Bruno Kreisky ist von mir in vielen Fragen immer mit kritischer Distanz begleitet worden. So war er sicher zusammen mit Hannes Androsch der Auslöser der seither (mit Ausnahme einiger Jahre nach der Jahrtausendwende) immer weiter eskalierenden Staatsverschuldung. In einer anderen wesentlichen Frage war ich freilich immer in seinem Lager. Und gerade da macht sich heute große Nostalgie nach seiner Haltung breit: nämlich nach seinem ehrlich gemeinten Bekenntnis zur „Demokratisierung“. Er wollte immer mehr Bereiche des politischen und öffentlichen Lebens mit Demokratie, mit Mitbestimmung der Bürger und Betroffenen füllen.
In etlichen Bereichen wurde das auch umgesetzt: So wurde Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften eingeführt. So wurden die Studentenrechte an den Universitäten stark ausgeweitet. So setzte Kreisky das – dann nicht in seinem Sinne ausgehende! – Referendum über Atomkraftnutzung an, die erste echte Volksabstimmung der Geschichte.
Doch heute ist der Geist der Demokratisierung total erloschen. Insbesondere in der SPÖ will man davon nichts mehr wissen. Aber auch in der ÖVP ist nur eine kleine Minderheit dafür. Was noch schlimmer ist: Es gibt auch wenig öffentlichen Protest dagegen, dass da heute ein demokratisches Recht nach dem anderen demontiert, zurückgedrängt wird. Die Machthaber wollen lieber wieder unter sich bleiben. Je weniger Mandate SPÖ, ÖVP und Grüne haben, umso mehr klammern sie sich an die Macht, die ihnen noch verblieben ist, umso mehr drängen sie das gewöhnliche Volk hinaus.
Das allerjüngste Beispiel dafür sind die Schulbehörden. Stadt- und Landesschulräte werden nicht mehr eine demokratisch zusammengesetzte Kollegialbehörde sein. Künftig gibt es dort nur noch den direkten politischen Zugriff. Als signifikantes Zeichen dieses Durchgriffs wird in Wien die bisherige Stadtschulratspräsidentin, die jedenfalls eine ausgewiesene AHS-Lehrerin mit eigenständiger Meinung ist, durch einen SPÖ-Gemeinderat ohne jede Schulerfahrung ersetzt. Ein verheerendes Signal.
Noch schlimmer ist die gleichzeitig beschlossene Entmachtung der Eltern- und Lehrervertreter in den Schulen (sowie der Schüler in den höheren Klassen): Bisher haben sie demokratisch die Umwandlung eines Gymnasiums in eine Gesamtschule („Neue Mittelschule“) verhindern können. Was sie auch fast überall taten, um die Qualität der Erziehung und Bildung zu verteidigen. Damit ist es künftig aus: Jetzt entscheidet ganz alleine die Politik über einen solchen Wechsel einer Gymnasiumsunterstufe zu einer Zwangsgesamtschule. Was vor allem viele Eltern mit Zorn erfüllt. Aber eben mit ohnmächtigen Zorn.
Vollständiger Beitrag erschienen auf andreas-unterberger.at
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