Zwei Dinge haben mich zu diesem Beitrag bewogen: Ein gefundenes Zitat auf der Internetseite und ein kleines Urlaubserlebnis, dass sich mir eingeprägt hat. Das Zitat stammt von der österreichischen Schriftstellerin („Krambambuli“) Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916) und lautet:
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie selbst ihnen anerzogen haben.
Das klingt in seiner Plakativität erst mal richtig, jedenfalls wird man sich die Fehler der eigenen Kinder, für die man selbst die erzieherische Verantwortung übernehmen muss, nur ungern vor Augen halten. Da wäre der Effekt, gerade diese Fehler nur schlecht zu „verzeihen“ (den Begriff finde ich im Zusammenhang mit den eigenen Kindern sowieso eher schwierig) nachvollziehbar.
Mein Urlaubserlebnis stammt aus einer Wanderung, die ich im Chiemgau alleine unternommen habe, und bei der ich für rund vier Stunden keinen Menschen gesehen habe. Frühmorgens innerhalb der Woche gestartet, die Almen noch geschlossen, das Wetter eher durchschnittlich – da hatte sich noch niemand auf den Weg hinaus zum Hochfelln gemacht, außer diesem einsamen Wanderer. Und das war auch das Ziel – alleine zu wandern, vielleicht ein wenig zu beten, und natürlich die Natur zu genießen.
Und im Gespräch mit Gott bin ich dann auf meinen Sohn gekommen, an dem ich viele Eigenschaften entdecke, die ich selber habe oder als kleines Kind aus meiner Erinnerung hatte – und die mir im Rückblick alles andere als hilfreich für mein Leben erscheinen. Ich möchte dabei nicht ins Detail gehen, um meinen Sohn nicht für die Zukunft zu kompromittieren. Außerdem habe ich auf meine Sorge, die ich in dieser Hinsicht um meinen Sohn habe – meine eigenen Fehler zu wiederholen, die er vielleicht durch mich oder meine Art der Erziehung erst erwirbt – eine großartige Antwort bekommen (eher eine Gegenfrage, mit der nach meiner Erfahrung Gott oft antwortet, damit wir die Antworten selber finden): Ob ich denn glaube, dass die Zukunft eines Menschen festgeschrieben sei durch ein paar fragwürdige Erziehungsentscheidungen? Ob ich denn glaube, dass das Leben meines Sohnes, selbst wenn er exakt so wäre wie ich früher, zwingend verlaufen wird wie meines?
Gegenfragen und auch noch rhetorische! Nein, nichts ist vorgezeichnet, wir sind frei in unseren Entscheidungen, und selbst wenn uns Erziehung und kindliche Erfahrungen mehr prägen mögen, als wir uns dessen bewusst sind, legen diese Erfahrungen unser Leben nicht fest. Und doch treibt einen als Vater, der sich seiner „Mängel“ aus Kindheit und Jugend durchaus bewusst ist, Mängel, die sich auch ins Erwachsenenleben fortsetzen, die Sorge um, dass das eigene Kind die eigenen vermeidbaren Fehler wiederholt. Natürlich muss jedes Kind eigene Erfahrungen machen, aber auch abseits der Hand auf der Herdplatte würde man das Kind zwar nicht vor Erfahrungen, aber doch vor dem einen oder anderen Fehler bewahren, den man selbst bereut.
Und so würde ich das obige Zitat gerne umformulieren und die These aufstellen:
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie selber gemacht haben oder noch heute machen.
Kinder sind in dieser Hinsicht ein guter Spiegel des eigenen Lebens. Wenn ich selbst zum Zynismus neige (eine Eigenschaft, die Kindern zum Glück in den ersten Jahren vollständig abgeht) und diese Neigung für falsch halte, dann sehe ich sie bei anderen, und besonders bei den eigenen Kindern, erst Recht kritisch. Wenn ich selbst zu Eigenbrötlerei, zu Aktionismus, Kritizismus etc.pp. neige, generell zu Eigenschaften, die ich im Herzen nicht gut heiße, dann bin ich auch geneigt, diese bei den eigenen Kindern besonders kritisch zu sehen.
Soweit die Analyse – aber wie damit umgehen? Das Gebet und die Antwort Gottes haben mir einerseits noch mal aufgezeigt, dass es eben keine vorgezeichneten Wege gibt. Und andererseits gehört meine Entwicklung, auch meine früheren Fehler, auch meine heutigen, zu meiner Persönlichkeit, die von Gott geliebt oder – was die Neigungen zur Sünde angeht – zumindest barmherzig betrachtet wird. Warum also sollte ich als Vater dem nicht nachstreben?
Das heißt nicht, dass es nicht legitim sein kann, die Kinder vor Fehlern zu bewahren – aber wenn sie sie machen, dann ist das nichts, was ich ihnen nachtragen sollte – genau so wenig, wie mir selbst. Diese Fehler und Erfahrungen sind Teil ihrer Charakterbildung – und wieso sollte ich meinen Kindern nicht auch zutrauen, daraus etwas Besseres zu machen, als ich selbst? Mit Gottes Hilfe wird das gelingen und ich kann vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de
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