Deutschland braucht Russland – und umgekehrt

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In der Zwickmühle zwischen nationalen und fremden Interessen – Zwei historische Beispiele der Verständigung unter beiden Staaten: Tauroggen und Rapallo

Im Konflikt der politischen Führung des Westens mit Putin-Russland um die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland sind die Deutschen gespalten. Eine zumindest sehr starke Minderheit, ist mit der westlichen Reaktion auf die (Wieder-)Eingliederung der Krim in Russland und mit der westlichen Einmischung in die Ukraine nicht einverstanden. Sie spürt, dass es vermutlich schwerwiegende Folgen haben wird, wenn der Westen, verkörpert durch die USA und die Europäische Union, Russland zu dicht auf die Pelle rückt und dieses große Land unnötig herausfordert und zu Gegenreaktionen nötigt.  Weiterlesen

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Paul Mittelsdorf

Sehr geehrter Herr Krause,

danke für Ihre nun doch etwas längere Antwort. Auch wenn Sie an einer weiteren Diskussion kein Interesse mehr haben, so werde ich trotzdem noch einmal schreiben.

In Bezug auf die Frage, wie denn die Freiheit der Ukraine außerhalb der Nato zu garantieren sei, antworten Sie: Diplomatie. Ich muß dazu sagen, daß ich die Frage an Sie wirklich ernst gemeint habe, quasi "eine Frage auf Leben und Tod". Was würden Sie als westlich orientierter ukrainischer Staatspräsident tun? Würden Sie, wenn Sie für ein Volk verantwortlich sind, der Diplomatie tatsächlich so sehr vertrauen? Dazu ein Beispiel, welches aufzeigt, wie hilflos und trügerisch solch ein Denken sein kann: Sie haben sicherlich vom Budapester Memorandum gehört, welches 1994 zwischen Rußland, den USA und Großbritannien abgeschlossen wurde. In diesem Vertrag einigten sich die drei Länder, die Grenzen unter anderem der Ukraine und ihre Eigenständigkeit zu achten. Sie sehen selbst, was dieser Vertrag wert ist. Die USA und Großbritannien und selbst die UN haben Rußlands Annektion der Krim als Bruch des Budapester Memorandums gewertet. Und was ist passiert? - Nichts. Es gilt das Recht des Faktischen und damit des Stärkeren. Der Vertrag ist wertlos, denn niemand wird wegen der Krim, auch nicht wegen der Ostukraine, ja nicht einmal wegen der Ukraine an sich, einen größeren Krieg mit Rußland riskieren. Das weiß Putin. Und deswegen ist Diplomatie in diesem Falle nur ein anderes Wort dafür, die Ukraine sich selbst zu überlassen.

Diese Haltung taucht in dem, was Sie schreiben, immer wieder auf. Aus welchen Gründen auch immer vertreten Sie folgende geopolitische Meinung: Wir können es uns nicht leisten, Rußland zum Feind zu haben. Abgesehen davon, daß Sie damit das Völkerrecht zu den Akten legen können, frage ich Sie hinsichtlich der Erfahrungen des Kalten Krieges: Warum? Warum können wir uns Rußland nicht zum Feind machen? Und ja, ich weiß, für Sie ist diese Diskussion beendet. Also sehen Sie diese Fragen nicht als bindend bezüglich einer Antwort an.

Sie verweisen auf Ihre Zusammenfassung der Tagung zum Thema, ob wir mehr Angst vor den USA oder Rußland haben müssen. Ein wiederkehrendes Argument, welches dort gegen eine Konfrontation mit Rußland angeführt ist, lautet: Sanktionen könnten Rußland in die Arme von China treiben.
Und wieder eine simple Frage: Na und? Das war während des Kalten Krieges nicht anders und es hat den Kommunisten mehr geschadet als uns. Auf die Appeasement-Sicht, die Sie vertreten, bin ich während meines Geschichtsstudiums, als ich mich mit der Rolle des Westens zum Kommunismus beschäftigt habe, unzählige Male gestoßen. Jahrzehntelang haben Intellektuelle und Politiker davor gewarnt, sich Rußland und/oder China zum Feind zu machen. Ganz im Gegenteil: Man sollte auf diese Länder zugehen und sie in Gespräche miteinbeziehen, Verständnis für sie haben, nicht mit der "westlichen Brille" auf sie herabsehen usw. Es ist immer wieder schön, daß es in der normalen Wirklichkeit der so verabscheute (und nun immer wieder als abschreckendes Beispiel genannte) Kalte Krieg gewesen ist, welcher den Kommunismus gestürzt hat. Letzterer Fakt ist für mich, da ich einige Jahre in der DDR aufgewachsen bin, ehe die Mauer fiel, nicht ganz unbedeutend. Für meine Freiheit heutzutage sind keine schönklingenden Phrasen a´la "Verständigung" und "Diplomatie" verantwortlich, sondern Politiker wie Reagan und Thatcher, die sich nicht gescheut haben, im Kommunismus etwas Böses zu sehen und das nicht nur zu sagen, sondern auch entsprechend zu handeln.


Auf alle meine Fragen hinsichtlich der Freiheit der osteuropäischen Ländern antworten Sie entweder sehr vage oder in der Form, daß Ihnen die friedlichen Beziehungen zu Rußland wichtiger sind als die Eigenständigkeit der Länder, die sich im "Einflußgebiet" von Rußland befinden. Das ist eine traurige Einsicht: Die Befindlichkeiten eines despotisch regierten Landes sollen also einer Demokratie wichtiger sein als kleinere, schwächere Länder, die ebenfalls demokratisch denken? - Bei solchen Worten zweifele ich mal wieder daran, ob es nicht ein Fehler der Amerikaner war, den Westdeutschen jene Freiheit zu schenken, die sie seit dem Zweiten Weltkrieg genießen dürfen.

Sie sehen in der Osterweiterung der Nato eine Provokation. Nicht, weil die Nato Rußland in irgendeiner Form bedroht, sondern weil sich Rußland provoziert fühlt. Und wie Sie schon erwähnt haben, Sie finden es nicht gut, wenn die Nato Rußland provoziert. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Schutz und damit keine Eigenständigkeit für die osteuropäischen Staaten. Ich finde es schade, daß Ihr Begriff von Freiheit und Liberalismus anscheinend nur auf Deutschland ausgerichtet ist. Zudem ist es aufschlußreich, daß Provokationen Ihrer Meinung dann Provokationen sind, wenn bestimmte Leute dies so empfinden. Mit dieser Argumentation können wir die Meinungsfreiheit abschaffen. Siehe Karikaturenstreit in Dänemark. Sie Salman Rushdie. Siehe Dieter Nuhr.

Sie geben zu, daß wir uns in Hinsicht auf Rußland dem Recht des Stärkeren beugen sollen. Sie verweisen darauf, daß wir dies ja auch tun, was die USA betrifft. Leider nennen Sie keine Beispiele.
Mir ist noch in Erinnerung, daß wir z.B. am Irakkrieg nicht teilgenommen haben. Welche jüngeren Kriege der USA lassen sich mit dem Recht des Stärkeren begründen? Irak? - Nein. Hussein hat Friedensvereinbarungen gebochen. Afghanistan? - Nein. Die Taliban hatten unzählige Camps, in denen Terroristen ausgebildet wurden. Kosovo? - Nein. Da gab es Verfolgungen, Massaker, Vergewaltigungen. Wer dabei tatenlos zusieht, ist für mich ohne Herz. Aber was ist in der Ukraine passiert? Hat die Ukraine Friedensverträge mit den Russen gebrochen? Gab es Verfolgungen und Massaker? Wurden Russen gelyncht? Oder besaß die Ukraine Lager, in denen unverhohlen Terroristen ausgebildet wurden, die dann nach Rußland zogen und dort Menschen in die Luft sprengten? Nein, natürlich nicht. Warum also vergleichen Sie das Handeln Rußlands mit dem der USA?

Mich würde interessieren, inwieweit die Schweiz von den USA unterdrückt wird? Bestimmen die Amerikaner, wer dort regiert? Verbieten sie Volksabstimmungen, die es ja in der Schweiz noch gibt? Nur mal zum Vergleich: In Südossetien regieren jetzt die Russen. Und genau so läuft es auf der Krim und bald in der Ostukraine. Ich verstehe nicht, wie man das und die Situation in der Schweiz in einem Atemzug nennen kann. Sie vergleichen Dinge, die man nicht miteinander vergleichen kann, ohne bestimmte Werte vollkommen zu relativieren.

Sie schreiben, die Länder, die an Rußland grenzen, hätten ein Recht auf Freiheit. Gleichzeitig konterkarieren Sie diese Aussage, da Sie ja Ihrer Meinung nach nicht einmal das Recht haben, zu entscheiden, ob Sie in die Nato dürfen oder nicht. Und die Ukraine hat sich nun dem Willen Moskaus zu beugen, wenn dieses möchte, daß die Krim wieder russisch wird und die Ostkraine dazu. Schöne Freiheit.

Zu Punkt zwei: Für Sie ist ein potentielles Engagement Rußlands in Tschechien, Luxemburg oder Dänemark eine friedensstiftende Verflechtung. Ein Engagement des Westens in der Ukraine aber eine Provokation gegenüber Rußland. Diese Logik verstehe ich nicht.

Zu Punkt drei: Es zählt also nicht das, was sich nachweisen läßt, sondern nur das, was Rußland befürchtet. Und warum zählt dann bei allen osteuropäischen Staaten nicht, wovor diese (aus gutem Grund) Angst haben? - Da sind wir wieder beim Recht des Stärkeren, was ich grundsätzlich ablehne.

Zu Punkt vier: Ja, ich vergleiche Putin mit Hitler. Auch damals hat sich kein Land getraut, ihn wegen der Besetzung des Sudetenlandes unter Druck zu setzen. Aus denselben Gründen, die Sie anführen: Geopolitik. Mögen die Folgen auch andere sein, die Argumentationsmuster ähneln sich.

Sie geben zu, daß es Rußland nichts angeht, ob wir uns in der Ukraine engagieren. Sie entkräften dieses plötzliche Eintreten für die Souveränität der Ukraine aber sofort, indem Sie hinzufügen: "Es kommt aber darauf an, was das für eine Unterstützung ist". Nun, da Sie ja nichts weiter dazu sagen: Welche Unterstützung war es denn, die Putin dazu legitimiert hat, die Ukraine anzugreifen? Daß EU-Diplomaten nach Kiew geflogen sind? Daß wir uns wagen, daran zu denken, die Ukraine in die Nato aufzunehmen? Wie schon ein paar Mal erwähnt: Die Art von Freiheit, von der Sie sprechen, hat mit Freiheit nichts zu tun.

Woher ich weiß, daß Putin gewaltsam in die Ukraine eingedrungen ist? Woher kommen denn dann die russischen Soldaten in der Ukraine? Woher haben die "Separatisten" die vielen Waffen? Sie glauben wohl doch nicht tatsächlich im Ernst daran, daß Putin sie nicht unterstützt?
Und warum rechtfertigen Sie die Gewalt, die von Putin ausgeht, mit zweifelhaften Aktionen der Amerikaner? Wenn diese jemanden angreifen, meldet sich kein Mensch, auch Sie nicht, zu Wort und schreit: "Halt, wir haben kein Recht, die Amerikaner anzuklagen, denn bitte schön: Putin hat Teile Georgiens annektiert, und die Chinesen Tibet, und die Türkei einen Teil von Zypern - entweder es halten sich alle ans Völkerrecht oder gar keiner!" Nein - solche Stimmen habe ich weder während des Kosovokonflikts, noch hinsichtlich Afghanistan oder in Bezug auf den Irak gehört. Schon gar nicht hier in Deutschland. Da gab es eher Demonstrationen gegen die Kriegseinsätze, siehe Kosovo und Irak. Und wenn wir bei diesem Thema sind: Es ist falsch, die Ukraine mit diesen drei Kriegen zu vergleichen. Ich habe schon mal erwähnt, warum.

Auch was die demokratische Situation in Rußland betrifft, weichen Sie aus.

Sie schreiben: "Ja, gewiss. Und für die Freiheitsrechte eintreten müssen wir selbstverständlich."

Ich finde, Sie treten nicht für Freiheitsrechte ein, sondern, auch wenn ich mich hier wiederhole, für das Recht des Stärkeren. Beides läßt sich in diesem Fall nicht unter einen Hut bringen. Und von "politischen Realitäten" haben auch Intellektuelle und Politiker während des Kalten Krieges geredet, mit dem Verweis, der Sowjetunion nicht zu nahe zu treten. Alle diese Leute haben Unrecht behalten, die sogenannten Hardliner, die Einzigen, denen die Menschenrechte in den kommunistischen Ländern nicht egal waren, sie haben letzten Endes die Freiheit nach Osteuropa gebracht.

Danke für den Link zum Interview mit Frau Krone-Schmalz. Ich habe es mir angehört. Glauben Sie mir, wenn ich irgendeinen Fakt gefunden hätte, der darauf hingewiesen hätte, daß unsere Medien Putin systematisch schlechtreden, dann würde ich das fairerweise zugeben. Was von dem Interview bleibt: Irgendwer hat mal von "pro-russischem Mob" geschrieben, ohne daß der Zusammenhang erwähnt wird und man dieses Zitat entsprechend bewerten könnte. Sicherlich ist es falsch, von "Mob" zu reden, wenn nichts Schlimmes passiert ist. Man darf es aber schon, wenn Menschen hinter anderen Menschen her rennen und diese lynchen. Da Frau Krone-Schmalz keinerlei Anstalten machte, das Zitat zu erklären ind der sehr nachsichtige Reporter auch nicht weiter nachfragte, bleibt die Anschuldigung sehr blass. Und: Die böse westliche Presse spricht tatsächlich von "Zündeln", wenn man Putins Handeln in der Ukraine beschreibt, aber das findet Frau Krone-Schmalz nicht objektiv genug. Und ja, letztere (übrigens Rußland sehr freundlich gesinnte) Frau ist die Objektivität in Person, wenn Sie Herrn Klitschko, ich zitiere: "Einen Witz" nennt. Soweit zu den 18 Minuten dieses Videos.

Zusammenfassung: Leider habe ich den Eindruck, daß Sie in Ihren Antworten meinen Fragen ausweichen. Untergründig verteidigen Sie das Recht Rußlands, in seinem Grenzgebiet zu tun, was es möchte, weil es die Mittel dazu besitzt. Wie gesagt, ich bin grundsätzlich der Meinung, daß man sich Diktatoren beziehungsweise Despoten in den Weg stellen sollte, auch wenn man damit Nachteile in Kauf nehmen muß. Das sind wir dem Kampf vieler, vieler Menschen für Freiheits- und Menschenrechte schuldig. Sie verweisen auf die "Geopolitik" und die "politischen Realitäten". Wie gesagt, das haben Leute während des Kalten Krieges auch getan, zum Glück ohne größeren Einfluß bei Leuten wie Reagan und Thatcher. Die "politischen Realitäten" bestimmen nämlich auch wir mit unseren Entscheidungen und unserem Handeln.

Gravatar: Klaus Peter Krause

Sehr geehrter Herr Mittelsdorf, hier die versprochene Antwort. Aber ich kann wirklich nicht auf alles eingehen und muss mich auf dies beschränken, so unvollkommen es auch ist:
- Wie ich zur Osterweiterung der Nato stehe? Also bis in die Ukraine an Russlands Ostgrenze? Ich halte das für falsch und gefährlich. Aber es kollidiert mit dem Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, wenn die in die Nato will aber nicht dürfen soll. Lösung: Diplomatie. Dafür ist sie da.
- Ob ich die Nato-Osterweiterung in die Ukraine für eine Provokation halte? Ja, weil Russland darin eine sieht. Das ist zu respektieren. Wir brauchen gute Beziehungen auch mit Russland, keine feindlichen. Sicherheit und Eigenständigkeit der Ukraine sind dann nicht oder zumindest kaum gefährdet. Wir müssen Russland stärken statt schwächen und demütigen, gerade das Russland jetzt unter Putin.
- Zu Ihrer Ziffer 1: Ja. Moralisch lässt sich das kaum rechtfertigen, aber realpolitisch. Vor dem Recht des Stärkeren, das sich die USA herausnehmen, beugen wir uns doch auch, ohne das moralisch zu bejammern.
- Zu Ihrer Ziffer 2: Was wird mit “Sicherheitsabstand” gemeint? Bedeutet das, daß die Ukraine nicht wirklich eigenständig ist? Antwort: Ja. Die Schweiz zum Beispiel ist es gegenüber den USA übrigens ebenfalls nicht und muss sich dem USA-Recht-Diktat beugen. Sie fragen: "Haben die Länder, die an Russland grenzen, kein Recht auf Freiheit?" Antwort: Doch. Aber s.o. Sie fragen: "Hätten wir auch das Recht, dort zu intervenieren, wenn sich Russland in jenen Ländern engagiert?" Gegenfrage: Warum sollte Deutschland intervenieren und wie, wenn sich Russland in diesen Ländern engagiert? Wir sollten diese Verflechtung als friendenstiftend eher begrüßen.
- Zu Ihrer Ziffer 3: Belegen lässt sich das doch erst dann, wenn die Nato die Höhle wirklich besetzt hat oder sich konkret dazu anschickt. Vorher zählt, dass Russland dies befürchtet.
- Zu Ihrer Ziffer 4: Gegenfrage: Wollen Sie etwa mit dem Beispiel Putin mit Hitler vergleichen? Das ist doch recht abwegig.
- Sie schreiben: "Sicherlich haben Sie verfolgt, daß Russland (unter Putin) Teile Georgiens besetzt hat und noch immer besetzt hält. Und das, obwohl Georgien damals bereits Verhandlungen mit der Nato über eine Mitgliedschaft begonnen hatte." Antwort: Ich vermute: Putin hat das nicht gemacht, obwohl Georgien mit der Nato verhandelte, sondern weil es das tat. Mehr will ich dazu nicht sagen, es führte zu weit.
- Sie fragen: "Was geht es Russland an, wen die EU in der Ukraine unterstützt? " Antwort: Im Prinzip nichts. Aber es kommt darauf an, was das für eine „Unterstützung“ ist.
- Sie schreiben: "Mir ist es nach wie vor nicht klar, wie sich Putins gewaltsames Eindringen in die Ukraine mit dem Selbstbestimmungsrecht ebenjenen Landes verträgt." Antwort: Ist Putin wirklich in die Ukraine gewaltsam eingedrungen? Woher wissen Sie das so genau? Wenn ja, warum regt sich dann kaum jemand auf, wenn die Amerikaner und ihre Geheimdienste in andere Länder gewaltsam eindringen? Wo bleibt da das Völker- und Selbstbestimmungsrecht? Wenn schon Völkerrecht, dann sollen sich alle dran halten.
- Sie fragen: "Finden Sie es nicht unverschämt, angesicht der undemokratischen Situation in Russland, bezüglich der großen Probleme, mit denen jede Opposition in Russland zu kämpfen hat, hinsichtlich der putinkritischen Journalisten, die immer mal wieder ermordet werden, daß Putin von der “Gewährleistung der demokratischen Rechte” in Russland spricht? " Antwort: Die Informationen darüber sind nicht hinreichend, um das zu beantworten. Ich müsste das mit zu vielen „Wenn“ und „Aber“ tun; die Zeit dafür fehlt mir ohnehin.
- Sie schreiben: "Für mich jedoch steht das Selbstbestimmungsrecht (eines jeden Bürgers und eines jeden Staates) im Mittelpunkt, deswegen finde ich Phrasen wie “Einflussgebiet” oder “Vorhof” vor allem eines: Sehr, sehr freiheitsfeindlich. " Antwort: Ja, gewiss. Und für die Freiheitsrechte eintreten müssen wir selbstverständlich. Doch die politischen Realitäten lassen das Gewünschte zu häufig nicht zu, so dass es klüger ist, lange Zeit dicke diplomatische Bretter zu bohren.
- „Wer bedroht unsere Freiheit mehr – Ost oder West?” Antwort: Lesen Sie dazu meinen Bericht von der erwähnten Tagung : http://kpkrause.de/2014/11/17/wer-ist-die-grosere-gefahr-russland-oder-die-usa/#more-4503
- Zu Ihrem letzten Absatz: Möge Ihnen dieser Glaube erhalten bleiben. Um ihn zu schmälern, müsste ich weiter ausholen, aber das führt zu weit. Ich habe mit dieser Antwort ohnehin schon eine Ausnahme gemacht.

Im Übrigen empfehle ich Ihnen, sich dies anzusehen: https://www.youtube.com/watch?v=e0L75NhOwbI
Geben Sie mir Ihre E-Mail-Anschrift, dann schicke ich Ihnen mehr. Nur, auf eine weitere Diskussion lasse ich mich nicht ein.

Gravatar: Klaus Peter Kraus

Sehr geehrter Mittelsdorf, ich will Ihnen gern antworten, nur nicht jetzt. Ich bin auf dem Sprung zur Abreise für mehrere Tage und muss das vertagen. Auch mein Mail-Ordner quillt über. Aber meine Antwort wird weit kürzer sein als das, was Sie geschrieben haben. Auf eine zu lange Diskussion kann und will ich mich nicht einlassen. Feststehende Überzeugungen sind ohnehin kaum zu erschüttern.

Gravatar: Paul Mittelsdorf

Hallo Herr Krause,

ich habe Ihren Artikel tatsächlich nur angefangen, weil ich aus Erfahrung ahnte, daß er meinen Ärger und meine Enttäuschung nur vergrößern würde. Ich habe die Lektüre jetzt nachgeholt.

Als Allererstes frage ich mich, wie Sie zur Osterweiterung der Nato stehen und dem damit verbundenen Recht eines jedes Staates, frei zu sein. Ich habe diese Frage ja in meinem ersten Kommentar bereits gestellt, doch bekomme ich auf diese leider selten eine Antwort. Es ist historisch unstrittig, daß die Sowjetunion viele Staaten Osteuropas Jahrzehnte besetzt hat. Jahrzehnte, in denen es diesen Staaten nicht erlaubt war, selbstständig zu sein, in Freiheit zu leben, eine Demokratie zu errichten. Das im Gegensatz zu Westdeutschland, welches von den USA, den Briten und Franzosen besetzt wurde. Angesichts der militärischen Stärke, die auch die untergegangene Sowjetunion in der Gestalt Russlands noch besaß und angesichts der historischen Erfahrungen finde ich es nachvollziehbar, daß die Ostblockstaaten den Schutz der Nato gesucht haben. Diese hat jene Staaten aufgenommen. Ich denke, das dies für Sie ein Beispiel dafür ist, daß "Europa Russland zu sehr auf die Pelle rückt" und ich denke, das dies für Sie auch eine jener "unnötigen Provokationen" darstellt, von denen Sie reden. Ja, ich weiß, die Worte mit dem "auf die Pelle rücken" haben nicht Sie gesagt, aber eine FAZ-Redakteurin, die Sie, wie ich annehme, in Ihrem Artikel zitieren, weil Sie ihre Meinung teilen. Angesichts dessen, was in Georgien passiert ist und angesichts dessen, was wir in der Ukraine gerade erleben, muß man konstatieren, daß die Angst der osteuropäischen Staaten vor Russland nicht unbegründet gewesen ist. Aus diesem Grund wiederhole ich meine Fragen: Wie stehen Sie zur Osterweiterung? Halten Sie diese tatsächlich für eine Provokation? Was wäre Ihrer Meinung nach der bessere Weg gewesen (ohne die Sicherheit und Eigenständigkeit der osteuropäischen Staaten zu gefährden)?

Zur Untermauerung meiner Ansicht zitiere ich hier den Text, auf den Sie sich in Ihrem Artikel berufen. Frau Holm von der FAZ schreibt:

„Es spricht für Europas Blindheit, dass es nicht im ureigenen Interesse Ruhe im östlichen Vorgarten anstrebt. Dass der Bär, nicht von ungefähr Russlands Symboltier, … ein gefährliches Raubtier ist, weiß man nicht erst seit gestern. Und dass Raubtiere wie auch Staaten aggressiv werden, wenn man ihnen auf den Pelz rückt, ist ebenfalls bekannt. Dass sie überdies, wenn man keinen Sicherheitsabstand wahrt, angreifen, kann man aus Tierfilmen lernen. Doch mit dem Flirt, den Nato und EU mit der Ukraine begannen, signalisierte der Westen, dass er seinen Fuß letztlich auch in die Bärenhöhle setzen könnte. … Der Westen, der mit dem Gedanken einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine spielte und jetzt die Illegalität der russischen Krim-Annexion verdammt, verhält sich wie jemand, der einem ungehobelten Nachbarn erst ein Bein stellt, sich dann über seine ruppige Gegenwehr wundert und ihm danach Strafpredigten hält.“

Auch zu diesem Abschnitt habe ich viele Fragen und ich bin gespannt, ob Sie diese beantworten werden:

1. Sollte man vor einer Konfrontation zurückscheuen, nur weil der Gegner gefährlich ist? Wie läßt sich das moralisch rechtfertigen? Stichwort: Russischer Bär. Dieser Gedanke fördert nur Eines: Das Recht des Stärkeren.
2. Was wird mit "Sicherheitsabstand" gemeint? Bedeutet das, daß die Ukraine nicht wirklich eigenständig ist? Haben die Länder, die an Russland grenzen, kein Recht auf Freiheit? Und falls nicht, gilt das auch für Deutschland, in dessen "Vorgarten" zum Beispiel Tschechien und die Slowakei, die Schweiz, Österreich, Polen, Dänemark, die Niederlande, Belgien und Luxemburg liegen? Hätten wir auch das Recht, dort zu intervenieren, wenn sich Russland in jenen Ländern engagiert?
3. Warum signalisiert der Westen, wenn er bereit ist, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, "dass er seinen Fuß letztlich auch in die Bärenhöhle setzen könnte", wie Frau Holm behauptet. Vielleicht können Sie mir ja einen Beleg dafür zusenden, daß die Nato damit droht, Teile Russlands (also die "Höhle des Bären") zu besetzen.
4. Haben die Länder, die damals die Annektierung des Sudetenlandes durch Deutschland kritisiert haben, Deutschland auch "ein Bein gestellt", so daß sie sich schließlich gar nicht über dessen "ruppige Gegenwehr" hätten zu wundern brauchen? In anderen Worten: Nicht diejenigen, die aggressiv in andere Länder eindringen und Teile dieser besetzen, sind die Schuldigen, sondern die, die dieses Verhalten anprangern. Hierbei verweise ich auch auf die letzten beiden Sätze meines ersten Kommentars.

Nun zum nächsten Punkt. Sie zitieren Putin:

Putin sagte auch: „Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land. Für unser Land, das ein Jahrhundert der Kriegskatastrophen durchgemacht hat, ist der stabile Frieden auf dem Kontinent das Hauptziel. Wie bekannt, haben wir den Vertrag über das allgemeine Verbot von Atomtests, den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, die Konvention über das Verbot von biologischen Waffen sowie das START-II-Abkommen ratifiziert. Leider folgten nicht alle NATO-Länder unserem Beispiel. … Wir sprechen von einer Partnerschaft. In Wirklichkeit haben wir aber immer noch nicht gelernt, einander zu vertrauen. Trotz der vielen süßen Reden leisten wir weiterhin heimlich Widerstand. … . Ich kann mit Zuversicht sagen: Das Hauptziel der Innenpolitik Russlands ist vor allem die Gewährleistung der demokratischen Rechte und der Freiheit, die Verbesserung des Lebensstandards und der Sicherheit des Volkes.“

Das klingt alles sehr schön. Doch inwieweit ist es mit der Realität vereinbar? Sicherlich haben Sie verfolgt, daß Russland (unter Putin) Teile Georgiens besetzt hat und noch immer besetzt hält. Und das, obwohl Georgien damals bereits Verhandlungen mit der Nato über eine Mitgliedschaft begonnen hatte. Um das nocheinmal zu unterstreichen: Putin ist militärisch in ein Land eingedrungen, welches bereits in Gesprächen mit der Nato stand. Wie läßt sich das mit seinen Worten aus dem Zitat ("freundlich gesinntes europäisches Land", "Partnerschaft", "Vertrauen") vereinbaren? Kann es sein, daß "Partnerschaft" und "Vertrauen" für Putin (und auch für Sie, wie mir erscheint) nur eines bedeuten: Das wir uns nicht einmischen, wenn Russland Länder angreift, die an dessen Grenzen liegen? Der Ukrainekonflikt ist nur das nächste Kapitel in dieser Geschichte und auch hier kann ich meine Frage nur wiederholen: Was geht es Russland an, wen die EU in der Ukraine unterstützt? Uns geht es doch auch nichts an, wem Putin in der Ukraine seine Hilfe zusagt. Ebenso haben wir das Recht, Strömungen zu unterstützen, die dem Westen freundlich gesinnt sind. Mir ist es nach wie vor nicht klar, wie sich Putins gewaltsames Eindringen in die Ukraine mit dem Selbstbestimmungsrecht ebenjenen Landes verträgt und ich werde den Verdacht nicht los, daß Sie eher in Einflusssphären denken, nicht so sehr in den Bestimmungen des Völkerrechtes. Deswegen glaube ich auch, daß ich Sie keineswegs "mißverstanden" habe, wie Sie denken. Aber wie gesagt, ich würde mich über eine detaillierte Darstellung Ihrer Sicht sehr freuen.

Aber noch eine weitere Anmerkung zu Putins Worten, denen Sie ja Glauben zu schenken scheinen. Finden Sie es nicht unverschämt, angesicht der undemokratischen Situation in Russland, bezüglich der großen Probleme, mit denen jede Opposition in Russland zu kämpfen hat, hinsichtlich der putinkritischen Journalisten, die immer mal wieder ermordet werden, daß Putin von der "Gewährleistung der demokratischen Rechte" in Russland spricht? Ich finde es jedenfalls genauso heuchlerisch wie hier in Deutschland, wenn "Die Linke" sich über den "Überwachungsstaat" aufregt oder für "Bürgerrechte" kämpft, obwohl sie nach wie vor nichts anderes ist als die SED unter einem anderen Namen.

Ich habe noch ein Zitat aus Ihrem Artikel:

"Diese fremden Interessen laufen darauf hinaus, die Ukraine (wie schon die baltischen Staaten) dem russischen Einflussbereich zu entziehen, die Ukraine der Nato einzugliedern und Russland zu schwächen."

Dieses soll untermauern, was ich vorher schrieb. Ich glaube, der Unterschied zwischen unseren Ansichten ist derjenige, daß für Sie einzelne Staaten nicht das Recht auf Freiheit haben, wenn sie sich im "Einflussbereich" eines mächtigen Landes befinden. Die Ostblockstaaten wollten freiwillig in die Nato. Letztere hat sie nicht bedroht. Russland hat es sich und seiner aggressiven Politik und nicht zuletzt der fehlenden Demokratie innerhalb seiner Grenzen selber zuzuschreiben, wenn kleinere Völker Angst vor ihm haben. Und wenn wir uns einmal Russlands Politik ansehen: Auch diese ist darauf ausgerichtet, die westlichen Staaten zu schwächen, jedes russische Veto in der UNO belegt das. Solange Russland keine Demokratie ist und solange Russland und Putin den alten Grenzen des Sowjetreiches nachtrauern, wird sich das leider auch nicht ändern. Für mich jedoch steht das Selbstbestimmungsrecht (eines jeden Bürgers und eines jeden Staates) im Mittelpunkt, deswegen finde ich Phrasen wie "Einflussgebiet" oder "Vorhof" vor allem eines: Sehr, sehr freiheitsfeindlich.

Und zuletzt noch zu einer Frage, die in Ihrem Artikel gestellt wird:

„Wer bedroht unsere Freiheit mehr – Ost oder West?"

Nun ja, Herr Krause. Die Geschichte sollte diese Frage wohl beantworten. Welches Land hat Deutschland vor dem Nationalsozialismus gerettet? Welches Land hat Ostdeutschland vom Kommunismus erlöst? Welches Land hat es Westdeutschland zugebilligt, eine freie Demokratie und eine Marktwirtschaft aufzubauen, obwohl Deutschland de Zweiten Weltkrieg glasklar verloren hat? Welches Land hat demgegenüber die Bevölkerung Ostdeutschlands und dazu ganz Osteuropa unterdrückt? Welches Land ist in Ungarn einmarschiert? Welches Land hat Soldaten nach Tschechien gesandt, als dieses keine Lust mehr hatte, der Sowjetunion anzugehören? Welches Land besitzt eine der ältesten Demokratien der Welt und welches andere Land hat nach wie vor keine? In welchem Land wird die Freiheit des Einzelnen besonders groß geschrieben? Wie sieht denn die "Unterdrückung" durch die Amerikaner aus, die ihnen anscheinend vorschwebt? Und wie sieht sie dann noch aus, wenn Sie sie mit den Methoden vergleichen, mit denen die Sowjets in der DDR vorgegangen sind? Ich bin der Meinung, das sollte die Frage: "Wer bedroht uns mehr", eigentlich beantworten.

Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen,

viele Grüße,

Paul Mittelsdorf

Gravatar: Klaus Peter Krause

Sehr geehrter Herr Mittelsdorf, ich habe den Eindruck, dass Sie nur den ersten Absatz des Beitrags gelesen haben und nicht den ganzen Rest. Folglich missverstehen Sie mich. Der Schluss meines Beitrags lautet: "Putin hat Deutschland seit 2001 immer wieder Avancen gemacht. Seine diesbezüglichen Reden sind ernsthaft vorgetragen, von Sachlichkeit geprägt und zeugen von politischer Vernunft, haben dabei natürlich die eigenen Interessen im Blick. Aber eigene Interessen müssen nicht immer unvereinbar sein mit denen anderer Länder. Sie können sich ergänzen oder im Kompromiss einander angeglichen werden. Sie müssen es. Sinnvoll und friedenssichernd ist eine Politik mit, nicht eine gegen Russland."

Gravatar: Paul Mittelsdorf

Hallo Herr Krause,

Ihre Ausführungen zur Klimapolitik lese ich gerne und mit großem Interesse. Sobald Sie jedoch anfangen, etwas über die Ukraine und Russland zu schreiben, werde ich nur noch wütend. Sie sind also dafür, den "Russen nicht so sehr auf die Pelle zu rücken"? Was übersetzt heißt, daß man es wohl Staaten wie Lettland, Litauen, Estland oder Polen demnächst verweigern sollte, Schutz in der Nato zu suchen. Sie nennen diese verständliche Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Schutz und die Bereitschaft des Westens, diesen Ländern zu helfen, eine "unnötige Herausforderung" und quasi eine "Nötigung", die nun Russland anscheinend gezwungen hat, gewaltsam in der Ukraine zu intervenieren. Die Nötigung geht also nicht mehr von denen aus, die Gewalt ausüben, sondern von denen, die vor der Gewalt nicht einknicken, sondern bereit sind, Schwächeren zu helfen. Eine traurige Schlussfolgerung, wenn einem Menschenrechte und Freiheit auch nur eine Kleinigkeit bedeuten.

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