Die Deutungshoheit ist längst verloren

Nicht mehr das Recht auf Leben eines jeden Menschen bestimmt die Diskussion, vielmehr steht ein „Recht auf Abtreibung“ im diskursiven Raum der Gesellschaft. Christen haben die Deutungshoheit verloren.

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Es ist mehr als nur ein Verlust der Deutungshoheit. Es ist der Verlust der gesellschaftlichen Partizipation, der sich abzeichnet. Am Beispiel der Abtreibung zeigte der Historiker Michael F. Feldkamp bei einem Vortrag in Berlin auf, daß dies Feld für Christen längst verloren ist. Ein Artikel dazu von Tobias Klein auf kath.net. Nicht mehr das Recht auf Leben eines jeden Menschen bestimmt die Diskussion, vielmehr steht ein (allerdings legitm nicht darstellbares) „Recht auf Abtreibung“ im diskursiven Raum der Gesellschaft. Weil natürlich jeder Mensch instinktiv ahnt, daß bei einer Abtreibung ein Mensch sterben muß (das Kind) und mindestens ein weiterer Mensch schwer geschädigt wird (die Mutter), flüchtet man in eine verschleiernde Sprache. Man redet von reproduktiver Gesundheit und meint damit den Gesamtkomplex von Verhütung, künstlicher Befruchtung, PID und Abtreibung. Man könnte völlig zu Recht von einer Reproduktionsverhinderungsmedizin sprechen. Mit dem Strafrecht, so Feldkamp völlig zu Recht, ist in unserer Gesellschaft dem Abtreibungselend nicht mehr beizukommen. Keine Fraktion im Deutschen Bundestag sieht derzeit eine Veranlassung, die Rechtslage zu überprüfen. Die einen, weil sie befürchten müssen, am Ende doch noch bei einer Fristenlösung zu landen, die anderen, weil man in der Veröffentlichten Meinung längst die Lufthoheit erobert hat und kaum jemand die Rechtslage noch realistisch darstellt. Abtreibung ist in Deutschland nach wie vor rechtswidrig. Sie bleibt in bestimmten, genau geregelten Fällen straffrei. Die Öffentlichkeit denkt längst anders. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland dürften längst dem Rechtirrtum aufgesessen sein, Abtreibung sei legal. Das ist der Stand.

Nun zeichnet sich die Lebensrechtsbewegung in Deutschland eben auch dadurch aus, daß sie in einer permanenten Abwehrhaltung wahrgenommen wird. Das ist das Problem. Wer – grob gesagt – immer nur dagegen ist, wird niemals eine gesellschaftlich prägende Kraft werden. Der Bruch liegt in 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In der Aufbauphase unseres Landes nach dem II. Weltkrieg hatten linke in unserem Land allenfalls die Salons, aber nicht die praktisch- politische Handlungsplattform und bei weitem nicht die gesellschaftliche Deutungshoheit. Erst das Scheitern der 68er Revolte und der gelungene Marsch durch die Institutionen verändert die Republik nachhaltig. Wie die Vordenker der linken Bewegungen über unsere Verfassung denken, zeigt sich exemplarisch an einem Ausbruch Martin Walsers auf dem Deutschlehrerkongress im August 1974:

Irrationale Heiligsprechungen und fanatische Beschwörungen eines Grundgesetzes, das noch keine 50 Jahre alt ist, Berufsverbote, Diffamierungsmechanismen leisester Art, lächelndste Intoleranz, auf Qualitätsurteile gegründet, also unpolitisch daherkommende Zensur, honorigster Terror: Das sind die Kennzeichen der intellektuellen Klimas der BRD in den letzten fünf Jahren … [zitiert nach: Steinbuch, Karl. Ja zur Wirklichkeit. Stuttgart 21975. S. 21.]

Man hat sich längst angeschickt, die Verfassung umzudeuten. Die angenommenen Mechanismen hat man einfach selber übernommen. Als hätte Walser 1974 das Progamm der nächsten 40 Jahre aufgezeichnet, indem er das gefühlte Klima einfach umdreht und adaptiert.

Bereits 1974 übrigens hatte eine Umfrage unter Journalisten ergeben, daß man sich zu 80% eher der SPD/ FDP und nur zu 20% der CDU nahestehend fühlte. Der Wandel in der veröffentlichten Meinung und die Diskrepanz zur öffentlichen Meinung war schon damals wahrnehmbar. Grüne gab es in den 70ern noch nicht und der Kommunismus saß auf der anderen Seite der Mauer. Wer sich heute in Redaktionsstuben umsieht, findet ein nicht so viel anderes Bild. Die Tatsache, daß die CDU immer noch Wahlen gewinnt, zeigt, wie widerstandsfähig die Meinungen der Menschen gegenüber Indoktrination dann doch immer noch ist.

Fakt allerdings ist, daß 40 Jahre nicht spurlos an unserem Land vorbei gegangen sind. Dachte man unmittelbar nach der Wende, der Kommunismus sei nun endgültig erledigt, so müssen wir uns im Jahr 2015 eines besseren belehren lassen. Die Linke stellt bereits in einem Bundesland den Ministerpräsidenten und ist beängstigend stark im Bundestag vertreten. Nur eine starke CDU kann auf Dauer vor einer Regierungsbeteiligung der Linken an einer Bundesregierung schützen. Nur, wie stark ist die CDU noch?

Fragen der Bioethik, der Frage nach dem Lebensrecht des Menschen können wie ein Lackmustest die Stärke anzeigen, mit der eine christliche Politik noch im Diskurs ist. Aber auch ganz aktuell die Frage nach der Familie als Keimzelle der Gesellschaft, wie sie unser Grundgesetz vorsieht. Gerade die Familie ist in dieser Funktion den Linken ein ganz großer Dorn im Auge. Ihre Auflösung und Dekonstruktion (mittels Neudefinition) um dann eben alle denkbaren und bislang noch undenkbaren Konstellationen unter den Art. 6 GG stellen. Die Verfassung dekonstruiert man zur Not gleich noch mit. Man muß nur die „richtigen“ Definitionen finden. Das hat Methode, nicht nur im Blick auf den Artikel 6 GG.

Und schon ist man als Konservativer erneut in der Verhinderungsfalle. Wieder sind Konservative nur dagegen und zeigen sich als Bremsen des vermeintlichen Fortschritts. Dabei liegt die Basis für den Gegenentwurf doch geradezu auf der Hand. Feldkamp ist zuzustimmen, daß wir den Kampf um die Gestaltung von Normen im Strafgesetzbuch im Grunde längst verloren haben. Doch das Strafgesetzbuch ist beileibe nicht die Lösung für alle Fragen. Wir leben nach wie vor in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft. Die Basis dieser Gesellschaft ist das Grundgesetz als eine Verfassung, von der sich viele andere Verfassungen eine Scheibe abschneiden können.

Es beginnt schon mit der Präambel, die

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,

ein klares Bekenntnis zu den Grundrechten abgibt, an deren erste Stelle Art 1

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

seinen vornehmste Platz hat. In Absatz 2 des Art. 1 GG folgt eine weitere wichtige Aussage:

Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Es handelt sich also nach dem Willen und der Überzeugung der Väter und Mütter unseres Grundgesetzes hier nicht um positivistisch gesetztes Recht sondern um unveräußerliche Rechte, die dem Menschen an sich zu eigen sind. Dieses Bekenntnis, wohlgemerkt in Verantwortung vor Gott und dem Menschen und unveränderlich und unveräußerlich steht als Handlungsanweisung für den Staat in seinen Organen, aber auch für jeden Bürger im Land weit über jeder Strafrechtsnorm, natürlich ohne diese auszuhebeln. Um positive Handlungen zu umschreiben, braucht es kein Strafrecht, aber die Würde des Menschen und das Bekenntnis unserer Verfassung zur Verantwortung vor Gott und den Menschen ist eine exzellente Basis.

Eine weitere Basis ist die positive Umschreibung von Handlungsmaximen. Christen treiben nicht ab. Christen geben ihren Angehörigen keine Hilfe zum Suizid. Christen leisten keine aktive Sterbehilfe, in dem Sinne, daß sie einen Menschen aktiv töten. Für Christen ist die Ehe eine auf Dauer angelegte, bei Katholiken und Orthodoxen sakramentale, Verbindung zwischen Mann und Frau. Die Familie steht für Christen als Keimzelle der Gesellschaft auf der Basis der Ehe. Diese Beispiele mögen reichen. Mit all diesen Handlungsmaximen, das wird niemand bestreiten können, steht man auf der Basis des Grundgesetzes. Mit rationalen Argumenten untermauert kann man deutlich machen, warum ein befolgen dieser Handlungsmaxime vernünftig und für Gesellschaft (nicht zuletzt im Sinne des Grundgetzes) fruchtbar ist.

Das heißt dann natürlich nicht, daß man sich nicht von gesellschaftlichen Fehlentwicklungen oder Fehlsteuerungen abgrenzen darf. Ganz im Gegenteil. Man darf sich als Christ sehr wohl weigern, ja man muß es sogar, vor irgendeiner Kaiserstatue zu opfern. Aktuell verlangt ja besonders der nackte Genderkaiser eines Akzeptanzbildungsaktionsplanes in BuWü oder anderswo seine Weihrauchopfer. Die sind zu verweigern. Da ist Widerstand nötig und geboten.

Aber der Widerstand sollte eben niemals nur Widerstand sein, er sollte zugleich ein Alternativbild zeigen, das vernünftig begründet ist. Es ist völlig unfruchtbar sich nur im Dagegen-sein einzuigeln. Wollen wir im gesellschaftlichen und politischen Diskurs wieder mitspielen, sollte der Blick nicht primär auf das gehen, was wir abwenden wollen, sondern auf das, was wir erreichen wollen und die Wege, wie es zu erreichen ist. Dabei gilt es unbedingt erreichbare Ziele zu formulieren. Eine Reform des §218 StGB, der dann jegliche Abtreibung grundsätzlich verbietet, ist unrealistisch. Warum also sollte man so etwas anstreben? Eine breitestmögliche gesellschaftliche Ächtung der Abtreibung, indem man in erster Linie auf die Würde des ungeborenen Menschen und seine Grundrechte hinweist, sollte mittelfristig machbar sein. Dabei steht nicht die Ächtung der Abtreibung im Vordergrund, sondern die Alternativen und politische Forderungen, die zu dem Zwecke mit Augenmaß zu stellen sind. Da wäre zum Beispiel ein Ausbau der Beratungs- und Hilfsangebote zu postulieren. Da wäre die Forderung nach einem Willkomensgeld für jedes neugeborene Kind. Da wäre eine landespolitische Inititative für den Ausbau des Betreuungsgeldes. Die Zuständigkeit dafür ist erst heute vom BVerfG an die Länder verwiesen worden. Da können Familienpolitker und engagierte Bürger mal zeigen, was sie familienpolitisch drauf haben. Da wäre aber auch die Forderung nach Untersuchung der Folgen von Abtreibung, z.B. das Postabortionssyndrom oder eben auch die bevölkerungspolitischen Folgen exakter wissenschaftlicher Betrachtung zu unterziehen.

Wollen wir wieder mitmischen, dann brauchen wir Ziele.

Es ist an der Zeit, diese Ziele positiv zu formulieren. Das wäre ein guter erster Schritt.

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Sie verschließen trotz aller Anerkennung des gesellschaftlichen Wandels die Augen davor, dass unsere Gesellschaft gottlos geworden ist. Als Christ sollte ihnen bewusst sein, dass diese Gottlosigkeit nicht folgenlos bleiben kann, sondern letztlich in der Barbarei endet, menschengemachtes Grundgesetz hin oder her. Es spielt dabei keine Rolle, dass sich die Atheisten selbst auch noch besonders gut und fortschrittlich vorkommen, letztlich bereiten sie doch nur den Weg für ihren eigenen Untergang und Gott lässt dies zu: „Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten.“ Für Christen ist daher die Absonderung von dieser perversen Kultur das Gebot der Stunde und nicht der Versuch, positiv auf das Perverse einzuwirken. So war es zu Beginn des Christentums im römischen Reich, so hätte es wohl seitdem auch immer sein sollen und so wird es wohl wieder kommen.

Gravatar: emporda

Auf zu neuen Ziele der edlen guten Religion

Laut RKK Dogma No.381 sind Fasten, Almosen und der Kriegsdienst für Zombies ewige Gnade unverzichtbar, Kritiker gerechter Kriege erleiden sofort die grauenhafte Höllenpein.

Die Kriege führen zu 95% edle Christen, Priester segnen die Waffen und versprechen den Einfaltspinseln glorreiche Siege wie die RKK 1914 „die Heilsfrüchte des Krieges für die herrlichen Erfolge und Siege, mit denen der Himmel unsere Waffen gesegnet hat --- und den Feind für seine Gottlosigkeit zu züchtigen", Kriegsopfer sind immer schwach im Glauben.

Die RKK segnet ebenso die Waffen der gottlosen Feinde und verspricht auch ihnen glorreiche Siege, beide Kriegsparteien haben Militärbischöfe, die auf Gott gefälliges Töten der bösen Feinde achten.

Kardinal Michael Faulhaber, Erzbischof von München und Freising, schwurbelt poetisch: "Die Kanonen des Krieges sind Sprachrohre der rufenden Gnade Gottes. Krieg ist der Triumph der sittlichen Weltordnung"

Kardinal Meisner als spezielle RKK Dumpfbacke macht Kriegswerbung: "Ein Volk könne nur beruhigt sein, wenn es wisse, dass die Waffen zur Verteidigung und Erhaltung des Friedens in Händen seien, deren Köpfe und Herzen um ihre Verantwortung vor Gott und der Welt wissen. In betenden Händen' sei die Waffe vor Missbrauch sicher".

Der all-wissende Popanz Bergoglio fordert laut RKK Dogma 381 Krieg "Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Einen Dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen."

Auch Martin Luther als paranoider Fundamentalist definiert gerechte Kriege: “In solch einem Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost zu würgen, zu rauben, zu brennen und alles zu tun, was schädlich ist, bis man sie überwinde. Ob es wohl nicht so scheint, daß Würgen und Rauben ein Werk der Liebe ist, weshalb ein Einfältiger denkt, es sei kein christliches Werk und zieme nicht einem Christen zu tun: so ist es doch in Wahrheit auch ein Werk der Liebe.” und weiter "Denn die Hand, die das Schwert führt und tötet, ist dann auch nicht mehr eines Menschen Hand, sondern Gottes Hand, und nicht der Mensch, sondern Gott henkt, rädert, enthauptet, tötet und führt den Krieg. Das alles sind seine Werke und sein Gericht".

Dann kann der Papst entscheiden, wer im totalen Krig Gewinner ist und nicht in die Hölle kommt wie die zig Millionen Opfer

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