Die gute Seele Europas

Der Papst war im Europaparlament, weitgehend außerhalb der Öffentlichkeit, immerhin mit einem kleinen Beitrag im Heutejournal des gestrigen Abends bedacht.

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Aufgefallen ist es wohl nur wenig, und wenn, dann wurde wieder über die Kritik des Papstes an sozialen Zuständen berichtet oder seine Hinweise auf die Ökologie, die zu berücksichtigen auch Aufgabe der Europäer sei. Es gab ein paar kleinere Proteste gegen das Auftreten des Papstes, die aber ebenfalls mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden haben.

Dass die Wahrnehmung eines solchen Auftritts, immerhin mehr als 25 Jahre nach dem letzten Auftritt eines katholischen Kirchenoberhauptes vor diesem Parlament, also mit dem Begriff „historisch“ sicher nicht zu hoch bewertet, so gering ausgefallen ist, das mag daran liegen, dass der Papst mit seinen Hinweisen und Forderungen in seiner Rede (bei kath.net in der offiziellen deutschen Übersetzung wiedergegeben) exakt richtig liegt. Denn wenn er an die Parlamentarier appelliert, „daran zu arbeiten, dass Europa seine gute Seele wieder entdeckt“, dann bedeutet das doch zweierlei: die gute Seele Europas ist weitgehend verloren gegangen und bislang arbeitet niemand, mindestens zu wenige, daran, sie wieder zu entdecken – womöglich weil ihnen der Verlust noch gar nicht aufgefallen ist.

Und dieser Schwerpunkt der Rede des Papstes ist auch unangenehm genug, dass ihn unsere Medien tunlichst ausblenden. Denn was meint er, wenn er von der guten Seele Europas spricht? Sicher keine ausufernde Bürokratie, die er aber nur in Nebensätzen ein wenig kritisiert. Sicher aber auch nicht die Fokussierung auf Technik und Wirtschaft, in die sich die EU im Wesentlichen eher als Hindernis einmischt denn als Förderer der Zusammenarbeit. Was er meint, sind die christlichen Wurzeln, aus denen heraus der europäische Gedanke, der der Friedenssicherung durch Zusammenarbeit, der der Menschenwürde, auch aber nicht nur durch soziale Sicherung und Arbeit, und der einer christlichen europäischen Identität, die nicht nationale Identitäten verwischt sondern ergänzt, genährt und gestärkt wird.

Der Papst ergänzt dabei ein Zitat aus einem Brief an Diognet („die Christen in der Welt das sind, was die Seele im Leib ist“) mit dem heutigen Anspruch des christlichen Glaubens:

Die Aufgabe der Seele ist es, den Leib aufrecht zu erhalten, sein Gewissen und sein geschichtliches Gedächtnis zu sein. Und eine zweitausendjährige Geschichte verbindet Europa mit dem Christentum. Eine Geschichte, die nicht frei von Konflikten und Fehlern, von Sünden immer aber beseelt war von dem Wunsch, am Guten zu bauen.

Dass, so scheint es jedem christlichen Beobachter, das heutige „offizielle“ Europa sich seiner christlichen Wurzeln lieber heute als morgen entledigen möchte, ist nicht nur an der Person des Parlamentspräsidenten, Martin Schulz, festzumachen, der noch im Europawahlkampf dafür eintrat, Kreuze aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Er ist aber nur der Kopf, und dass christliche Werte im Kontext der Entscheidungen „aus Brüssel und Straßburg“ kaum eine Rolle spielen dürften, ist wohl kein Geheimnis.

Das aber, und hier zieht der Papst nicht nur eine Bilanz sondern wirft damit auch einen Blick in die Zukunft, der Verlust der christlichen europäischen Seele stellt das Grundproblem dieses institutionalisierten Europas dar:

Ebenso bin ich überzeugt, dass ein Europa, das fähig ist, sich die eigenen religiösen Wurzeln zunutze zu machen, indem es ihren Reichtum und ihre inneren Möglichkeiten zu ergreifen versteht, auch leichter immun sein kann gegen die vielen Extremismen, die sich in der heutigen Welt verbreiten – auch aufgrund des großen ideellen Vakuums, das wir im sogenannten Westen erleben, denn »es ist gerade die Gottvergessenheit und nicht seine Verherrlichung, die Gewalt erzeugt«.

Wer also ein religiös und weltanschaulich neutrales Europa fordert, der muss nachweisen, was denn die Seele Europas sein soll? Die Konzepte, die man dazu erkennen kann sind es dagegen, die der Papst gerade als Gefahr für den Frieden und die Demokratie in Europa ausmacht: „die engelhaften Purismen, die Totalitarismen des Relativen, die geschichtswidrigen Fundamentalismen, die Ethizismen ohne Güte, die Intellektualismen ohne Weisheit.“ All das taugt nicht als Seele Europas, gefährdet am Ende nur die Initiative, ein gemeinsames christliches Fundament zur Sicherung des Friedens in Europa zu nutzen.

Bemerkenswert daran ist vor allem, dass der Papst zwar nicht die Bibel zitiert, auch Gott selbst nur selten erwähnt, aber der Begriff des „Christentums“ als Seele Europas in großen Lettern über seiner Rede steht. Europa, die EU, egal wie es politisch und wirtschaftlich gestaltet sein soll, wird christlich sein oder es wird langfristig als Gemeinschaft gar nicht sein! Das Christentum löst nicht alle Probleme, und in der Geschichte war der Glaube oft auch Ausgangspunkt für Konflikte. Die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren aber bereits das Ergebnis von Ideologien ohne Gott – während die europäische Idee mit einer christlichen Identität den Frieden gesichert hat.

Insofern kann man eine andere Ansicht als der Papst zum Thema Sozial- oder Arbeitsmarktpolitik und die Rolle der Politiker und Parlamente in diesem Umfeld haben. Ohne die christliche Seele aber wird weder ein liberales (wie ich es selbst propagiere) noch ein sozialistisches (wie es offenbar allgemein bevorzugt wird) Europa langfristig seine Ziele, die Sicherung des Friedens und der Würde der Menschen, erreichen!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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