Die Grünen, der Sex und die Kinder

Zu den Vergangenheiten, die nicht vergehen wollen, gehören das Jahr 1968 und seine Folgen. Die Linke hat das Datum in den Rang einer zweiten Staatsgründung erhoben, weshalb nun bereits

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jedes Kleinstjubiläum von der Erlebnisgeneration mit Erinnerungsmärschen durch alle Medien begangen wird. Für die Rechte ist 1968 das Jahr, in dem sich Dunkelheit über Deutschland legte: So ziemlich alles, was in der Republik schief läuft, nimmt aus ihrer Sicht hier seinen Anfang, von steigenden Scheidungsraten bis zu Graffiti an Hauswänden. Insofern sind die jüngsten Erklärungen des Augsburger Bischofs Walter Mixa zum Missbrauch an katholischen Schulen, in denen er der „sogenannten sexuellen Revolution“ einen Teil der Schuld gibt, ein Beispiel der Traditionspflege. Man könnte sie als kuriose Zeiterscheinung abhaken, wenn nicht die aufgeregte Reaktion der Grünen und namentlich ihrer Parteivorsitzenden Claudia Roth („beispiellose Verhöhnung der Opfer”) Anlass geben würden, sich mit der Sache doch noch einmal genauer zu befassen.

Es ist nicht mehr vielen präsent, aber gerade die Grünen hatten zum Thema Sexualität und Kinder in ihrer Gründungsphase immer viel zu sagen, wenn auch nicht unbedingt in der Form, die heute noch zeitgemäß erscheint. Ein kleiner Gang ins Archiv belehrt einen zum Beispiel über einen Antrag der grünen Bundestagsfraktion vom Februar 1985, die Strafrechtsparagraphen 175 und 182 ersatzlos zu streichen, da diese „einvernehmliche sexuelle Kontakte“ mit Minderjährigen unter Strafe stellten und dadurch „die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ behinderten. “Mädchen werden als willenlose Objekte männlicher Verführungskunst dargestellt”, heißt es in dem Gesetzentwurf, ”in der Norm drücken sich mithin bürgerliche Moralvorstellungen aus.”

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen forderten im gleichen Jahr auf ihrem Programmparteitag in Lüdenscheid, dass “gewaltfreie Sexualität” zwischen Kindern und Erwachsenen generell nicht länger Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung sein dürfe: Sie sei “im Gegenteil von allen Restriktionen zu befreien, die ihr in dieser Gesellschaft auferlegt sind”. Wie immer, wenn es gegen “gesellschaftliche Unterdrückung” geht, waren die Grünen auch hier ganz vorne mit dabei, in diesem Fall zur Befreiung derjenigen, “die gewaltfreie Sexualität mit Kindern wollen, dazu fähig sind und deren gesamte Existenz von einem Tag auf den anderen vernichtet wird, wenn bekannt wird, dass sie Beziehungen eingegangen sind, die wir alle als für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv ansehen müssen.”

“Einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern müssen straffrei sein”, heißt es in einem Entschluss des Arbeitskreises “Kinder und Jugendliche” der Grünen Baden-Württemberg vom April 1985: “Da Kinder Menschen sind, hat niemand das Recht, sich unter welchem Vorwand auch immer über ihre Rechte auf Selbstbestimmung und persönliches Glück hinwegzusetzen.” Noch deutlicher formulierte es das Wahlprogramm der Alternativen Liste in Berlin: “Es ist unmenschlich, Sexualität nur einer bestimmten Altersstufe und unter bestimmten Bedingungen zuzubilligen. Wenn Jugendliche den Wunsch haben, mit Gleichaltrigen oder Älteren außerhalb der Familie zusammenzuleben, sei es, weil ihre Homosexualität von ihren Eltern nicht akzeptiert wird, sei es, weil sie pädosexuelle Neigungen haben, sei es aus anderen Gründen, muss ihnen die Möglichkeit dazu eingeräumt werden.”

Das alles ist längst Schnee von gestern, so wie es auch aus gutem Grund in Vergessenheit geraten ist, was Daniel Cohn-Bendit, grüne Gründungsfigur und Statthalter der Partei in Brüssel, 1976 über seine Zeit als Erzieher in einem Frankfurter Kindergarten zu berichten wusste: „Ich konnte richtig fühlen, wie die kleinen Mädchen von fünf Jahren schon gelernt hatten, mich anzumachen. Es ist kaum zu glauben. Meist war ich ziemlich entwaffnet. Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach Umständen unterschiedlich reagiert.“

Man soll Leuten nicht endlos ihre Sünden vorhalten – nur wäre es im Gegenzug ganz schön, wenn sie nicht gleich wieder in der ersten Reihe tanzen müssten, wenn es darum geht, von anderen Entschuldigungen zu verlangen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Noah

@Petra
Es gab bereits in einer sehr dunklen Epoche in diesem Land ein mit der von Ihnen immer wieder hervorgekramten Website "kreuz.net" durchaus vergleichbares Medienprodukt.
Der Name dieses Produktes war "Der Stürmer".
Bereits Ihre sich wiederholenden homophoben Jubelschreie über den Umgang Ugandas mit gewissen Minderheiten, lässt auf Ihre tiefbraune Gesinnung schließen.
Ihr letzter Kommentar ist hierfür nur ein weiteres Indiz.

Gravatar: Petra

Bei den Grünen tummeln sich allerhand Gestalten.

Gravatar: Friedemann

Hervorragender Artikel aus der Sicht eines Nichtkatholiken wie mir, ausgewogen, die Ereignisse der 68-Unzeit, zumindest im westlichen Teil Deutschlands und die Sünden der katholischen Kirche in eine zeitliche und sachliche Beziehung zu bringen. Im Gegensatz zu den Grünen scheint die katholische Kirche Lehren aus Versäumnissen ziehen zu wollen. Dazu gehört auch eine Ursachenforschung, und eine Übersexualisierung der Gesellschaft bis hin zur Pädophilie, denen im Gegensatz zur katholischen Kirche eher die Grünen das Wort redeten, gehört zweifelsfrei dazu.

Gravatar: Birgit Kelle

Starker Beitrag. Leider nimmt das selektive deutsche Gedächtnis sowas kaum zur Kenntnis. Was bei dem einen unverzeihlicher Fehler, wird bei anderen als Jugendsünde abgetan. Frei nach Pipi Langstrumpf "Ich bau mir meine Welt, wie sie mir gefällt".

Gravatar: Climax

"Ist ja alle schön und gut aber wieso müssen die Grünen jetzt für sexuelle Übergriffe and Kindern, begangen von katholischen Geistlichen, die ja wohl kaum unter dem Einfluss der 68er Generation stehen, verantwortlich gemacht werden??!!"

Artikel nicht genau gelesen? Da heißt es:

"
Man soll Leuten nicht endlos ihre Sünden vorhalten – nur wäre es im Gegenzug ganz schön, wenn sie nicht gleich wieder in der ersten Reihe tanzen müssten, wenn es darum geht, von anderen Entschuldigungen zu verlangen."

Alles klar?

Gravatar: Bernd Wilhelm

Ist ja alle schön und gut aber wieso müssen die Grünen jetzt für sexuelle Übergriffe and Kindern, begangen von katholischen Geistlichen, die ja wohl kaum unter dem Einfluss der 68er Generation stehen, verantwortlich gemacht werden??!!
Da liesse sich eine Endlose Kette von Schuldzuweisungen aufreihen, denken sie doch mal daran, was vor der 68er Generation in Deutschland los war. Da ist das Pendel einmal in die Gegenrichtung voll ausgeschlagen, hat sich doch aber wohl seit dem auf die wohltuende Mitte eingerichtet.

Straftaten von solch einem Ausmaß einschließlich der jahrzehnte langen Vertuschung durch die katholische Kirche sind einfach der Kirche und den Tätern selbst anzurechnen und nicht einer lang vergangen Zeiterscheinung oder gar den Grünen!

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