Die Guten ziehen wieder den Kürzeren

Kaum dass die neue Pisa-Studie erschienen, melden sich sofort reflexartig die üblichen Bedenkenträger mit den immer gleichen vermeintlichen Lösungen: Mehr Staat. Mehr Ganztagsschule. Und natürlich verpflichtend für Alle.

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Als ob es tatsächlich etwas bringt, wenn die Kinder fortan noch mehr Stunden in der Schule sitzen. Denn machen wir uns nichts vor: Betreuung in der Schule ist ja nicht gleich Bildung. Ich kenne zahlreiche Kinder, die erst Hausaufgaben machen, wenn sie dann um 16.30 Uhr aus der OGS nach Hause kommen. Denn dort ist es ihnen zu laut, sie können sich nicht konzentrieren. Der Tag endet für diese Kinder sehr spät, sie haben keine Zeit für Verabredungen und die Schularbeiten sind erst vor dem Abendessen fertig. Das ist also die Lösung? Niemand traut sich offenbar mal zu benennen, wo genau die Unterschiede liegen, wenn manche Kinder sich gut entwickeln und  andere schlechter.

Dabei ist es ganz einfach, denn ein paar Studien gibt es ja schon. Bescheinigt auch von der OECD, die im Ergebnis jährlich immer wieder neu bemängelt, dass in keinem anderen Land die soziale Herkunft derart entscheidend ist für den Erfolg von Schülern und Studenten wie in Deutschland. Und wenn man sich dann ansieht, wer denn die guten Schüler sind, dann sind es eben diejenigen, die von zu Hause am meisten Unterstützung bekommen. Und damit meine ich nicht Geld. Sondern Leistungswillen. Lernbereitschaft. Gewissenhaftigkeit. Anstrengung. Auch Analphabeten können Akademiker großziehen. Es ist eine Frage der Einstellung zu Bildung und Leistung und meistens nicht eine Frage des Geldbeutels. Das vermittelt keine Schule. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Das ist Sache der Eltern.

Und was ist also die Reaktion der Politik? Alle Schüler sollen mehr dem Einfluss des Elternhauses entzogen werden, damit sich der Staat in den Schulen mehr um alle kümmert. Hallo? Das mag für diejenigen funktionieren, die zu Hause keine Unterstützung bekommen. Aber im Umkehrschluss bedeutet es auch: Alle diejenigen, die bislang sehr gut sind, werden zwangsläufig herunter gestuft. Denn der Weg, der für sie bislang erfolgreich war, soll ihnen de facto durch flächendeckende Ganztagsschulen genommen und dem niedrigeren Niveau der anderen angeglichen werden. Wieder mal ein Gieskannenprinzip. Individuelle Förderung bleibt da eine leere Hülse. Übrigens auch eine inzwischen erschreckend normale Reaktion in unserem Land. Wenn das Leistungsniveau sinkt, werden die Ansprüche eben nach unten korrigiert. Damit wird jeder Leistungswille im Keim erstickt. Wir beschäftigen uns nicht mehr damit, wie die Guten vorankommen, sondern wie wir es den weniger Guten möglichst nicht so schwer machen. Und sie sollen um Himmels willen nicht merken, dass sie gerade den Anschluss verpassen. Sitzenbleiben abschaffen. Noten abschaffen. Leistungsniveau senken, Kopfnoten wieder abschaffen, wie es gerade in NRW passiert. Einheitsschule einführen. Schule als fröhliches Happening mit Wohlfühlgarantie. Phrasenhaft erscheinen da Politiker-Statements wie „Wir wollen kein Kind auf der Strecke lassen“. Ja sicher, aber müssen denn alle im gleichen Zug sitzen? Oder darf es für einige auch der ICE sein?

ursprünglich erschienen auf frau2000plus.net

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Das Internat funktioniert gut und kann als Vorbild für die Ganztagsschule gelten. Wenn bisher Ganztagsschule versagt hat, dann wurde das Internat-System falsch kopiert. Das Internat ist schon seit Generationen erfolgreich. Wer will dies bitte bestreiten?

Gravatar: @Freigeist

Die Ganztagsschuken sind mit Sicherheit nicht für jederman eine Lösung. Mag sein, dass so ein Konzept einzelnen Schülern helfen mag, doch so ein Ganztagsschulsystem obligatorisch einzuführen wie es z.B. der ehemalige Außenminister Herr Steinmeier gerne einführen wollte, ist für einen Großteil der Kinder nicht erwünscht. Ich bin selbst auf einer Ganztagsschule gewesen und weiß sehr wohl, wovon ich spreche. Und an unserer damaligen Schule wurde das Konzept sogar noch verhältnismäßig sinnvoll eingeführt: zu jeder Schulstunde folgte eine sogenannte "Arbeitsstunde", in der wir dann Aufgaben zu dem gelernten Stoff bekamen. Und gerade die Schüler, welche keine Überflieger gewesen sind und den Stoff nicht gleich verstanden haben, konnten dann auch die Aufgaben nicht lösen. das hatte dann zur Folge, dass diese Schüler die Stunde durch Langweilen absitzten. Fragen durften sie auch nicht stellen, weil ja der Sinn dieser Stunden gewesen ist, durch Nachdenken den Stoff sich selbst beizubringen, ohne dabei durch störende Geräusche andere Klasenkameraden bei den gestellten Aufgaben zu stören. Folge dieses Ganztagssystems war also, dass ein sehr großer teil der Schüler erst am späten Nachmittag nach hause kam, ohne den Stoff verstanden zu haben. Und dann wollten sich auch keine Arbeitsgruppen mehr bilden, denn wer möchte schon als 14 jähriger Schüler noch um 18 Uhr sich mit Freunden treffen, um erst dann die ersten Aufgaben zu erledigen? Darum halte ich das ganztagssystem für wenig erfolgssversprechend. Vielmehr hemmt es den Teamgeist, weil durch das späte Schulende Lerngruppen in Freundeskreisen kaum Platz mehr finden.

Gravatar: Birgit Kelle

@Freigeist: "Außerdem haben wir real bereits ein enormes Nach-Hilfe-Unwesen, das viel Geld kostet, allein den Eltern. Es ist der klare Beweis, dass es die meisten Eltern doch nicht können".
Das ist vor allem ein Beweis dafür, dass die SCHULE es nicht kann. Wenn so viele Schüler zusätzlich zur Schule Nachhilfe brauchen, dann läuft zunächst einmal an der Schule grundsätzlich etwas schief.

Gravatar: Freigeist

@Mr. Truth
Ihre Gruppen-Idee kann man leicht in die Ganztagsschule integrieren. Die Ganztagsschule wird keine Eliten erzeugen, sondern allenfalls den steigenden Anforderungen an das Berufsleben genügen, wenn wir es endlich umsetzen. Bei Ihnen schwingt immer noch die Heile-Familien-Idee mit, die schnell umschlägt, falls es Leistungsprobleme in der Schule geben sollte.
Das Internat ist erfolgreich und dieses Prinzip kann kostengünstig auf die Ganztagsschule übertragen werden, da die Kinder zu Hause bei den leiben Eltern wohnen bleiben können. Das Kind ist umhegt, wozu Kinder einen Anspruch haben, sogar evolutionär gesehen.

Gravatar: Freigeist

@Sandra
Die Ganztagsschule, gleich hochwertig einem Internat, hat keinensfalls die Kosten, die ein Internat hat mit Unterbringung etc.. Außerdem haben wir real bereits ein enormes Nach-Hilfe-Unwesen, das viel Geld kostet, allein den Eltern. Es ist der klare Beweis, dass es die meisten Eltern doch nicht können. Man sollten endlich diese Fakten zur Kenntnis nehmen und nicht von heiler Familien-Welt träumen. Bei den Reichen funktioniert die Ganztagsschule/Internat schon lange sehr sehr gut.
Dies darf nicht länger ein Privileg der Reichen bleiben wenn Deutschland seine Wirtschaftskraft beibehalten will, die Ganztagsschule muss her. Bei Eltern, die nachweislich Akademiker sind, lasse ich Ausnahmen zu. Sie können ihre Kinder nachmittags zu Hause zusätzlich unterrichten.

Gravatar: Sandra

@Freigeist: natürlich sind die Ganztagsschulen meist schlecht organisiert, sie müssen ja auch mit deutlich weniger Geld auskommen, als beispielsweise Internate. Im Internat gibt es jan einen ganz klaren anderen Ansatz. Dort wird nicht nur gelernt, sondern auch erzogen und gelebt. das kostet viel Geld. Will man das auf ganztagsschulen übertragen, kostet es eine Unmenge von geld. Da stellt sich dann aber die Frage, ob es nicht billiger wäre, den Familien das Geld zu lassen. damit die Eltern nicht gezwungen sind, beide zu arbeiten udn sich Einer vernünftig um die Kinder kümmern kann. Diejenigen Familien, die das bislang in hohem Maße tun, werden aber stattdessen verhöhnt und ausgenommen. Erziehungsleistung kostet Geld. Familien machen das kostenlos, der Staat muss viel dafür zahlen. Warum unterstützt der Staat nicht einfach die Familien ein bisschen mehr? Ökonomisch würde es sich rechnen. Aber da gibt es in der politischen Klasse eben zu viele Sperren im Kopf. Es geht gar nicht um das Wohl der Kinder in diesen Debatten sondern um ideologische Grabenkämpfe.

Gravatar: Freigeist

Wenn die Ganztagsschule versagen sollte, dann ist sie zu schlecht organisiert. Es gibt einen sehr einfachen auch für die Dümmsten sichtbaren Beweis: Internate sind doch reinste Ganztagsschulen. Internate zeigen gute Ergebnisse und sind ein Renner. Es ist also an der Zeit, die Ganztagsschule so zu verbessern, dass sie gleich gut wie die Internate sind, so einfach ist das.

Gravatar: Klimax

@ gast: "Der Sozialismus/Kommunismus/Humanismus/Feminismus etc. sagt, das der Mensch von Natur aus gut ist"

So, der Feminismus behauptet dies auch? Dann sind wohl nur Frauen Menschen, oder?
Humanismus mit Feminismus in einen Topf zu schmeißen, daß ist schon so, als wolle man keinen Unterschied zwischen Liberalen und Sozialiszten zugeben.

Gravatar: IngSoc

"Bei einer Zwangsganztagsschule kann man das Vereinswesen auf der Müllkippe entsorgen."

Privatinitative ist in totalitären Systemen nun mal nicht erwünscht.

Gravatar: Petra

Bei einer Zwangsganztagsschule kann man das Vereinswesen auf der Müllkippe entsorgen.

Gravatar: gast

Einfache Erklärung:
Es liegt am falschen Menschenbild:
Der Sozialismus/Kommunismus/Humanismus/Feminismus etc. sagt, das der Mensch von Natur aus gut ist. Leider übt die schlechte Umwelt keinen guten Einfluss aus, also muss diese verbessert werden.
Das ist antichristlich, unbiblisch, grundfalsch und führt in die Irre.

Gravatar: Friedrich

Kinderarbeit ist doch verboten oder?

Aber Ganztagslernen ist "gut"....

Was wir unseren Kindern zumuten kann man nur noch Zumutung nennen. Speziell das G8 ist doch ganz klar ein Frondienst für Kinder..., aber klar Arbeit ist verboten.....

Gravatar: Klimax

@Kiebitz "Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen hatten bisher immer die besten Pisa-Ergebnisse, aber bisher die wenigsten Ganztagsschulen." Richtig. Was aber noch viel wichtiger ist: auch die wenigsten Gesamtschulen!

Gravatar: pirat

nein, es geht darum die Egoisten und Einzelgänger endlich zu ihrer Verantwortung zu zwingen. Außerdem ist Panikmache bzgl. eines sozialistischen Gespenst nicht angebracht. Vielmehr sollten die Besitzstände, die meist unrechtmäßig angeeignet wurden, aufgebrochen und der wahren Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

Gravatar: Kiebitz

Der Unsinn der Gleichung:
"Mehr Ganztagsschulen = besser bei Pisa"
wird schon beim innerdeutschen Pisa-Vergleich deutlich. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen hatten bisher immer die besten Pisa-Ergebnisse, aber bisher die wenigsten Ganztagsschulen.

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