Der Sonntag ist der Tag des Herrn – so sieht es die christliche Tradition vor. Am siebten Tag seines Schöpfungsakts hat Gott Vater dem Buch Genesis zufolge „geruht“. Nicht erst die Christen kannten den Unterschied zwischen Zeiten zum Arbeiten und Zeiten zum Ruhen und Beten. Doch das, was Jahrtausende Kulturgeschichte darstellt, scheint auch nicht mehr sicher in diesen bewegten Zeiten.
Der Sonntag als Ruhetag ist in Gefahr. So plakativ muss man es formulieren. Der jüngste Vorstoß zur Aufweichung des arbeitsfreien Sonntags kommt aus Paris: Der scheinbar omnipräsente und –potente Nicolas Sarkozy will eines seiner Wahlversprechen einlösen und die Gesetzgebung hinsichtlich der Sonntagsarbeit liberalisieren. Nicht nur die Kirchen laufen dagegen Sturm. Eine breite Koalition aus Gewerkschaften, Familienverbänden und den großen Kirchen wehren sich – und wissen dabei die Mehrheit der Franzosen hinter sich. Nach der jüngsten Umfrage sprechen sich 55 Prozent der Befragten gegen eine Aufweichung der bisherigen Regelung auch nur in Tourismusgebieten aus. Doch Sarkozy will sein Ziel weiterverfolgen.
Der Sonntag in der Krise – das trifft nicht nur in Frankreich zu. Auch in Deutschland gibt es seit Jahren nennenswerte Bestrebungen, den verkaufsoffenen Sonntag zur Regel zu machen. Der deutsche Einzelhandel verfügt über eine starke Lobby. Doch der Widerstand hat sich bereits formiert: In der Allianz für den freien Sonntag sind Kirchen, Gewerkschaften und Verbände gleichermaßen engagiert. Auf regelmäßigen „Zeitkonferenzen“ informieren sie über die zahlreichen Gründe, weshalb ihrer Ansicht nach der arbeitsfreie Sonntag schützenswert sei. Das Spektrum reicht dabei von medizinischen Gefahren über arbeitnehmerrechtliche Bedenken bis hin zu gesellschaftspolitischen Erwägungen. Das Netzwerk weiß um die Stärke der Gegner und darum, dass die Politik im Zweifelsfall Truppen zählt statt Argumente abzuwägen. Die Bundeskanzlerin antwortete auf die Frage, was sie am Sonntag tue, „Ausschlafen und Nachdenken“. Es ist verständlich, wenn das für viele als Antwort von der Vorsitzenden einer C-Partei nicht reicht.
Das ist auch der Grund, weshalb fünf Europaabgeordnete, unter ihnen der CSU-Politiker Martin Kastler aus Nürnberg, eine Schriftliche Erklärung für den Schutz des arbeitsfreien Sonntag ins Europäische Parlament eingebracht haben. Die Erklärung hat in den drei Monaten ihrer Bewährung nicht die notwendige Anzahl von 50 Prozent plus X der Volksvertreter in Straßburg erhalten. Doch die Koalition ist gewachsen.
Jeder Familienmensch weiß, wie wichtig es ist, dass es in der Woche wenigstens einen Tag gibt, an dem trotz unterschiedlichen Alltags alle Familienmitglieder zusammenkommen können. Doch viele Politiker scheinen nur bei ihrer Kandidaturvorstellung Familienmensch sein zu wollen. Andernfalls hätte man nicht um den arbeitsfreien Sonntag zu fürchten. Es braucht wohl wieder ein gerüttelt Maß an Zuversicht und Vertrauen in die Volksklugheit, um sich nicht über die Maßen beunruhigen zu lassen. Der Vorstoß von Sarkozy wird nicht der letzte bleiben. Er kommt in Zeiten wirtschaftlicher Verunsicherung.
Doch der Krise darf nicht alles geopfert werden. Daher gilt: Arbeiter, Familien und Kirchgänger dieser Welt – vereinigt Euch!
Kommentare zum Artikel
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Ich empfinde den Sonntag als den trostlosesten Tag in der Woche. Ich würde es sehr begrüßen, wenn ich an diesem Tag nicht überall vor verschlossenen Türen stehen würde.
Lieber "Händler", man kann nicht alles der Logik der Ökonomie unterordnen. Das ist einseitig und unmenschlich. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, nict die Wirtschaft.
Mit den Gewerkschaften haben sich ja schöne Verbündete gefunden für die große christsoziale Koalition der Reformblockierer. Erschreckend!