Die Geschichte der Arbeitslosenversicherung

Veröffentlicht:
von

Im Deutschen Kaiserreich spielte Arbeitslosigkeit als region- und branchenübergreifendes Phänomen kaum eine Rolle. Durch die Gewerbeordnung von 1869 wurde der Zunftzwang abgeschafft, so dass auf dem deutschen Arbeitsmarkt weitgehend Vertragsfreiheit herrschte. Löhne und Beschäftigung folgten daher weitgehend dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dem entsprechend blieben auch die Ansätze zur Versicherung für das Risiko der Arbeitslosigkeit bescheiden. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb dieser Zustand auf dem Arbeitsmarkt erhalten, was mit dazu beitrug, dass die neun Millionen aus den Streitkräften entlassenen und in der Rüstungsindustrie freigesetzten Arbeitnehmer relativ zügig absorbiert wurden.

Die Fürsorge für die Erwerbslosen übernahm zu einem großen Teil die Zentralregierung. In den kommenden Jahren senkte das Reich seinen Anteil immer weiter und die Kosten für die Arbeitslosenversicherung wurden auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlagert. Im Jahr 1918 hatte das Reich  noch fünfziger Prozent zur Finanzierung beigetragen, zog sich aber bis zum Oktober 1923 fast vollständig zurück.  Diese Verlagerung, die nicht mit entsprechenden Steuer- und Abgabensenkungen an anderer Stelle verbunden waren, führte zu einer Anhebung der Lohnkosten. Im Jahr 1927 wurde das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAG) Verabschiedet. Dies schrieb das Staatsmonopol auf die Arbeitsvermittelung fest, die paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Außerdem war die Arbeitslosenversicherung auf das Einkommen und nicht auf das Risiko bezogen. Die Mitgliedschaft war obligatorisch und die Höchstdauer der Arbeitslosenunterstützung wurde politisch festgelegt.

In der Weltwirtschaftskrise in den Jahren nach 1929 stieg die Arbeitslosigkeit drastisch bis auf 30 Prozent der Erwerbspersonen an. Schrader und Glismann kommen bei ihrer Beurteilung der Arbeitslosenversicherung in der Krise zu dem Ergebnis: „Die Arbeitslosenversicherung des Jahres 1927 hat den Test auf Krisentauglichkeit nicht bestanden. Sie war offensichtlich nicht geeignet, Arbeitslosigkeit abzubauen, im Gegenteil. Wegen der fehlenden Rückkopplung zwischen Arbeitslosigkeit und induzierten Anreizen zur Vermeidung oder zur Verkürzung der Arbeitslosigkeit reduzierte sich die Krisenbekämpfung der Jahre 1929 ff, auf das Bemühen, die buchhalterische Ordnung aufrechtzuerhalten.“

In den dreißiger Jahren spielte die Arbeitslosenversicherung für den Abbau der Arbeitslosigkeit keine erkennbare Rolle, wurde aber dennoch nach der Gründung der Bundesrepublik wieder in der alten Form wieder aufgegriffen. Der deutsche Bundestag begann sich ihm Jahr 1951mit der Arbeitslosenversicherung wieder zu befassen. Wie das Weimarer Vorbild blieb die Arbeitslosenversicherung in staatlicher Verantwortung und war im Grunde keine Versicherung, sondern ein Transfersystem, dass Mittel entsprechend dem letzten Einkommen und dem Familienstand verteilte. Hinzu kamen später Regelungen wie das Schlechtwetter- und Kurzarbeitergeld, die es auch schon in der Weimarer Republik gegeben hatte. Schließlich wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 12 Monaten auf 32 Monate ausgedehnt.

Für die Herausforderung der strukturellen Arbeitslosigkeit, die in der Bundesrepublik seit den siebziger Jahren immer größere Bedeutung gewann, gilt in Hinblick auf die Wirkungen der Arbeitslosenversicherung auf den Beschäftigungstand, was auch schon für die zwanziger und dreißiger Jahre gegolten hatte: „Gemessen an der Entwicklung der Arbeitslosigkeit hat sich das AFG (Arbeitsförderungsgesetz) nicht bewährt. Es diente sowohl zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit als auch einer wachsenden Palette versicherungsferner Leistungen. Eine Parallele zur Zeit der Weimarer Republik drängt sich auf: die weitgehende Wirkungslosigkeit der Arbeitslosenversicherung in Bezug auf Höhe und auf die Dauer der Arbeitslosigkeit.“ (Glismann/Schrader)

Information:

Hans. H. Glismann, Klaus Schrader: Privatisierung der Arbeitslosenversicherung: Ein Konzept für Deutschland, Berlin 2010.

Dieser Beitrag erschien zu erst auf dem Blog des Liberalen Instituts Denken für die Freiheit

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Freigeist

Nach dem Ersten Weltkrieg hat die große Menge an Gefallenen, meist junge Männern, die Arbeitslosigkeit reduziert. So traurig dieser Umstand erscheinen mag.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang