlogen. Die Diplomatie hat noch immer nicht begriffen, dass sie selbst hauptschuld ist, wenn sie durch eine solche doppelbödige Politik die Bürger immer weiter von Europa entfremdet. Das geht in einer modernen Demokratie einfach nicht mehr.

Natürlich ist ein Nichtbeitritt Serbiens nicht argumentierbar (sobald einmal Belgrad die Unabhängigkeit des Kosovo klar anerkannt hat). Die Serben gehören genauso zu Europa wie die Kroaten oder Rumänen. Aber das soll man bitte den Wählern auch schon vor einer Wahl mutig sagen! Die merken sich nämlich diese Doppelzüngigkeit.

Serbien, dessen Expansionismus am Beginn des 20. Jahrhundert eine Hauptursache des Zerfalls zweier Reiche und des Todes von Millionen Menschen gewesen ist, das zweifellos auch der Hauptschuldige der letzten Balkankriege war, dieses Serbien benimmt sich heute durchaus verantwortungsbewusst. Und das hat Europa anzuerkennen. Und nicht heuchlerisch herumzureden. Das verärgert nur die Serben wie die Bürger immer mehr.

Die Korruption und der Kampf gegen sie

Aber ist nicht Serbien noch zutiefst von Korruption zerfressen? Ja, das ist es. Aber auch nicht tiefer als Rumänien oder Bulgarien oder Kroatien. Und auch Teile Italiens, um nur eine Region aus dem allerersten EU-Kern zu nennen.

Damit sind wir bei der nächsten Heuchelei: Wäre Europa nur eine große Freihandelszone, dann wäre die endemische Korruption in bestimmten Regionen kein Problem anderer Nationen. Dann wäre sie Sache der betroffenen Bürger, die ja auch dafür zahlen. Nur sie selbst können Schritt für Schritt Justiz und Politik bessern – auch wenn sie offenbar oft auf Personen hineinfallen, die laut gegen Korruption wettern, aber selbst bestechlich sind.

Aber EU-Europa hat viel größere Ambitionen gehabt – an denen es nun zu scheitern droht. Denn sobald nicht nur Freihandel für Agrarprodukte besteht, sondern es eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik gibt, muss man eben jeden Olivenbaum, jede Alm, jedes Weinstock, jedes Rindvieh zählen. Und Europa wird dabei ständig nach Strich und Faden betrogen.

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