Die europäische Fiskalunion oder ein Europa der Vaterländer?

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Die Krise des Euro könnte auch etwas Gutes haben, wenn sie ein rationales Nachdenken über die politische Gestaltung unseres Kontinents auslösen würde. Tut sie aber nicht.

Wir werden Zeugen eines grotesken Vorgangs: Als Nebenprodukt von Euro-Rettungspaketen zeichnen unsere euromantischen Architekten eine zentralistische Eurozone („Fiskalunion“) auf die Landkarte, die sich schon bald als anachronistisch herausstellen wird. Anstatt ein Währungssystem den vorhandenen Kulturen anzupassen, soll ein ganzer Kontinent den Bedürfnissen einer Währungsunion untergeordnet werden.

Während sich Bundespräsident Wulff und Kanzlerin Merkel in ihren Weihnachts- bzw. Neujahrsbotschaften in ihrer Europa-Rhetorik gegenseitig zu übertreffen suchten, hat Alt-Bundespräsident Herzog zum Jahresende dankenswerterweise auf die Bremse getreten und eindringlich vor den “Vereinigten Staaten von Europa“ gewarnt.

„Scheitert der Euro, scheitert Europa“ meint Bundeskanzlerin Merkel. Was für ein Trugschluss! Europa hat es schon lange vor dem Euro gegeben, selbst in der EU gibt es noch zehn Länder, von denen kaum eins noch Lust auf den Euro verspürt. Darüber hinaus gibt es weitere ca. 20 europäische Länder wie z.B. Norwegen oder die Schweiz, die nicht einmal in der EU sind. Und was würde uns Frau Merkel sagen, wenn der Euro tatsächlich scheitern sollte?

Da angesichts des angerichteten Chaos den Befürwortern der Einheitswährung die ökonomischen Argumente ausgegangen sind, werden vermehrt politische Begründungen ins Feld geführt. Wenn gar nichts mehr hilft, wird behauptet, der Euro wäre notwendig zur Friedenssicherung. Einmal ganz davon abgesehen, dass wir auch zu D-Mark-Zeiten im Frieden lebten und seit der Einführung des Euro auch mit unseren Nichteuro-Nachbarn gut auskommen, ist dies Argument auch historisch unsinnig.

Demokratie bringt Frieden, nicht der Euro

Der Friedensgarant heißt Demokratie und nicht Euro. Noch nie hat eine Demokratie eine andere angegriffen. In Einheitswährungsräumen (z.B. Dollar, Dinar und Rubel) gab es dagegen Bürgerkriege und blutige Regionalkonflikte. Deshalb wird umgekehrt „ein Schuh daraus“: die zunehmend undemokratische Krisenbewältigung, das ständige Hineinreden deutscher Politiker in die Angelegenheiten anderer Länder, die Einschränkung des Budgetrechts der Länderparlamente durch demokratisch nicht legitimierte zentralistische Aufsichtsorgane führen zu einer gefährlichen Aushöhlung der Demokratie. Mehr noch, wir beobachten jetzt schon immer öfter Zwist und Zwietracht innerhalb der Eurozone und eine ständige Verbreiterung des Grabens zwischen dieser und den Nichteuroländern.

Der Euro erreicht das genaue Gegenteil von dem, was er mal erreichen sollte. Es ist zu befürchten, dass unsere Politiker jetzt nicht den Mut aufbringen, ihren kapitalen Fehler einzugestehen und stattdessen weiter auf „Augen zu und durch“ setzen werden. Erst wenn der Scherbenhaufen so groß ist, dass die Bürger ihn nicht mehr übersehen können, wird der verhängnisvolle Marsch in einen europäischen Zentralstaat abgebrochen und wieder auf ein „Europa der Vaterländer“ gesetzt. Das wird nur mit anderen Politikern als solchen möglich sein, die diesen immensen Schaden angerichtet haben.

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Horatio Nelson

Vielen dank Herr Professor für dieses hervorragende Exposé der auf diesem Kontinent noch immer herrschenden maroden politischen Strukturen und verwerflichen Handlungen und Denkweisen. Trotz des nunmehr unbestrittenen Scheiterns ihres Anliegens, scheinen diese gefährlich ewiggestrigen "Europa"-Apostel noch immer über Rückenwind zu verfügen.
Wahr ist, daß der "Euro", ja gar "Europa", nicht Frieden sondern Armut, Feindschaft, Verfeindung, Spannung und Haß erbracht hat und sie weiterhin vorantreibt.
Bloß eine Bemerkung zu Ihrem Vorschlag einen "Nord-" und einen "Südeuro" zu erschaffen. Mit Verlaub zu sagen, wäre dieser Vorstoß keine Lösung und keine glaubwürdige Alternative zur Vielfalt der ursprünglichen einzelnen freien und echten Währungen. Die erstickenden Strukturen würden weiterhin bestehen und ihr schädliches Wirken fortführen. Ein solches Vorhaben schlösse, genauso wie das jetzige katastrophale Politzahlungsmittel "Euro", die Augen zu den Tatsachen der vielfältigen im wirklichen Europa tatsächlich herrschenden industriellen und wirtschaftlichen Infrastrukturen. Eine künstliche Währung jeglicher Art, würde in gleicher Weise die einzelnen Wirtschaften ersticken, ihnen die notwendige Freiheit und Flexibilität verwehren.
Mit freundlichen Grüßen
Horatio Nelson.

Gravatar: Andreas

Ich kann Ihrem Artikel nur zustimmen. Übrigens ist es schön, das es die Umschreibung "Europa der Vaterländer" noch gibt, und sie noch nicht von den Genderideologen missbraucht und entsprechend geändert wurde. Denn nur von Vaterländern zu sprechen ist ja in deren Augen "diskriminierend".

Gravatar: Hans von Atzigen

Sehr treffender Beitrag.
Da erleben wir hautnah zu welchen entsetzlichen Desastern borniertes von
Ideologiewahn getriebenes Denken und handeln führt.
Imperium Europa das ist Grossmachtwahn
um wie es scheint jeden Preis.
Auch der Umstand das dieser Grossmachtwahn im Schafspelz sich präsentiert ändert daran nichts.

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